Energiekrise: LNG-Tanker international gefragt
Der Hamburger Hafenunternehmer Johann Killinger ist nicht überrascht. Dass der russische Energiekonzern Gazprom seine Erdgasexporte nach Deutschland drosselt, war abzusehen, sagt der geschäftsführende Gesellschafter des Hanseatic Energy Hub in Stade.
Seit Mittwoch, 27.07., fließen nur noch 20 Prozent der möglichen Liefermenge durch die Pipeline Nord Stream 1. Doch die deutsche Hafenwirtschaft hat sich vorbereitet: Zum Jahreswechsel 2022/2023 sollen zwei von vier schwimmenden Flüssigerdgasterminals (FSRU), welche die Bundesregierung gechartert hat, an der deutschen Küste eingesetzt werden. In Lubmin wird ein fünftes, privates LNG-Schiff hinzukommen.
Überblick: Diese Häfen werden LNG-Hubs
| Hafen | Wilhelms-haven | Brunsbüttel | Stade | Lubmin | Lubmin |
|---|---|---|---|---|---|
| Bundes-land | Nieder-sachsen | Schleswig-Holstein | Nieder-sachsen | Mecklenburg-Vorpommern | Mecklenburg-Vorpommern |
| Start | Ende 2022 | Jahres-wechsel 2022/2023 | Ende 2023 | Ende 2023 | 1.12.2022 |
| Jährliche Kapazität | 5 Milliarden Kubikmeter Erdgas | zunächst 3,5 Milliarden, dann 5 Milliarden Kubikmeter Erdgas | mind. 5 Milliarden Kubikmeter Erdgas * | mind. 5 Milliarden Kubikmeter Erdgas * | 4,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas |
| Akteur | Bundes-regierung | Bundes-regierung | Bundes-regierung | Bundes-regierung | Deutsche ReGas |
| * Abstimmung mit Akteuren vor Ort, Quelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz | |||||
Rekordbestellungen für Neubauten
Doch die benötigten LNG-Tanker sind teuer. Die steigende Importnachfrage für verflüssigtes Erdgas in Europa sowie in Asien hat den Bedarf nach LNG-Tankern in die Höhe getrieben. In Erwartung lukrativer Geschäfte investieren Reedereien und Händler Milliardensummen in den Ausbau der Flotte. Nach Daten des britischen Schiffsmaklers Clarksons Platou kletterten die Neubaubestellungen für LNG-Tanker allein im bisherigen Jahresverlauf auf eine Rekordanzahl von 104 Einheiten. Investitionsvolumen: zusammen 22 Milliarden Dollar. Das Auftragsbuch wuchs auf 264 Schiffe an, deren Tragfähigkeit 41 Prozent aller heute in Fahrt befindlichen LNG-Tanker entspricht.
Nachfrage nach LNG-Frachtraum steigt
Der durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine stark gestiegene Ersatzbedarf für Pipeline-Gas wird Analysten zufolge in den nächsten Jahren für beschleunigte Zuwächse im ohnehin boomenden LNG-Handel sorgen. Clarksons Platou hat seine Wachstumsprognose für den seewärtigen LNG-Transport bis 2030 von plus 4,7 Prozent auf durchschnittlich plus 5,6 Prozent pro Jahr angehoben. Vor allem die zusätzliche Nachfrage nach Frachtraum aus Europa, das bislang Gas im LNG-Äquivalent von 120 Millionen Tonnen pro Jahr per Pipeline aus Russland einführt, beschert dem Markt weiteren Aufwind. Am besten lässt sich das an den langfristigen Charterraten (zwölf Monate) für große moderne Schiffe mit 160.000 Kubikmeter Fassungsvermögen erkennen: Der Durchschnitt lag im ersten Halbjahr bei über 100.000 Dollar/Tag und damit 56 Prozent über dem Vorjahresniveau. Im Juli wurden sogar 130.000 Dollar/Tag erreicht.
Infrastruktur birgt Sicherheitsrisiken
Den Importeuren geht es um ihre Versorgungssicherheit, was neben dem eigentlichen Flüssiggas auch die nötige Transportkapazität einschließt. Hohe Exportzuwächse sind in den kommenden Jahren in den USA und vor allem in Katar (North Field Expansion) zu erwarten. Kurzfristig gibt es allerdings auch Rückschläge. Ein Brand im texanischen Freeport-Terminal im Juni führte zu hohen Ladungsausfällen und zu einem Einbruch der Spot-Charterraten für LNG-Tanker im Atlantik. Drei Monate dürfte es dauern, bis der Umschlag im Freeport wiederaufgenommen werden kann. 57 Charterreisen fallen laut dem Schiffsmakler SSY in diesem Zeitraum aus. (mph/fho)
