John H. Niemann: Der Wegbereiter des Jade-Weser-Ports

Es war 1972, als ihn sein Vater nach Wilhelmshaven rief, wo er die Geschäftsführung der Neptun Schiffahrts-Agentur übernehmen sollte. John H. Niemann hatte zuvor in London vier Jahre lang wertvolle Erfahrungen im maritimen Geschäft gesammelt – zuletzt trug er sogar die Verantwortung für eine ganze Tankerflotte in einem Mineralölkonzern.
Ein spannender Job und eine aufregende Stadt, die für Internationalität stand und das Gefühl, am Puls der Zeit zu sein – umso schwerer wog der Entschluss, nach Deutschland zurückzukehren. Niemann, der einer traditionsreichen Bremer Reederfamilie entstammt, ging nach Wilhelmshaven und blieb. Er übernahm Verantwortung, baute das Geschäft aus – und lernte seine heutige Ehefrau kennen.
Hafenbewusstsein geweckt
Wilhelmshaven war schon immer ein bedeutender Marinestandort. Doch als Handelshafen spielte die Jadestadt lange Zeit kaum eine Rolle. So gab es auch kein echtes Hafenbewusstsein. Um dies zu wecken und die Interessen zu bündeln, wurde 1985 die Wilhelmshavener Hafenwirtschafts-Vereinigung (WHV) gegründet – und Niemann gehörte zu den Initiatoren. Anfangs bestand der Verein aus 24 Mitgliedern, heute sind es um die 160.
Niemann prägte die WHV über vier Jahrzehnte, ab 1991 als Präsident. Unter seiner Führung wurde aus ihr die „Mutter des Jade-Weser-Ports“.
1993 entstand in Niemanns Team die Idee, den Baggersand der Jade nicht mehr weit draußen im Meer zu verklappen, sondern ihn stattdessen zu nutzen, um einen Containerhafen zu bauen, der auch für die größten Schiffe der Welt geeignet ist. Aus heutiger Sicht logisch, seinerzeit hielten viele das Projekt aber für utopisch, überflüssig, manche gar für größenwahnsinnig.
Doch Niemann ließ nicht locker. Mit seinem Team warb er um Investoren, überzeugte Politiker. Geld war knapp, also sammelte man Sponsorenmittel, finanzierte Machbarkeitsstudien aus eigener Kraft.
Erstmals mehr als 1 Million Standardcontainer im Jahr
Manchmal reichte Niemanns Geduld nicht mehr. Später soll er in Berlin einmal einem Staatssekretär sprichwörtlich „aufs Dach gestiegen“ sein. Er sagt: „Ich war Sisyphus-Arbeiter.“
Der Durchbruch kam 2001: Ministerpräsident Sigmar Gabriel verkündete, dass Niedersachsen den Jade-Weser-Port bauen würde. Für Wilhelmshaven, so Niemann, ein Tag von „unfassbarer Dimension“.
Nach der Eröffnung 2012 folgte jedoch die Ernüchterung: Der Umschlag war schwach, Spötter sprachen vom „Geisterhafen“. Immerhin diente er so als beeindruckende Kulisse in einem „Tatort“ – die Folge „Kaltstart“ erreichte 2014 hohe Einschaltquoten.
Niemann blieb gelassen. Sein Credo: „Ein Hafen muss vorgehalten werden. Irgendwann kommt die Nachfrage.“ Und sie kam.
Am 18. September 2025 knackte Deutschlands einziger Container-Tiefwasserhafen erstmals die Marke von 1 Million TEU innerhalb eines Kalenderjahres, wie der Terminalbetreiber Eurogate am Donnerstag mitteilte. Ausgelegt für jährlich 2,7 Millionen TEU wurden im ersten Halbjahr 2025 rund 665.000 TEU umgeschlagen – ein Plus von 122 Prozent zur Vorjahreshälfte. Vor allem durch die Gemini-Allianz von Hapag-Lloyd und Maersk ist Wilhelmshaven nun fester Bestandteil globaler Logistikketten.
Weitsicht auch bei LNG
Und auch wenn er nie den eigenen Ruhm suchte: Sein Name wird für immer mit dem Jade-Weser-Port und der Region verbunden sein. Wilhelmshaven ist keine graue Garnisonsstadt mehr, sondern ein internationaler Hafenstandort – nicht nur für Container, sondern auch für Flüssigerdgas und mit Perspektiven für Wasserstoff.
Niemann gehörte zu den wenigen, die schon früh vor der Abhängigkeit von russischem Gas warnten. So setzte er sich lange vor 2022 für ein LNG-Terminal ein – und bewies schließlich auch hier Weitsicht.
Heute, im wohlverdienten Ruhestand, darf der 78-Jährige stolz auf sein Lebenswerk blicken. John H. Niemann – der Optimist, der nie aufgab. Der Netzwerker, der Menschen zusammenbrachte – ob bei Hafenfesten, Regatten oder im Neptunhaus. Der mit seiner humorvollen Art Freunde und Skeptiker gleichermaßen für sich gewann. Der Kaufmann, der mit hanseatischer Verlässlichkeit Vertrauen schuf. Der Visionär, der Politik und Wirtschaft immer wieder daran erinnerte, wie wichtig Häfen für Deutschland sind. Und nicht zuletzt der Ehemann, zweifache Vater und siebenfache Großvater, der Wilhelmshaven zu seinem Heimathafen machte.