Konjunktur: Euphorie weicht der Vorsicht

Verunsichert durch steigende Infektionszahlen sind Firmen und Verbraucher wieder etwas zurückhaltender geworden. Die wirtschaftliche Lage entspannt sich aber vorerst weiter. Wirtschaftsminister Peter Altmaier sieht die Talsohle durchschritten.

Der Export ist das größte Sorgenkind der deutschen Wirtschaft. Hoffnung macht der zuletzt stark gestiegene weltweite Containerumschlag. (Foto: Istock)

Nach dem beispiellosen Wirtschaftseinbruch in der Coronakrise geht es langsam wieder aufwärts in Deutschland. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sieht die Talsohle durchschritten. Der Aufholprozess habe eingesetzt, sagte der CDU-Politiker am Dienstag in Berlin. Doch der Weg zurück zu alter Stärke könnte lang werden.

Die Stimmung bei den Unternehmen und Verbrauchern hat sich in den vergangenen Monaten deutlich aufgehellt. Das lag zunächst vor allem an den zunehmend positiveren Erwartungen. Mittlerweile verbessert sich auch die Lage stetig, wie auch die Ergebnisse der Umfrage des Ifo Instituts unter den Straßengüterverkehrsunternehmen und Spediteuren zeigen. Zugleich nimmt die Zahl der Pessimisten allerdings wieder zu. Auch die Verbraucher sind verunsichert. Reisewarnungen und die steigenden Corona-Infektionszahlen dämpfen die Kauflaune wieder etwas. „Der Erholungskurs legt eine kleine Pause ein“, sagt Rolf Bürkl von der Marktforschungsfirma GfK.

Dennoch mehren sich in der Wirtschaft die Anzeichen für eine Erholung. In der Industrie, bei Dienstleistern und am Bau sind die Aussichten inzwischen deutlich besser, die Auftragsbücher füllen sich wieder. Altmaier sagte, es sei gelungen, die Inlandsnachfrage zu stabilisieren und verwies auch auf die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer.

Regierung hebt Prognose leicht an

Die Folgen der massiven Beschränkungen im Kampf gegen eine Ausbreitung des Virus waren dramatisch: Im zweiten Vierteljahr schrumpfte das BIP in Deutschland gegenüber dem Vorquartal um rund 10 Prozent. Die Bundesregierung rechnet nun für das Gesamtjahr mit einem BIP-Rückgang von 5,8 Prozent. Bisher war sie noch von minus 6,3 Prozent ausgegangen. Zum Vergleich: Im Jahr der Finanzkrise 2009 war die Wirtschaft um 5,7 Prozent eingebrochen. 2010 und 2011 konnte das BIP dann aber wieder um 4,2 und 3,9 Prozent zulegen.

Auch in der Coronakrise ergibt sich laut Prognose ein „V“-Szenario: auf einen steilen Wirtschaftsabsturz folgt ein steiler Aufstieg. Allerdings ist Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) für das kommende Jahr etwas pessimistischer. 2021 wird ein Wachstum von 4,4 Prozent erwartet, statt wie bisher 5,2 Prozent. Der Wirtschaftsminister nannte als Grund Vorzieheffekte in diesem Jahr und zum anderen die schwierige Lage der Weltwirtschaft mit hohen Infektionszahlen etwa in den USA. Das belastet die exportstarke deutsche Wirtschaft.

Der Export ist das größte Sorgenkind der deutschen Wirtschaft. Denn die Weltwirtschaft kommt nicht in Schwung. Laut Prognose bricht der deutsche Export in diesem Jahr um 12,1 Prozent ein. Auch deswegen verlaufe der Erholungsprozess der Wirtschaft langsam und brauche Zeit, heißt es in der Prognose. Nach Einschätzung des Hamburger Forschungsinstituts HWWI dürfte die deutsche Wirtschaft erst zur Jahreswende 2021/22 wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen.

Die deutschen Exporteure zeigten sich im August mit Blick auf die kommenden drei Monate laut Ifo Institut verhalten optimistisch. Hoffnung für den Welthandel macht, dass der globale Containerumschlag zuletzt stark gestiegen ist. Die aktuellste Erhebung bildet den Monat Juli ab. Der Indexwert liegt demnach wieder auf Vorkrisenniveau und nur noch leicht unter dem Vorjahreswert. „Die Belebung erfasst mehr und mehr Regionen, vor allem auch die Nordseehäfen“, sagt Torsten Schmidt, Konjunkturchef des RWI – Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung.

Gabriel Felbermayr, der Präsident vom Kieler Institut für Weltwirtschaft, sagt zur Entwicklung des weltweiten Güterhandels: „Statt eines U-förmigen Verlaufs der Krise deutet sich eine schnellere Erholung in einem V-förmigen Verlauf an.“ In Amerika, Asien und Europa hätten sich die Schiffsbewegungen normalisiert. Die jetzt beobachtete Frachtkapazität liege überall wieder in dem für Ende August auch ohne Krise zu erwartenden Bereich. Asien zeigte laut IfW im Juli den deutlichsten Erholungseffekt.

Der Bundesverband der Deutschen Industrie erklärte, die Erholung habe zwar begonnen, doch werde sie in vielen Branchen mehrere Quartale dauern. Zunächst müsse die Nachfrage aus dem Ausland wieder anziehen. Aus Sicht des Deutschen Industrie- und Handelskammertags ist der Weg aus dem Tief für viele Firmen sehr schwierig. So erschwerten eine verminderte Nachfrage, ausbleibende Investitionen, Störungen in den Lieferketten und Einschränkungen bei Geschäftsreisen die internationalen Geschäfte.

Altmaier: Zweiter Lockdown kann verhindert werden

Die größte Befürchtung in der Wirtschaft ist ein zweiter Lockdown in Deutschland: Dies könnte massive Folgen für Firmen haben, den viele haben Rücklagen aufgebraucht. Altmaier geht nach eigenen Worten davon aus, dass solch ein zweiter Lockdown verhindert werden kann. Steigende Infektionszahlen werde man durch gezielte und regional begrenzte Maßnahmen entgegenwirken. Er sei überzeugt, dass die wieder gestiegenen Neuinfektionszahlen gesenkt werden können.

Altmaier verwies auch auf die Beschlüsse der schwarz-roten Koalition. Diese will wichtige Instrumente wie das erleichterte Kurzarbeitergeld verlängern, um Jobs zu sichern. Im August stieg die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland erneut – allerdings wie im Vormonat in saisonüblicher Höhe. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren 2,955 Mio. Menschen ohne Job, rund 45.000 mehr als im Juli und 636.000 mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote lag bei 6,4 Prozent. Im Juni waren nach vorläufigen Zahlen 5,36 Mio. Menschen in Deutschland in Kurzarbeit, das waren deutlich weniger als im April und Mai. Der Vorstandschef der Bundesagentur, Detlef Scheele, sagte, im Juni seien 2,1 Mio. Jobs durch Kurzarbeit gesichert worden.

Das Wirtschaftsministerium rechnet in seiner Prognose damit, dass die Erwerbstätigkeit in diesem Jahr um 380.000 Beschäftigte zurückgeht. Die Arbeitslosenquote dürfte im Jahresdurchschnitt auf 5,9 Prozent steigen. (cs/dpa)

 

 

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