BVL-Chef: Nicht gegen den Wandel arbeiten – Chancen nutzen!

DVZ: Herr Althoff, die BVL Supply Chain CX steht unter dem Motto „Embracing Change“. Welche zentrale Botschaft möchten Sie den Teilnehmenden mitgeben?
Kai Althoff: Das Thema Change begleitet uns kontinuierlich. Aber die Dynamik des Wandels ist stärker denn je. Wenn wir versuchen, dagegen zu arbeiten, werden wir scheitern. Stattdessen müssen wir die Chancen nutzen. In Zeiten dynamischen Wandels ergeben sich immer Möglichkeiten, die eigene Marktposition zu verbessern und in neue Märkte vorzustoßen. Besonders gefragt sind strategische Weitsicht, Kreativität und Innovation, um den Wandel zum Wettbewerbsvorteil zu nutzen. Mit der BVL Supply Chain CX bieten wir die Plattform zum Austausch über die wesentlichen Entwicklungen sowie über erfolgreiche Logistikstrategien, -konzepte und -lösungen der Zukunft und damit die ideale Möglichkeit zur Vorbereitung der Unternehmen auf den weiteren Wandel.
Zu den negativen Einflüssen der vergangenen Monate gehört die verschärfte Zollpolitik der USA. Was beobachten Sie in Ihrem Netzwerk, wie Unternehmen damit umgehen?
Eine große Herausforderung der aktuellen Zollpolitik ist die andauernde Unsicherheit darüber, ob ein gefundener Kompromiss Bestand hat oder die Zölle schon nach kurzer Zeit wieder in die eine oder andere Richtung verändert werden. Dadurch sinkt die Verlässlichkeit in den globalen Wertschöpfungsketten. Die Unternehmen müssen die Prozesse in den Lieferketten so optimieren, dass sie flexibel und schnell auf neue Herausforderungen reagieren können.
Sehen Sie in den Handelskonflikten auch Chancen?
Eine Chance liegt sicherlich in der Erschließung neuer Märkte. Andere Regionen rücken verstärkt in den Fokus, sei es als Rohstofflieferanten oder als Absatzmärkte. Dadurch kann langfristig die Abhängigkeit reduziert werden, auch wenn sich aufgrund der großen wirtschaftlichen Bedeutung der USA nicht alles kompensieren lässt. Eine weitere Chance liegt in der erwähnten Optimierung der Lieferketten. Wenn diese richtig angegangen wird, ist sie auch langfristig die Basis für effiziente und kostengünstige Prozesse.
Ein weiteres großes Risiko für das Wachstum sind die geopolitischen Instabilitäten. Welches Szenario bereitet Ihnen hierbei die größten Sorgen?
Leider gibt es aktuell mehrere geopolitische Konflikte, die weiter eskalieren können. Der Angriffskrieg Putins in der Ukraine geht weiter und die Luftraumverletzungen im NATO-Raum deuten leider eher auf eine mögliche Ausweitung des Konflikts hin. Deswegen gilt es, dringend die kritische Infrastruktur besser zu schützen und die Verteidigungsfähigkeit der NATO zu verbessern, vor allem gegen Bedrohungen wie Drohnen und Cyberangriffe. Auch die Situation in Asien müssen wir im Auge behalten: China gewinnt weiter an Stärke und ist mehr und mehr bereit, diese zu nutzen. Dazu kommen noch die politischen Konflikte mit Taiwan und im Südchinesischen Meer. Ein offener Konflikt dort wäre ein weiterer großer Schock für die globalen Lieferketten.
Die Welt steckt zudem in einer tiefen Klimakrise. Um das 1,5-Grad-Ziel noch zu halten, seien die Jahre bis 2030 entscheidend, sagen Experten. Welche Maßnahmen sollten jetzt im Verkehrssektor ergriffen werden?
Die Logistikdienstleister haben die Antriebswende akzeptiert und gehen diese aktiv an. Allerdings müssen die Rahmenparameter verbessert werden, um das erforderliche Umstellungstempo zu erreichen. Erstens muss die Ladeinfrastruktur für Lkw – ebenso wie für Pkw – schnell ausgebaut werden. Zweitens gilt es, die Voraussetzungen für einen verlässlichen und wettbewerbsfähigen Strompreis zu schaffen. Und drittens braucht es für die Weiterentwicklung der alternativen Antriebe gezielte Förderung. Hier sehe ich klar die Politik in der Verantwortung. Darüber hinaus sollten auch intermodale Verkehrsknotenpunkte ausgebaut und der Kombinierte Verkehr gefördert werden, um mehr Güterverkehr auf die Schiene verlagern zu können. Wichtig wird es für die Gesellschaft und unsere Wettbewerbsfähigkeit sein, dass die Politik und die Wirtschaft zusammen einen Weg in die Zukunft definieren, und zwar mit realistischen Zeitplänen und mehr Flexibilität.
Künstliche Intelligenz ist erneut ein zentrales Thema der CX. Wo kann KI heute bereits das Steuern von Lieferketten optimieren?
KI wird in allen Bereichen der Supply Chain und Logistik Einzug halten. Wir werden künftig nicht mehr so arbeiten wie heute. Das wird zu einem signifikanten Fortschritt in Qualität und Produktivität führen. Wenn es um das Steuern von Lieferketten geht, sind Demand Forecasting, Predictive Maintenance, Transparenz in der Lieferkette, Transport- und Routenoptimierung sowie Risiko- und Störungsmanagement Beispiele für heutige Anwendungsfälle.
Die neue Ausgabe der BVL-Studie „Trends und Strategien“ wird auf der CX vorgestellt. Welche Top-Themen zeichnen sich darin ab?
Die Top-Themen für die Befragten sind Cybersicherheit, Digitalisierung und Kostenreduzierung. An Relevanz gewonnen haben Automatisierung und künstliche Intelligenz. Das zeigt, dass die digitale Transformation aktuell und in den nächsten Jahren das übergreifende Thema sein wird. Gleichzeitig haben Fachkräftemangel und Nachhaltigkeit stark an Bedeutung verloren. Das spiegelt zum einen die aktuelle wirtschaftliche Lage und zum anderen den veränderten gesellschaftlichen und politischen Fokus wider, wobei beide Themen bei veränderten Rahmenparametern sicher schnell wieder an Bedeutung gewinnen werden.
Wenn Sie sich die BVL Supply Chain CX 2035 vorstellen: Welche Veränderungen werden dann im Mittelpunkt stehen?
Ich hoffe, dass dann Themen wie geopolitische Spannungen, Zölle oder auch Fachkräftemangel in den Hintergrund gerückt sind, und wir auch den Übergang zum nachhaltigen Verkehr geschafft haben. Dann können wir uns noch mehr auf spannende Lösungen im Bereich künstliche Intelligenz sowie Automatisierung und Robotik konzentrieren. Themen wie Agentic AI und autonomes Fahren werden 2035 deutlich an Bedeutung gewonnen haben und die Logistik prägen. Zudem hat Quantencomputing das Potenzial, die Entwicklung bei KI weiter zu beschleunigen. Damit werden sich auch die Berufsbilder in der Logistik stark verändern – und zugleich wird die Logistik deutlich an Attraktivität für Topabsolventen aus Ausbildung und Studium gewinnen. (cs)


