„Wasserstoff wird nicht der einzige Energieträger sein“

Welcher Weg ist sinnvoll, um die CO2-Emissionen der Frachtschiffe nachhaltig zu senken? Im Thesencheck der DVZ nimmt Ralf Sören Marquardt, technischer Geschäftsführer des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), die Möglichkeiten unter die Lupe.

Ralf Sören Marquardt sieht mehrere nach­haltige Antriebs­alternativen, die sich in Schiffen bewähren könnten. (Foto: VSM)

Welcher Weg ist sinnvoll, um die CO2-Emissionen der Frachtschiffe nachhaltig zu senken? Im Thesencheck der DVZ nimmt Ralf Sören Marquardt, technischer Geschäftsführer des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM), die Möglichkeiten unter die Lupe.

These: Aktuell wird das mögliche Reduktionspotenzial in der Schifffahrt nicht ausgeschöpft.

Richtig. Das hohe Reduktionspotenzial anwendungsreifer und verfügbarer Energiespartechnologien wird von der IMO zwar in ihren Veröffentlichungen korrekt dokumentiert. Allerdings fehlen noch verifizierbare Klimaschutzanforderungen, welche die Anwendung der Schiffstechnik verbindlich einfordern.

Sanktionen für Sub-Standardschiffe sind notwendig.

Richtig. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser! Während allerdings die Designanforderungen im Neubau strikt umgesetzt werden, wird es bei den Klimaschutzinstrumenten für den Schiffsbetrieb, wie dem geplanten Carbon Intensity Indicator CII, wohl zunächst beim vertrauensseligen Self-Assessment bleiben.

Mit den heute gültigen Rahmenbedingungen und ohne Retrofits von Diesel- zu Gasmotoren etwa für die Nutzung von LNG ist das IMO-Ziel, bis 2030 die Treibhausgasemissionen bereits um 40 Prozent gegenüber dem Wert von 2008 zu senken, nicht zu schaffen.

Richtig. Diese Reduzierung ist ohne ambitionierte Anforderungen und die Nachrüstung der fahrenden Flotte nicht zu schaffen. Dabei geht es aber nicht nur um LNG und neue Motoren. Nur wenn alle Technologieoptionen und auch regenerative Energiequellen genutzt werden, können wir den Termin halten. Anstatt auf die Sprunginnovation zu warten, muss das Motto für die maritime Energiewende lauten: systematische Evolution mit etwas Rückbesinnung auf die früher emissionsfreie Schifffahrt. Vielleicht erleben wir ja doch noch den Frachtsegler „Peking II“, auch wenn die Renaissance der Windkraft bisher nur wenige Fans hat.

Eine technologieoffene Förderung ist nicht der richtige Weg, um rasche Klimaschutzerfolge zu erzielen.

Falsch. Schnelle Klimaschutzerfolge können nur durch schiffstypgerechte Kombination verschiedener Treibstoff- und Energieeffizienzoptionen erreicht werden. Wer die Nutzung und Förderung wichtiger Brückentechnologien vorzeitig beendet und auf den allein selig machenden Treibstoff setzt, wird scheitern.

Die Infrastruktur ist der Schlüssel für den Erfolg aller alternativen Kraftstoffe.

Richtig. Auch die Bunkertanks der energieeffizientesten Schiffe müssen gefüllt werden. Hierbei müssen wir uns auf absehbare Zeit auf Treibstoffvielfalt einstellen. Dafür sind flexible Bunkerschiffe, die sich ja schon für konventionelle Treibstoffe bewährt haben, geeigneter als fixe landseitige Installationen.

Das Thema Methanschlupf bei der Verwendung von LNG hat die maritime Industrie im Griff.

Teils, teils. Bei der Reduzierung des Methanschlupfs sind so große technische Fortschritte erzielt worden, dass Klimaneutralität trotz hohem Treibhauspotenzial möglich ist. Dieser Erfolg erlaubt es, LNG ohne Kollateralschäden für die Schadstoffsenkung zu nutzen. Aber leider arbeiten Umweltvorschriften und Umweltverbände nicht ganzheitlich. Das müssen wir noch verbessern.

Wasserstoff als wirtschaftlich interessante Antriebsenergie scheitert daran, dass es zu wenig grünen Strom für die klimaschonende Produktion gibt.

Richtig. Die Produktionskapazitäten für grünen Wasserstoff und wasserstoffbasierte klimaneutrale Schiffstreibstoffe müssen erst aufgebaut werden. Und dies gilt auch für internationale Energiepartnerschaften und Importkonzepte per Schiff. Nicht zuletzt fehlt noch der regulatorische Rahmen, um alternative Treibstoffe sicher an Bord bringen zu können.

Klimaschutz und wirtschaftlicher Erfolg sind nicht gleichzeitig möglich.

Falsch. Aber der Weg dahin ist komplex und erfordert hohe Investitionen. Verordneter Klimaschutz ist ohne intensive staatliche Förderung nicht machbar. Die maritime Energiewende, die Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit sicherstellt, kommt ohne eine wirksame CO2-Bepreisung wohl nicht aus.

Die deutsche Industrie übernimmt die Technologieführerschaft bei der Dekarbonisierung der weltweiten Schifffahrt.

Teils, teils. Das ist möglich, aber kein Selbstläufer. Obwohl Deutschland in vielen Technologiefeldern hohe Kompetenz und etwa bei LNG und Brennstoffzellen einen Technologievorsprung besitzt, fehlen noch wichtige politische Weichenstellungen, um diese Potenziale voll auszuschöpfen. Eine hohe Forschungsleistung allein sichert keine Poleposition, wenn nicht in Implementierung, Infrastruktur und den Schutz des geistigen Eigentums investiert wird.

2050 fahren unbemannte Null-emissionsschiffe mit Wasserstoff als Antriebsenergie. Alle anderen Alternativen werden ein Nischendasein fristen.

Falsch. So schnell geht das leider nicht. Es wird 2050 Nullemissionsschiffe und auch autonom operierende Fahrzeuge geben. Aber dies wird zu diesem Zeitpunkt kaum die Mehrheit der Welthandelsflotte sein. Und Wasserstoff wird sicher nicht der einzige Energieträger für Schiffe werden. Der Schiffbau arbeitet schon immer an der Optimierung der Energieeffizienz, lange bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Die Erfahrung lehrt, dass optimale Lösungen selten im Extremen oder Singulären zu finden sind. (ben)

Nur der Mix macht es

Wasserstoffantriebe stuften rund 45 Prozent der Teilnehmer an der Umfrage zum LNG-Barometer 2020/2021 als erfolgversprechendste Alternative zum klassischen Dieselmotor ein, gefolgt von knapp 23 Prozent, die auf LNG setzen. Methanol erreichte in der Befragung gut 8 Prozent, Windkraft kam auf rund 5 Prozent und der Elektroantrieb auf 1 Prozent. Gut 12 Prozent der Befragten sind von konventionellen Antrieben mit Abgasreinigung überzeugt.

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