Goodbye CO2!

In welchem Maß rechnet sich eine nachhaltig aufgestellte Logistik für die Unternehmen? Dieser Frage gingen die Referenten der Fachsequenz „Nachhaltigkeit und CO2-Reduktion in Transport und Logistik“ auf dem Deutschen Logistik-Kongress nach – und sie kamen einmütig zu dem Schluss, dass sich Umweltschutz und Betriebswirtschaftlichkeit gut vereinbaren lassen.

Bergfreunde-Chef Ronny Höhn erklärte, wie sein Unternehmen CO2-neutral wurde - und welchen Anteil die Logistik daran hatte. (Foto: Bennühr)

Frühzeitig handeln, ganzheitlich betrachten, Einzelmaßnahmen durchdenken – auf diese Formel lässt sich der Tenor der Sequenz zum Thema Nachhaltigkeit reduzieren. Moderiert von Uwe Salvey, dem Logistikchef der Warsteiner-Brauerei, untermauerten unter anderem Julia Hartmann, Logistikprofessorin an der EBS Business School, und Ronny Höhn, Geschäftsführer des Onlinehändlers Bergfreunde diese Thesen mit Fakten.

Warum gerade frühzeitiges Handeln für Unternehmen – speziell auch in der Logistik – notwendig ist, erklärte Hartmann. So käme es in der zunehmend für Umweltthemen sensibilisierten Welt darauf an, umweltwirksame Maßnahmen bereits zu erfüllen, bevor die Gesetzgebung dieses explizit vorschreibe. Nur so können sich Unternehmen künftige Wettbewerbsvorteile sichern, da dieses über die Vorgaben hinausgehende Umweltengagement von der Öffentlichkeit und Geschäftspartnern wahrgenommen werde. Wer hingegen nur die per Gesetz geforderten Auflagen erfülle, käme nicht in den Genuss dieser positiven Außenwirkung.

Hartmann unterschied aber auch deutlich zwischen materiellen und immateriellen ESG-Maßnahmen  (ESG steht für: Environment, Social, Corporate Governance). Wer sich überwiegend immateriell, also ohne nenneswerten finanziellen Input engagiere,  werde im Normalfall als „Greenwasher“ wahrgenommen – unabhängig wie stark die immateriellen Maßnahmen ausgeprägt seien. Aktien-Unternehmen mit dieser Strategie müssen damit rechnen, dass ihre finanzielle Performance künftig sinken wird. Engagiert sich ein Unternehmen hingegen spürbar mit materiellen Maßnahmen, dürfe man damit rechnen, dass die finanzielle Performance sich deutlich besser entwickeln wird, als im Durchschnitt.

Hartmann brach das Thema schließlich auf die Ebene der Logistik herunter: Von 149 weltweit untersuchten, großen Markteilnehmern machten nur 49 überhaupt Angaben zur Nachhaltigkeit. Im Umkehrschluss  bedeutet das, dass 72 Prozent der Unternehmen weder materielle noch immaterielle ESG-Maßnahmen eingeleitet haben. Bezogen auf Ansätze zur Reduzierung der CO2-Emissionen verfolgen lediglich 20 Prozent der Stichprobe überhaupt entsprechende Ansätze. „Hier ist noch sehr viel Luft nach oben“, schloss Hartmann ihren Vortrag

Musterknabe Bergfreunde   

Wie man einen Onlineversandhändler zu 100 Prozent klimaneutral aufstellen kann, war Thema von Ronny Höhn. Der Mit-Gründer und jetzige Geschäftsführer der auf den Versand von alpinen Kleidungs- und Sportartikeln spezialisierten Bergfreunde GmbH, stellte in seinem Vortrag vor, wie er und seine Mitarbeiter das Projekt im Jahr 2019 angegangen sind und wo die Hauptansatzpunkte dabei lagen. Basis für die Nachhaltigkeitsstrategie war eine ganzheitlich betrachtete, detaillierte Auswertung der CO2-Emissionen des Unternehmens. Diese verteilten sich zu 31 Prozent auf die Anlieferlogistik, zu 29 Prozent auf den Bereich Verpackung und zu 21 Prozent auf das Feld „Reisen & Pendeln“.  Deutlich geringer fielen die Emissionen bei Retouren (8 Prozent), dem Energieverbrauch für Heizung und Strom (9 Prozent) und Sonstiges (2 Prozent) aus.

„Wir können nicht komplett emissionsfrei werden, aber wir können versuchen zu vermeiden, zu reduzieren und zu kompensieren“, erklärte Höhn dazu und ging in die Details. So brachte die Umstellung im Versand auf vor Ort produzierte, individuell an das Packstück angepasste Kartonagen eine Einsparung von rund 30 Prozent der bisherigen Transportvolumina – bei 1,8 Mio. Sendungen pro Jahr. „Das entspricht 500 LKW-Fahrten jährlich“, verdeutlichte Höhn. Mit diesem Prinzip soll schließlich bis zum Jahr 2022 der CO2-Ausstoß pro Paket – inklusive der  Retouren –  um 30 Prozent auf absolut 1,7 kg gesenkt werden. Also etwa dem, was ein PKW durchschnittlich auf einer Strecke von 8 km emittiert.

Deutlich nachhaltiger als ein klassisches Regalsystem ist zudem das im Bergfreunde-Logistikzentrum eingesetzte Autostore-System mit 140.000 Lagerplätzen und 150 Ein- und Auslagerrobotern. Diese Anlage beansprucht lediglich 50 Prozent der sonst benötigten Fläche, weil keine Gänge mehr erforderlich sind. Zudem ist auch keine Beleuchtung mehr notwendig – nur noch 30 Prozent des Lagers sind überhaupt beleuchtet.  Auch der Betrieb der Roboterflotte ist laut Höhn sehr energieeffizient: „10 Einheiten benötigen zusammen in etwa so viel Energie wie ein Staubsauger“, erklärte der Geschäftsführer. Da deren Einsatz komplett skalierbar ist, richtet sich der Energiebedarf exakt nach der Auslastung.

Schließlich stellte Höhn noch die Initiative „Single use plastic“ vor, die von zahlreichen Outdoor-Artikel-Versendern  mit getragen wird. Kernelement ist dabei, beim Versand zum Endkunden komplett auf Einwegverpackungen zu verzichten. Die vom Hersteller in Folie verpackten Waren werden im Bergfreunde-Lager vor dem Versand ausgepackt  und anschließend ohne Beutel im Umkarton auf die Reise geschickt. Dafür liegt der Ware ein Zettel bei, auf dem die Idee erklärt wird. Die im Lager gesammelte Folie wird an den Hersteller zurückgesendet, der sie recycelt und anschließend wieder nutzt. Und der Erfolg? „Das Feedback unserer Kunden auf das Konzept ist sehr gut“, schloss Höhn seinen Vortrag.    

Verfolgen Sie unsere Berichterstattung über den Deutschen Logistik-Kongress 2020 auf unserer Sonderseite.

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