UE-Professor Frese: „Es ist schon viel zu spät“

An der University of Europe for Applied Sciences entwickelt Professor Werner Frese momentan den neuen MBA-Studiengang Shipping & Logistics. Im Interview spricht er über die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Lehre.

Prof. Dr. Werner Frese ist Dozent und Studiengangsleiter für duale Studiengänge & MBA-Programme an der University of Europe for Applied Sciences. (Foto: University of Europe for Applied Sciences)

An der University of Europe for Applied Sciences entwickelt Professor Werner Frese momentan den neuen MBA-Studiengang Shipping & Logistics. Im Interview spricht er über die Bedeutung von Nachhaltigkeit in der Lehre.

DVZ: Herr Prof. Frese, bevor wir über die Nachhaltigkeit in der Logistik sprechen - welche Rolle spielt Nachhaltigkeit eigentlich bei Ihnen in der Lehre und an der Hochschule?

Prof. Werner Frese: Nachhaltigkeit ist bei uns an der Hochschule schon seit längerem ein großes Thema. Als Querschnittsthema spielt es mittlerweile in fast allen Studiengängen eine immer größere und wichtigere Rolle. Und zwar nicht wie häufig in der Öffentlichkeit nur mit dem Thema Klima in Verbindung gebracht, sondern als Drei-Säulen-Modell. Das bedeutet, dass wir in der Lehre immer soziale, ökonomische und ökologische Aspekte gleichermaßen betrachten.

Als private Hochschule sind sie eng mit Unternehmen verknüpft. Haben Sie das Gefühl, dass das Thema Nachhaltigkeit auch dort angekommen ist?

Ja, das sehe ich auf jeden Fall so. Immer mehr Unternehmen haben begriffen, dass sie sich damit von ihren Mitbewerbern positiv abheben können. Es ist zum wichtigen Differenzierungsmerkmal geworden.

Dann lassen Sie uns doch mal über den Bereich Logistik sprechen. Transportunternehmen gelten als defensiv und reaktiv agierend. Warum ist das so? Was ist das Besondere an dieser Branche gegenüber anderen Sektoren?

Die Logistik läuft bei vielen Unternehmen - außer bei den Logistikunternehmen selbst natürlich - bislang als zusätzliche Funktion, und in vielen Fällen als outgesourcte Leistung, mit. Ein Unternehmen steht für die Produkte, die es verkauft und nicht so sehr dafür, wie es diese Produkte von A nach B transportiert. Und da die Logistik oftmals von Partnern übernommen wird, stand diese Funktion für das Unternehmen lange nicht im Fokus des Nachhaltigkeitsgedankens. Heutzutage erkennen Unternehmen mehr und mehr, dass ihre gesamte Wertschöpfungskette inklusive der Logistik ganzheitlich in Bezug auf Nachhaltigkeit betrachtet werden muss, um auch „authentisch“ gegenüber der Kunden bleiben zu können.

Wenn ein Logistikdienstleister einen ökologisch und sozial guten Transport anbietet, also Arbeitsbedingungen beachtet und das Klima schützt, ist das zumindest aktuell noch teurer. Wenn die Bedeutung der Logistik steigt, muss sie dann teurer werden?

Studien belegen, dass Konsumenten grundsätzlich bereit sind, auch einen höheren Preis für Nachhaltigkeit zu bezahlen. Diese Bereitschaft hat aber klare Grenzen. Das liegt natürlich auch daran, dass bestimmte Einkommensgruppen auch finanziell gar nicht in der Lage sind, mehr für Produkte zu bezahlen. Deshalb sehe ich in der Logistik gerade durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz noch erhebliche Potenziale, CO2 einzusparen und die „Mehrkosten“ zu begrenzen, z.B. durch effizientere Planung von Fahrten.

Die Logistikbranche wird in allen Sektoren immer effizienter, aber die Emissionen steigen weiter. Liegt es nur daran, dass global immer mehr transportiert wird oder ist das Problem doch komplexer? 

Der Welthandel und damit der Transport von Waren hat dank der Globalisierung natürlich extrem stark zugenommen. Das wird zukünftig nicht weniger, sondern eher noch mehr werden. Die Aufgabe für Logistikdienstleister bleibt daher riesig. Auf der einen Seite gibt es die Fragmentierung der Lieferung, auf der anderen Seite ein Ansteigen der zu transportierenden Menge. Das zusammen mit einer Reduzierung der Umweltbelastung macht das Ganze nicht einfacher.

Die Straße ist ja nur ein Teil des Transportsektors. Wie blicken Sie auf die maritime Schifffahrt?

Ich gehe davon aus, dass künftig noch größere Tanker existieren werden. Je mehr Ware man auf einem Schiff platzieren kann, desto geringer sind die Stückkosten pro Fahrt. Das hat aber zur Folge, dass wir beispielsweise die Häfen an diese neuen Rahmenbedingungen anpassen müssen und dabei auch der Nachhaltigkeitsgedanke mitberücksichtigt werden muss, z.B. durch Bojen und Sonnenenergie, die die Elektrizität an Bord eines Containerschiffes aufrechterhalten können, da u.U. kein Platz wegen der höheren Anzahl oder schlichtweg wegen der Größe der Containerschiffe im Hafen existiert.

Prof. Dr. Werner Frese

Professor Frese ist seit 2017 bei der University of Europe for Applied Sciences und derzeitiger Programmleiter in Iserlohn. In dieser Funktion verantwortet er die MBA Studiengänge für die gesamte Hochschule. Derzeit ist er maßgeblich an der Entwicklung des MBA-Studienganges Shipping & Logistics beteiligt. Der Studiengang kann ab dem kommenden Sommersemester am Hamburger UE Campus belegt werden. 

Gibt es denn auch schon gute Projekte in der Praxis?

Die Reederei Maersk hatte angefangen, ihre Schiffe auf Methanol umzustellen. Methanol ist ein extrem guter klimaneutraler Treibstoff. Allerdings müssen diese Treibstoffe aus Biomasse und Sonnenenergie produziert werden. Das ist in der breiten Masse aktuell noch nicht möglich.

Gerade in der Schifffahrt wird die Transformation aufgrund der hohen Investitionen und der langen Betriebszeiten von Schiffen noch sehr lange dauern. Oder erwarten Sie, dass wir in diesem Jahrzehnt noch wirklich den ganz großen Schritt in diesem Bereich sehen?

Nein, das wird sich erst über sehr viele Jahre entwickeln. Man muss die aktuelle Lage auf ein "normales" Unternehmen runterbrechen. Warum soll ein Unternehmer oder eine Unternehmerin sofort in eine Hype-Technologie investieren? Ein vernünftig handelndes Unternehmen wird erst einmal abwarten und schauen, wie sich das Thema entwickelt, Vor- und Nachteile abwägen, um dann den optimalen Zeitpunkt zu finden, um zu investieren. Gerade bei der Vielzahl an konkurrierenden Technologien warten die meisten erst mal ab. Das gilt insbesondere in der Schifffahrt, wo es um sehr große Summen geht.

Von der Infrastruktur im Transportsektor kommt man zwangsläufig zur Bahn. Dass die Verlagerung auf die Schiene aus ökologischen Gründen sinnvoll ist, ist lange bekannt. Warum klappt das nicht?

Die Bahn hat einen massiven Investitionsstau vor sich hergeschoben. Wenn jetzt viel Geld in die Infrastruktur investiert wird, wird die Umsetzung viel Zeit in Anspruch nehmen. Damit wird es kurzfristig auch eher gegen die Klimaneutralität laufen, weil Strecken zur Erneuerung gesperrt werden müssen und sich der Verkehr wieder auf die Straße verlagert. Das ist das Dilemma. Die Bahn ist das ideale Transportmittel, um Waren über längere Distanzen zu transportieren. Allerdings muss die Infrastruktur bereitstehen und sofern dies nicht der Fall ist, werden wir keine relevante Verlagerung auf die Schiene bekommen - und somit auch keinen signifikanten Beitrag zur Emissionsreduzierung leisten können.

Das Atrium der University of Europe for Applied Sciences in Iserlohn.
Der Hamburger Campus der UE, wo der Studiengang „Shipping & Logistics“ beheimatet ist.

Lassen Sie uns zuletzt noch einen Blick auf die Luftfahrt werfen, um das Logistikbild komplett zu machen. Ähnlich wie in der Schifffahrt ist hier die Technologiefrage noch nicht abschließend geklärt. Welche Entwicklung erwarten Sie hier in den kommenden Jahren?

Aktuell werden viele verschiedene Antriebstechnologien in der Luftfahrt getestet. Hier muss man sicherlich noch ein bisschen abwarten. Die Luftfahrtindustrie hat im Laufe der Jahre schon darauf geachtet, dass die Flugzeuge ökonomischer fliegen und dass Treibstoff eingespart wird. Ein Umbruch ist also bereits zu erkennen. Um noch mehr Treibhausgase einzusparen, halte ich auch in diesem Sektor Kooperationen für wichtig. Mit Star Alliance gibt es das ja bereits für den Passagierverkehr. In Zukunft sollte das auch für Luftfracht angeboten werden. Also eine Kooperation von verschiedenen Cargogesellschaften, um Kosten und Emissionen zu reduzieren. 

Endkonsumenten auf der einen Seite und die Politik auf der anderen Seite sind die bekannten Hebel. Warum hat es bis in die späten 2010er-Jahre für diesen Umschwung gedauert?

Es ist tatsächlich schon viel zu spät. Das 1,5 Grad Ziel werden wir kaum noch erreichen. Jeder einzelne muss nun seinen Beitrag leisten, um den Klimawandel einzugrenzen. Warum soll ein Unternehmen sich ändern? Es muss hoffen, dass der Konsument das honoriert. Wenn der Kunde es nicht honoriert, wird das Unternehmen nichts ändern. Es sei denn, es kann dies beispielsweise ohne nennenswerte Zusatzkosten anbieten und kann sich damit von der Konkurrenz abheben. Nichtsdestotrotz wird der Konsument stets der Auslöser für Veränderungen sein. Ein Unternehmen sollte deshalb immer proaktiv agieren, aber das geschieht nur, wenn sichergestellt ist, dass es auch einen Mehrwert bietet.

Sie arbeiten selbst an einer Privatuniversität. Da könnte man behaupten, dass dies nicht die jungen Menschen sind, die bei Fridays for Future auf die Straße gehen. Merken Sie bei Ihren Studierenden ein Umdenken? Wird Nachhaltigkeit aktiv eingefordert?

Absolut! Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung betreiben wir an der University of Europe selber. Die Skript-Erstellung haben wir beispielsweise komplett digitalisiert. Ladestationen für Fahrzeuge mit Elektroantrieb sind bereits geplant. Die Studierenden an unserer Hochschule fordern das ein. Das sind die Konsumenten und auch die Manager von morgen. Es ist unser Anspruch als private Hochschule, den aktuellen Stand der Dinge abzubilden und auch die Zukunft mit zu gestalten.

Wird sich auch die Lehre noch weiter durch Nachhaltigkeit und Klimaschutz verändern?

Es wird auch in der Wissenschaft weiterwachsen. Zum Glück hört die Technik nicht auf, sich weiterzuentwickeln. Es wird mit Sicherheit weiter Innovationen geben, die insbesondere die Logistikbranche auf den Kopf stellen. Wir sind gespannt, was noch kommen wird. Die Digitalisierung wird noch für viel Veränderung sorgen. Und das wird nicht nur bei uns gelehrt, sondern mit Sicherheit wird dieses Thema von vielen anderen Hochschulen ebenfalls aufgegriffen werden.

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