Kühne + Nagel gibt Einblicke in die Impfstofflogistik

Der Schweizer Logistikkonzern verantwortet die Impfstofflogistik für das Covid-19-Vakzin von Moderna. Rob Coyle, Head of Pharma and Healthcare Strategy bei Kühne + Nagel, verrät im Gespräch, welche Parameter für den Zuschlag ausschlaggebend waren, weshalb die schleppende Impfstoffbeschaffung hierzulande kein logistisches Problem ist und wie der Impfstoff konkret vom Hersteller in die Impfzentren gelangt.

Foto: K+N

Die Impfstoffbeschaffung in Europa läuft im Vergleich zu den USA eher schleppend. Während in den Vereinigten Staaten bis Ende März rund 220 Millionen Dosen der beiden Top-Covid-19-Vakzine ausgeliefert sein sollen, wird in Europa weniger als ein Viertel davon erwartet. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein logistisches Problem, wie Rob Coyle, Head of Pharmastrategy bei Kühne + Nagel (K+N),  erklärt: „Momentan ist der Druck auf die Lieferketten enorm – vor allem auf der Herstellerseite. Wir haben ausreichend Kapazitäten, um die geforderten Volumina zu transportieren und auch temporär zu lagern. Die Lieferverzögerungen sind also weniger ein logistisches Problem.“

Durch die Dichte auf der Palette wirke sich die Impfstofflogistik nicht disruptiv auf die Lieferkette aus. Kanada habe beispielsweise 75 Millionen Dosen angefragt, rechnet Coyle vor: „Wir bekommen 115.000 Dosen Impfstoff auf eine Palette, das entspricht demnach 652 Paletten. Allein in der Zeit, seitdem wir miteinander sprechen, haben wir mehr Paletten abgewickelt.“

Vorbereitungen laufen seit März

Im Gegensatz zu den USA war Europa allerdings auch vergleichsweise spät dran, sich mit den Impfstoffherstellern zu einigen. Im Fall des Moderna-Vakzins, für das K+N den Großteil der Impfstofflogistik verantwortet, handelte die EU erst im Dezember und damit fünf Monate nach den Vereinigten Staaten einen Vertrag aus. Dabei stand Coyle und sein Team bereits im Sommer in den Startlöchern. Tatsächlich habe er bereits im März ein Covid-Response-Team zusammengestellt und einen ganzheitlichen Ansatz für die Impfstofflogistik gewählt. Das heißt, nicht nur die Prozesse rund um den Impfstoff selbst, sondern auch alles, was damit zusammenhängt wie die vorgelagerte Logistik zu klinischen Studien, medizinische Schutzausrüstungen und Verpackungen.

Der Ausschreibungsprozess für den Moderna Impfstoff sei ein umkämpfter Wettbewerb gewesen, der sich durchaus von vorhergehenden Ausschreibungen unterschieden hätte. Die Besonderheit: Es musste der Nachweis erbracht werden, Impfstofflogistik bereits erfolgreich ausgeführt zu haben und Erfahrungen sowie die notwendige Infrastruktur für die Besonderheiten des Transports vorweisen zu können. „Denn das ist keine Angelegenheit, die man sich über Nacht aneignet. Wir haben bereits vor Covid-19 Impfstofflogistik betrieben und uns dazu entschieden, in die Pharmalogistik zu investieren sowie diese zu erweitern.“

Dabei sei ihnen der Zukauf von Quick International (heute QuickStat) – einer der führenden Pharmalogistiker im Bereich klinische Studien – zugute gekommen. „Dadurch hatten wir ausreichend verfügbare Kapazität sowie die nötige Kompetenz zur richtigen Zeit.“ Ein wichtiges Bewertungskriterium der Impfstoffhersteller sei zudem der „Global Reach“ gewesen –  also wie viele Menschen mit den vorhandenen Ressourcen prozentual auf der Welt logistisch versorgt werden können. Aktuell verfügt K+N über circa 240 Pharma-Standorte. Diese sollen jedoch zeitnah signifikant weiter ausgebaut werden, so dass eine größtmögliche globale Abdeckung erreicht werde.

Nachfrage wird bleiben

Wie aber kommt der Impfstoff konkret von den Herstellern in die Impfzentren? In Europa und den USA werde der Großteil der Impfstofflogistik bei K+N im Landverkehr transportiert. In Afrika, Asien und Lateinamerika sei hingegen das Luftfrachtteam deutlich stärker involviert. „Nach unseren Daten wird circa 65 Prozent der Impfstofflogistik per Luftfracht transportiert, der Rest über Land.“ Bereits im April vergangenes Jahr habe man sich diesbezüglich mit den Luftfrachtpartnern über bestimmte Transportrouten und Volumina einigen können. Dabei gebe es sowohl Kontrakt- als auch Spotvereinbarungen. „Wir verzeichnen hier auf jeden Fall keine Kapazitätsprobleme.“

Für die Impfstofflogistik auf der letzten Meile in Deutschland hat K+N eine Einigung mit staatlichen Behörden getroffen. „Das kommt uns sehr entgegen“, sagt Coyle. „Wir können den Impfstoff vor Ort in Kühl-Containern lagern, die wir in Messe- oder Konferenzzentren temporär aufgestellt haben.“ Der Transport auf der letzten Meile werde dann mit dem eigenen Fuhrpark oder von externen Dienstleistern ausgeliefert. In anderen Ländern wie in der Schweiz wurden vergleichbare Abmachungen mit staatlichen Behörden getroffen, öffentlich sprechen dürfe Coyle aber nur über die wenigsten davon.

Coyle geht davon aus, dass sich die Nachfrage nach dem Covid-19-Impfstoff verstetigen wird. „Die aktuell zweckgebundene Nachfrage wird sich in den nächsten ein bis zwei Jahren zu einer stetigen kommerziellen Nachfrage entwickeln. Darauf bereiten wir uns entsprechend vor.“

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