„Daten als Produkt verstehen und monetarisieren“

Im Interview erklärt Andreas Baader, Leiter des Geschäftsbereichs Supply Chain Management bei Genpact Deutschland, wie digitale Transformation und Nachhaltigkeit zusammenhängen.

Die digitale Transformation im Supply Chain Management ist eine der großen aktuellen Herausforderungen für viele Transportunternehmen. (Foto: Genpact)

Die digitale Transformation im Supply Chain Management ist eine der großen aktuellen Herausforderungen für viele Transportunternehmen. Im Interview erklärt Andreas Baader, Leiter des Geschäftsbereichs Supply Chain Management bei Genpact Deutschland, wie digitale Transformation und Nachhaltigkeit zusammenhängen.

DVZ: Herr Baader, der Name Genpact ist in der deutschen Logistikwelt bislang nicht sehr präsent. Welche Ziele haben Sie hier?

Andreas Baader: Genpact hat natürlich ein starkes Wachstumsziel. Genpact ist eines der führenden Unternehmen für Digital Analytics, also der Arbeit mit großen Datenmengen. Supply Chain ist nur eines von vielen Themenfeldern, wo wir Wachstum erwarten. Das übergreifende Thema ist aber die Erkenntnis, dass Daten an sich einen Wert darstellen. Hierzu eine Zahl: 30 Prozent der 30 größten US Blue Chip Firmen werden in der nächsten Reorganisation im Board einen CSCO haben, einen Chief Supply Chain Officer. Das Thema gewinnt massiv an Gewicht. Endlich erkennen alle, dass die Supply Chain eine riesige Datenmaschine ist und dass die Daten per se einen Wert haben.

Worin besteht dieser Wert genau? Mit Daten wird ja schon lange geplant.

Entscheidend ist, dass man seine Daten tatsächlich an die Kunden verkaufen kann. Ein ganz einfaches Beispiel: Ein E-Scooter-Anbieter in München oder Berlin zeichnet mit seinen Rollern Bewegungsdaten auf. Diese verkauft er den Stadtwerken München, wo sie zur Straßenplanung genutzt werden.

Welche Rolle spielt die Nachhaltigkeit dabei?

Nachhaltigkeit ist ein zusätzlicher Hebel, um zu zeigen, wie wichtig Daten sind. Generell ist es ja so, dass die Supply-Chain-Ziele und die Nachhaltigkeitsziele oft zusammenfallen. Weniger Benzinverbrauch, weniger Kosten. Das ist logisch. Es geht nun aber noch einen Schritt weiter.

Was passiert genau?

Durch die Erfassung und Verarbeitung von Daten in der Supply Chain End-to-End, kann nicht nur die Supply Chain optimiert werden. Ich kann die gesammelten Daten als Asset weiterverkaufen. Hier steckt für viele Unternehmen großes Potenzial. Wir glauben, dass viele mittelständische Unternehmen heute zwar über diese Daten verfügen, aber Lichtjahre davon entfernt sind, die Kompetenzen zu haben, um diese Daten zu verwerten. Zu lernen, diese Daten auszuwerten, wird die große Aufgabe der kommenden Jahre sein.

Welche Rückmeldungen bekommen Sie bislang aus dem Markt? Ist der Mittelstand bereit für diese Transformation?

Die Unternehmen befinden sich zumeist mitten in diesem Prozess. Ich habe bereits gesagt, dass in Amerika häufig die Stelle des CSCOs geschaffen wird. Soweit sind wir in Europa noch nicht. Aber wir sehen hier, dass die Entscheidungen, die sehr IT- und datenlastig sind, nicht mehr von der IT-Abteilung getroffen werden, sondern von den Supply-Chain-Experten. Das ist schon ein großer Paradigmenwechsel. Heute ist der größte Engpass die Verfügbarkeit von Fachleuten mit echtem „Big Data“ Know-How. Die Nutzung der cloud-basierten Technologien der letzten 10 Jahre macht hier den Unterschied. Diese Kenntnis ist bei den Mittelstandsunternehmen noch nicht vollständig angekommen. Hier wird noch sehr stark auf die etablierten Marktteilnehmer mit Standardtechnologie gesetzt.

Zurück zu Genpact. Was ist ihr konkretes Angebot an den mittelständischen Transportunternehmer? Was können Sie genau anbieten? 

Die Auslagerung von Geschäftsprozessen gehört in vielen Bereichen zum Alltag. Dennoch hat speziell der Mittelstand noch Nachholbedarf. Digitalisierung, Fachkräftemangel und volatile Märkte setzen die Unternehmen unter Druck. Vor allem die Umsetzung effizienter Geschäftsprozesse in allen Unternehmensbereichen, von Kundenakquise über Auftragsabwicklung und Disposition bis zur Abrechnung bestehen bei richtigem Know-How große Optimierungspotenziale. Hier setzt Genpact an und hilft mit Manpower und Know-How.

Wie sieht die Zusammenarbeit konkret aus?

Häufig unterschätzen COOs oder auch CFOs die Möglichkeiten, die Outsourcing im Supply Chain Management bietet. Normalerweise denken sie nur an Transport, Lagerhaltung, den vereinzelten Einsatz von Leiharbeitern. Dabei lassen sich mit dem richtigen Partner auch Planung, Forecasting und Geschäftsprozesse im Backoffice übergeben.

Meiner Erfahrung nach ist es in so einer Situation oft das Beste, wenn man die Handelnden auf C-Level ganz offen und ehrlich fragt: Seid ihr davon überzeugt, dass das so wie ihr es aktuell macht, effizient ist und gut läuft?

Und welche Antworten erhalten Sie dann?

Die meisten gestehen sich ein, dass die Prozesse überdacht werden müssen. Dann bauen wir mit Genpact ein Data Office für den speziellen Kunden auf. Wir suchen im ersten Schritt die drei, vier wichtigsten Themen, wo die Aufbereitung und Nutzung von Daten aktuell nicht funktioniert. Unsere Datenfachleute analysieren große Kundendatenmengen schnell und schaffen die Voraussetzungen von Verbesserungen in Bedarfsvorhersage, Lieferung und Betrieb sowie Einkauf. Wenn das erfolgreich ist, schauen wir wie es zusammen weitergehen kann. Im Optimalfall bilden wir dann ein Team aus Mitarbeitern der Firma und Mitarbeitern von Genpact. Das ist mit uns also kein klassisches Outsourcing - das ist beim Supply Chain Management auch gar nicht möglich.

Zur Person

Andreas Baader leitet den Geschäftsbereich Supply Chain Management in Europa für Genpact und ist Managing Partner von Barkawi Management Consultants - a genpact company. Vor seinem Eintritt bei Barkawi Management Consultants im Jahr 2000 bekleidete Andreas Baader verschiedene Führungspositionen bei der SAP AG. Zuletzt leitete er dort den Bereich Application Design Sales Support. Andreas Baader ist Diplom-Ingenieur und Doktor der Luft- und Raufahrttechnik.

Hilft Sustainability um diese Transformation in der Supply Chain der Unternehmen zu beschleunigen oder macht es das sogar schwieriger?

Die Verbindung von Sustainability und Supply Chain ist ja nicht ganz neu. Wir haben uns schon immer über jede Mauterhöhung, über jede zusätzliche Gebühr, jede Benzinpreissteuer-Anpassung gefreut. Denn je höher die Kosten in der Supply Chain sind, desto mehr investieren die Verantwortlichen auch in die Optimierung. Wir sehen das Thema Nachhaltigkeit also eher als Beschleuniger für die Transformation der Supply Chain und nicht als Hindernis auf diesem Weg.

Auf welche Themen blicken Sie gerade insbesondere?

Interessant ist der Blick auf die neuen Antriebssysteme. Es gibt mittlerweile die ersten Werksverkehre von Lkws, die auf Brennstoffzellentechnik oder Batterien basieren. Es kommt alles ein bisschen langsamer, als man sich es wünschen würde, aber dennoch passiert es zwangsläufig. Wir hoffen, dass sich diesbezüglich auch in der Schifffahrt bald etwas tut. Da muss der Druck vom Kunden kommen, der einen möglichst umweltfreundlichen Transport einfordert.

Also sind wir Endkonsumenten gefordert, um eine nachhaltigere Lieferkette zu bekommen?

Das ist definitiv sehr wichtig. Ein großer Teil der Endkonsumenten hat Interesse an einer nachhaltigen Lieferkette. Das sind längst noch nicht alle, aber das Thema hat schon heute eine große Sprengkraft. Die großen Konsumartikelhersteller müssen das Thema deshalb sehr aktiv angehen. Circular Economy ist ein wichtiges Stichwort. Wenn ich den Konsumenten glaubhaft zeigen kann, wie hoch die Wiederverwertbarkeitsquote im gesamten Lebenszyklus meines Produkts ist, ist das heute ein sehr starkes Kaufargument.

„Durch die Erfassung und Verarbeitung von Daten in der Supply Chain End-to-End, kann nicht nur die Supply Chain optimiert werden. Ich kann die gesammelten Daten als Asset weiterverkaufen“, sagt Andreas Baader im Gespräch mit der DVZ. (Foto: Genpact)

Der Druck auf die Unternehmen kommt bekanntlich aus zwei Richtungen. Zum einen natürlich von den Konsumenten, auf der anderen Seite ist die Politik ein entscheidender Treiber. Zum 1. Januar 2023 tritt in Deutschland das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz in Kraft. Glauben Sie, dass die Unternehmen darauf bereits ausreichend vorbereitet sind?

Da gibt es sehr große Unterschiede. Es gibt Branchen, die hier schon recht weit sind. Allen voran die Textilbranche, wo Unternehmen nicht dafür verantwortlich gemacht werden wollen, wenn in Südostasien eine ihrer Fabriken aufgrund von Baumängeln einstürzt. Insgesamt sind die Konsumartikelhersteller beim Thema Nachhaltigkeit oft sehr weit vorne. Natürlich ist es erst mal teurer, aber es ist eben nicht nur teurer. Nachhaltigkeit kann schnell eine Kostensenkung bedeuten. Das macht das Thema charmant und öffnet viele Türen.

Die unterschiedlichen Branchen setzen aus den unterschiedlichsten Gründen mittlerweile auf das Thema Nachhaltigkeit. Was sind die Treiber für nachhaltigen Fortschritt in der Logistik?

Die Transportbranche ist ein Dienstleister mit großer Konkurrenz und Kostendruck. Gleichzeitig setzt der Gesetzgeber enge Regeln und der Arbeitsmarkt ist schwierig. Dennoch wird reagiert und investiert. Im hochwertigen Transportbereich werden Flotten ausgetauscht, IT-Systeme zur effizienteren Planung und Zusammenarbeit mit Nachhaltigkeitslösungen vorangetrieben. Dennoch denken wir, dass die großen Impulse von außen kommen. Die Fahrzeugindustrie treibt emissionsfreie Antriebe und die Verlader fordern „grüne“ Lösungen mit Sichtbarkeit für die Konsumenten. Das wird den Unterschied machen.

Welchen Kontakt haben Sie bislang zu Unternehmen aus der Transportbranche, die als Teil der Lieferkette nachhaltige Transporte anbieten müssen, um mittelfristig wirtschaftlich bestehen zu können?

Wir arbeiten bereits mit Spezialisten aus dem Logistiksektor zusammen. Das sind dann nicht die ganz großen Namen wie DHL, sondern Unternehmen, die spezielle Angebote haben, etwa besondere Luftfrachtlösungen. Mit Blick auf die Nachhaltigkeit schauen wir natürlich genau, wo Luftfracht alternativlos ist und wo man auf die nachhaltigere Schiene, den Seetransport oder den Lkw wechseln kann. Zudem unterstützen wir auch die Express-Zusteller. Neben dem großen eCommerce für den Consumer-Markt gibt es mittlerweile auch immer mehr B2B-eCommerce, also mit dem eCommerce vergleichbare Lösungen für Industriekunden. Da spielen nachhaltige Prozesse eine ganz wichtige Rolle. Viele Unternehmen wünschen sich Reverse-Lösungen, also dass ein Dienstleister ein Produkt anliefert und direkt ein anderes wieder mitnimmt. Unternehmen wollen zudem ihre Aufbereitungsquote erhöhen, also möglichst viele Wertstoffe ihrer Produkte recyceln und da ist eine gut aufgestellte Transportstruktur natürlich wichtig. Circular Economy wird immer größer, auch weil die Materialpreise immer weiter steigen. Hier wird in den kommenden zwei, drei Jahren sehr viel passieren. Da bleibt die Welt nicht stehen.

Sie klingen sehr optimistisch, dass die Themen Nachhaltigkeit in der Supply Chain und Circular Economy nun schnell Fahrt aufnehmen. Viele in der Branche sind deutlich pessimistischer, auch aufgrund der aktuellen Weltlage. Woher kommt Ihr Optimismus?

Ich habe seit einigen Jahren viel Kontakt zu Unternehmen aus der Mobiltelefonbranche. Da wurden neue Techniken sehr schnell als Standard-Prozesse etabliert. Darauf hoffe ich auch in der Logistik. Diese ganzen klassischen Transportthemen - ob man den Gigaliner einsetzen sollte, mehr Transporte auf die Binnenschifffahrt verlagern sollte oder auf die Bahn - da ist die Entwicklung überall bekanntermaßen langsamer als gewünscht. Ich gehe aber davon aus, dass der Wechsel hin zu Elektro- und Brennstoffzellen-Lkws - ich denke es wird je nach Anwendung des Fahrzeugs einen Mix geben - schneller kommt, als heute viele erwarten. Wir bei Genpact möchten gemeinsam mit den Transportunternehmen die übergeordneten Themen optimieren, die Steuerung und Überwachung der Logistikprozesse verbessern. Circular Economy, Unterstützung von Kreisläufen und Daten als Produkt bei unseren Partnern etablieren und diese monetarisieren, das sind die entscheidenden Aufgaben. Und wenn man das gut löst, ist das eigene Unternehmen am Ende auch deutlich nachhaltiger aufgestellt.

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