Wem der Brexit Vorteile bringt

Die irische Spedition EFL hat sich den Austritt Großbritanniens aus der EU zunutze gemacht; alle Kennzahlen zeigen nach oben. Nordirlands Sonderrolle ist dabei entscheidend.

Es gibt nicht viele, aber es gibt sie: Logistikunternehmen, die vom Brexit profitieren. „Unsere Transportvolumina legen zu, unsere Gewinne legen zu, wir weiten unser Geschäft im Land und mit Kontinentaleuropa aus“, sagt beispielsweise Eddie Mullin, Geschäftsführer der irischen Spedition EFL.

Wichtigster Faktor dabei sei die besondere Situation Nordirlands, sagt Mullin, dessen mittelständisches Unternehmen mit einem Umsatz von rund 10 Millionen Euro südlich des Flughafens Dublin seinen Hauptsitz hat. „Der Handel zwischen der Republik Irland und Nordirland hat seit dem Brexit dramatisch zugelegt. Nordirland und Irland rücken immer enger zusammen.“

Handel unter EU-Regeln

Seit dem Ausstieg des Vereinigten Königreichs (UK) aus der EU hat der Norden der Insel einen Sonderstatus, der im Nordirland-Protokoll festgehalten ist. Zwar gehört die Region politisch zum UK, beim Handel gelten aber weiterhin die EU-Regeln für den Binnenmarkt – einschließlich des EU-Zollkodexes.

Durch die Insel zieht sich damit keine Zoll- und Warengrenze. Den Norden der Insel soll das vor einem Wiederaufflammen der religiösen und politischen Unruhen der Vergangenheit bewahren. Einige Kontrollen und Sicherheitschecks werden dagegen beim Handel zwischen Nordirland und dem Rest des Königreichs nötig.

Zugang zu zwei Binnenmärkten

Nordirland hat damit Zugang zu zwei Binnenmärkten. Die Sondersituation biete der Region „Marmelade auf beiden Seiten des Brots“, beschrieb Maros Sefcovic, Vizepräsident der EU-Kommission und Brexit-Unterhändler, kürzlich die Lage.

Trotz aller politischen Diskussionen um das Nordirland-Protokoll und die Drohung der britischen Regierung, Teile davon wieder außer Kraft zu setzen, würden die meisten Unternehmen dennoch vor allem die Vorteile sehen, bestätigt Mullin: „Sie profitieren von der aktuellen Situation.“ Es gibt aber auch gegenteilige Einschätzungen, vor allem unter Anbietern von Agrarprodukten, die den britischen Markt bedienen. Doch laut einer Umfrage der Queen’s University Belfast von Ende Oktober stimmen 52 Prozent der Nordiren zu, dass die Handelsregeln eine gute Sache seien. Im Juni waren es noch 43 Prozent.

52

Prozent der Nordiren halten die Handelsregeln für „gut“.

Quelle: Umfrage der Queens University Belfast

7 bis 10

Prozent haben Ein- und Ausfuhren bei EFL dieses Jahr zugenommen.

Quelle: Eddie Mullin

Die neuen Regeln haben die Warenströme aber auf jeden Fall grundlegend verändert. In den ersten neun Monaten haben Ausfuhren aus Nordirland in den Süden um 60 Prozent auf 2,8 Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahreszeitraum zugelegt. Auch in die andere Richtung fiel das Plus mit 49 Prozent auf 2,6 Milliarden Euro erheblich aus, belegen Zahlen der irischen Statistikamtes. Daten für den Handel innerhalb des UK liegen nicht vor.

Bei EFL haben Ein- und Ausfuhren in den Norden seit dem Jahresanfang um 7 bis 10 Prozent zugenommen, schätzt Mullin. Er ist zuversichtlich, dass dieser Wert weiter steigt. Das Unternehmen bietet neben Straßentransporten sowie Luft- und Seefracht auch Zollabwicklung an. Immer wichtiger wird Irland auch als Umschlaghub für Lieferungen in die EU. Traditionell wurde der Verkehr über die britische Insel abgewickelt, die sogenannte Landbrücke. Inzwischen laufen Im- und Exporte zwischen der EU und Nordirland immer öfter über die Republik Irland. Auf dieser Route fällt kein administrativer Aufwand an, kein Papierkram, keine Checks, so Mullin.

Unbegleitete Container statt Lkw

Während zuvor fast ausschließlich Lkw für diese Verkehre eingesetzt worden seien, würden inzwischen mehr unbegleitete Container auf dem Seeweg transportiert – hauptsächlich von und nach Rotterdam, Antwerpen, Zeebrugge und Le Havre. „Wir sehen eine riesige Wanderbewegung vom Trucking zu Seetransporten“, sagt Mullin. Die Fährverbindungen zwischen dem Kontinent und Irland werden kontinuierlich weiter ausgebaut. Der Verkehr über die Landbrücke sei Anfang des Jahres wegen des hohen administrativen Aufwands komplett eingebrochen.

Im dritten Quartal sei ein Drittel des RoRo-Verkehrs direkt aus EU-Häfen ins Land gekommen. Vor dem Brexit waren es nur 16 Prozent. Entsprechend liegen die direkten Verkehre zwischen der irischen Insel und Häfen in der EU schon nach drei Quartalen um 52 Prozent über dem Vorkrisenjahr 2019, wie Daten des Irish Maritime Development Office zeigen. Mit 13 direkten RoRo-Strecken haben sich Relationen in die EU mehr als verdoppelt. Dafür sind Verbindungen nach Großbritannien um ein Viertel zurückgegangen.

Mullin ist überzeugt, dass die Bedeutung des Außenhandels mit EU-Staaten auch als Folge des Brexits in den kommenden Jahren weiter deutlich steigen wird. Um die Nachfrage besser bedienen zu können, ist er selbst auf der Suche nach Kooperationspartnern, die EFL unter anderem im deutschen Markt repräsentieren und unterstützen können. (tb)

Nordirland und Irland rücken immer näher zusammen.

Eddie Mullin, Geschäftsführer bei EFL
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