DVF-Talkrunde zieht positives Krisenfazit

Im Zuge der Pandemie wurden die Logistikketten in Deutschland auf eine harte Probe gestellt. Alles in allem sei es aber „gut gelungen“, die Güter- und Warenströme aufrechtzuerhalten, sagt Tamara Zieschang, Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium.

Talkrunde bei der Onlineausgabe der transport logistic (von links): Moderatorin Julia Löhr (FAZ), Lufthansa-Cargo-Chefin Dorothea von Boxberg, BLG-Vorstandsmitglied Andrea Eck und DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta. BMVI-Staatssekretärin Tamara Zieschang wurde zugeschaltet. (Screenshot: DVZ)

Im Großen und Ganzen sei Deutschland aus logistischer Perspektive gut durch die Pandemie gekommen. In dieser Einschätzung waren sich die Teilnehmer einer Talkrunde des Deutschen Verkehrsforums (DVF) am Mittwoch bei der Onlineausgabe der transport logistic einig. Dass die Logistiker ihren Job gut gemacht haben, sieht man laut DVF-Geschäftsführer Florian Eck zum Beispiel daran, dass Schutzausrüstung schnell verfügbar gemacht wurde, Verkehre erfolgreich umgeleitet wurden und die Supermarktregale gefüllt blieben. „Es gab zwar viele Sorgen und Handlungsnotwendigkeiten, aber es hat sich gezeigt, wie gut und schnell die Logistik reagieren kann“, betont zudem DB-Cargo-Chefin Sigrid Nikutta.

Auch Tamara Zieschang meint, dass es „gut gelungen“ sei, die Güter- und Warenströme aufrechtzuerhalten. „Zum einen haben die Firmen haben sehr verantwortungsvoll, schnell und flexibel reagiert“, sagt die Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium. Zum anderen hätten die kritischen Infrastrukturen stets funktioniert. So sei die Pandemie für alle Beteiligten angesichts des großen Mehraufwands und der vielen Unsicherheiten eine Zumutung. „Eine längerfristige, fundamentale Gefährdung der Liefer- und Logistikketten hat es aber zu keinem Zeitpunkt gegeben“, fügt Zieschang hinzu.

Sie warnt zudem davor, die Globalisierung und die arbeitsteilige Weltwirtschaft wegen der aktuellen Lieferschwierigkeiten in verschiedenen Versorgungsketten infrage zu stellen. Gerade Massenprodukte könne Deutschland nie zu wettbewerbsfähigen Preisen herstellen. Anders sehe es jedoch bei hochkomplexen Produkten wie Impfstoffen oder Batteriezellen aus. „Hier liegen die deutschen Stärken.“ Allerdings muss Zieschang zufolge geschaut werden, welche Rohmaterialien für die Herstellung von Hochtechnikprodukten nötig sind, die dann zu marktfähigen Preisen in Deutschland oder auch in Europa produziert werden sollten, um die Versorgung abzusichern.

Bestimmte Technologie-Cluster in Europa anzusiedeln, hält Lufthansa-Cargo-Chefin Dorothea von Boxberg für eine richtige Strategie. Zieschang stellt aber auch klar, dass Deutschland zum Beispiel bei grünem Wasserstoff auch auf Importe angewiesen sein werde. Letztlich werde es immer eine Rohstoffabhängigkeit geben. Aber hier müsse man dann eben „mehrgleisig fahren“ und auf Quellen in verschiedenen Ländern setzen.

Andrea Eck, Mitglied des Vorstands der BLG Logistics Group, ist überzeugt, dass es bei der einen oder anderen Warenart Veränderungen geben wird hin zu mehr Lieferanten. Auch Nikutta erwartet, dass Multiscourcing-Strategien zur Risikominimierung in den Fokus rücken werden. Die Themen Resilienz und vor allem auch der Klimawandel würden neben den Kosten eine verstärkte Rolle bei der Gestaltung von Lieferketten spielen, meint die DB-Cargo-Chefin. Eck, die bei BLG Logistics den Bereich Automobile verantwortet, geht davon aus, dass es künftig zudem eine größere Sicherheitsbevorratung geben wird. „Unternehmen werden zu Pufferlagern übergehen“, sagt sie. Das sei Teil des Risikomanagements und eine Lehre aus der Krise.

Noch immer Krisenmanagement

Mit Blick auf die aktuelle Lage sagt Eck: „Wir sind im Vergleich zum vergangenen Jahr wieder in einen ganz guten Normalzustand zurückgekehrt.“ Angesichts der schwierigen Versorgungslage in der Autoindustrie mit zum Beispiel Halbleitern müsse sich der Logistiker aber weiterhin intensiv mit den Kunden bezüglich der Produktionsprogramme abstimmen. Denn es sei stets wichtig zu wissen, welche Fahrzeuge auf die Seehäfen zuströmten. Denn ein Hafen sei eben kein Parkplatz, sondern ein Umschlagplatz. Eck: „Das ist aber das Krisenmanagement, das wir eigentlich seit vergangenem Jahr permanent aufrechterhalten haben.“

„Das vergangene Jahr hat uns enorm viel Flexibilität abgefordert“, betont Lufthansa-Cargo-Chefin von Boxberg. „Und wir sind immer noch dabei, täglich zu entscheiden, wie auf die aktuelle Lage zu reagieren ist.“ Sorgen bereite derzeit vor allem die Pandemiesituation in Indien, aber auch China sei nach wie vor problematisch, da die Piloten dort wegen der strengen Quarantäneregeln nicht übernachten könnten. Sie geht davon aus, dass im zweiten Halbjahr wieder mehr Passagierverkehr möglich sein wird, „was sich dann auch in den Luftfrachtraten widerspiegeln wird“. Denn wegen der fehlenden Belly-Kapazitäten ist das Luftfrachtangebot derzeit stark eingeschränkt, was zu extrem hohen Preisen im Markt geführt hat.

Auch in der Seefracht sei die Lage bei den Containerkapazitäten weiter angespannt. „Momentan ist alles am Anschlag“, sagte BLG-Managerin Eck. Derzeit würde sich alles auf das starke Wachstum in China konzentrieren. Angesichts der Equipment-Engpässe werde zusätzlich in Container investiert, wobei China einer der Hauptproduzenten sei. Allerdings werde es noch etwas dauern, bis Angebot und Nachfrage wieder im Gleichgewicht sein werden.

Nikutta sprach bei der DB von einer aktuell „positiven Grundstimmung“. 60 Prozent der Güterzüge würden mindestens eine Grenze überqueren, viele auch zwei. An vielen Grenzen seien zwar Coronatests erforderlich. Das laufe aber absolut reibungslos, und zwar bis nach China, versicherte die Managerin. Zudem fahre die DB gerade Impfzentren in allen Bundesländern hoch. Nikutta: „Sobald der Impfstoff da ist, werden unsere Betriebsärzte mit dem Impfen beginnen.“

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