Nexttruck: Beta-Check bei Bönders

Jedes Start-up muss seine Ideen und Produkte immer wieder auf den Prüfstand stellen. So hat der Kölner Lastzug-Optimierer Nexttruck sein Konzept von den Fahrzeugprofis des Logistikdienstleisters Bönders durchleuchten lassen.

Vier mit dem Ziel, die Lastzugeffizienz zu erhöhen (von links): Rainer Buffo und Ingo Martin, beide Geschäftsführer von Aeco.green, Bönders-Chef Tim Bönders und sein Fuhrparkleiter Gregor Hetmaniok. (Foto: Bennühr)

Innovationen in der Logistik entstehen nicht aus einem Selbstzweck heraus, sondern um praktische Probleme zu lösen. Zu Beginn steht dabei eine Idee oder Theorie. Deren Wert kann aber nur dann richtig eingeschätzt werden kann, wenn sie zusammen mit künftigen Anwendern durchleuchtet wird.

Eine dieser Ideen haben Ingenieure Rainer Buffo und Ingo Martin entwickelt: Sie wollen mithilfe eines digitalen Zwillings CO₂-optimale Lastzugkonfigurationen für exakt definierte Einsätze entwerfen – und zwar bevor Zugmaschine und Auflieger geordert werden. Als ersten echten Sparringspartner für ihr Nexttruck-Konzept haben sie das Logistikunternehmen Bönders aus Krefeld gewinnen können. Deren geschäftsführender Gesellschafter Tim Bönders und sein Fuhrparkleiter Gregor Hetmaniok haben sich mit den beiden promovierten Ingenieuren des Kölner Start-ups zusammengesetzt.

Buffo und Martin haben Anfang 2024 das Start-up Aeco.green in Köln gegründet. Zuvor haben die beiden Absolventen der RWTH Aachen bereits eng bei dem Aerodynamik-Start-up Betterflow zusammengearbeitet. In ihrem neuen Unternehmen bleiben sie ihrem Thema, der aerodynamischen Optimierung von Lastzügen, treu: Sie beraten auf der einen Seite Lkw-Hersteller, wenn es um die strömungsgünstige Gestaltung neuer Fahrzeugtypen geht.

Optimieren per Digitalzwilling

Mit ihrem zweiten Angebot, das unter dem Namen Nexttruck läuft, verfolgen sie einen anderen Ansatz. Hier geht es darum, mithilfe von digitalen Zwillingen Transportunternehmen bei der Verbrauchsoptimierung geplanter Fahrzeugbeschaffungen zu unterstützen. Bei diesem ganzheitlichen Ansatz werden die Fahrzeuge nicht nur aerodynamisch betrachtet, auch Faktoren wie Motorgröße, Übersetzung, Reifen und Einsatzgebiet spielen eine große Rolle. Zielgruppe dabei sind in erster Linie Mittelständler mit Fuhrparks in der Größenordnung zwischen 10 und 100 Lkw.

Der Clou des Konzepts: Über die Software lassen sich Fahrzeuge verschiedener Lkw-Hersteller in Kombination mit Aufliegern mehrerer OEMs bereits vergleichen, bevor eine Kaufentscheidung getroffen wird. Grundlage der Empfehlung ist eine detaillierte Datenbank, in der gut 7 Millionen mögliche Lastzugkonfigurationen gespeichert sind. Aus diesem Informationspool werden die für den jeweiligen Fall relevanten Datenkombinationen gezogen und anschließend verglichen. Der Vergleich orientiert sich dabei an den konkreten Vorgaben hinsichtlich der Marken, doch lassen sich auch bisher noch nicht im Fuhrpark vertretene Lkw- oder Auflieger-Marken simulieren.

Einer, der neugierig auf das Konzept war, ist Tim Bönders. Der 39-Jährige hat vor drei Jahren die Geschäftsführung des Familienbetriebs übernommen und sucht – wie andere Transport- und Logistikunternehmen auch – nach Möglichkeiten, die Prozesse im Unternehmen effizienter zu machen. Ein wichtiger Ansatzpunkt dabei ist der Fuhrpark: Die Bönders GmbH unterhält eine Fahrzeugflotte von 50 ziehenden Einheiten und Motorwagen – in der Mehrzahl von MAN und Mercedes-Benz, ergänzt um zwei Daf XG+ – sowie 36 Aufliegern, die größtenteils von Schmitz Cargobull kommen. Und natürlich kennen Bönders und sein langjähriger Fuhrparkchef Hetmaniok die Kernparameter ihrer Fahrzeugflotte: Deren Kenndaten werden seit 2008 in einem spezifischen Katalog gesammelt.

Vor diesem Hintergrund war sein Interesse nach dem ersten Kennenlern-Telefonat mit Rainer Buffo geweckt. Denn tatsächlich zeigt sich in der Praxis, dass selbst scheinbar identisch konfigurierte Lastzüge je nach Einsatz unterschiedliche Verbräuche einfahren. Die Frage, an welchen Parametern idealerweise gedreht werden muss, um den technisch bestmöglichen Verbrauch aus den Fahrzeugen herauszukitzeln, lässt sich übrigens mit „Bordmittel“ nicht ganz einfach beantworten. Laut Ingo Martin gibt es rund 7 Millionen Ausstattungsmöglichkeiten, die sich zum Teil sehr stark auf den jeweiligen Verbrauch auswirken.

Eine Frage der Datenqualität

Das hinterfragt Bönders direkt: Er will wissen, wo die Daten herkommen und wie gut die Qualität der Datenbasis ist. Laut Martin kommt ein Teil der Angaben von den OEMs, ein anderer beruht auf einer Erhebung von Aeco.green. Doch es geht letztlich um die Glaubwürdigkeit, und aus diesem Grund durchläuft das Modell von Nexttruck gerade einen Validierungsprozess für die aerodynamische Simulation, der in diesem Frühjahr abgeschlossen werden soll.

An dieser Stelle hakt Bönders ein. Er will wissen, ob sich die Vorgaben bestimmter Auftraggeber in dem Modell berücksichtigen lassen – und ob eine Korrekturschleife möglich ist, wenn sich bestimmte Vorschläge, die von dem Simulationsmodell entworfen werden, nicht umsetzen lassen. Das bejaht Buffo und erklärt, dass die Simulation, die bisher noch ein paar Stunden in Anspruch nimmt, künftig innerhalb einiger Minuten erledigt sein soll.

Was die Anwendung des Nexttruck-Modells anbelangt, denkt Firmenchef Bönders über die reine Fahrzeugbeschaffung hinaus. Er würde die Software auch für Ausschreibungen nutzen, um ein präziseres, kostenoptimiertes Angebot abgeben und bei Bedarf auch den CO₂-Ausstoß berechnen zu können. Zwar gebe es aktuell noch keine explizite CO₂-Challenge in den Tendern, doch fordern alle Kunden bereits Nachhaltigkeitsnachweise. Hier könnte die Simulation aus seiner Sicht einen wertvollen Beitrag leisten.

Die Preisstruktur

Bleibt noch die Frage, was die Nutzung von Nexttruck kostet. Für die Fahrzeuganalyse und die anschließende CO₂-Optimierung eines Lastzugs berechnen die Macher 950 Euro. Das schließt auch die Zusammenstellung der optimal konfigurierten Fahrzeuge der OEMs ein. Anschließend werden über eine Matrix die effizientesten Reifen und Trailer-Aerodynamik-Pakete herausgesucht. Soll das Ganze noch mit einem Sattelzug aus dem aktuellen Fahrzeugbestand verglichen werden, werden noch einmal 350 Euro fällig.

Um den Return on Invest zu berechnen, müssen dann die realisierten Spriteinsparungen gegengerechnet werden. In einem Pilotprojekt bei dem Mineralwasserhersteller Gerolsteiner konnte der Verbrauch eines Gliederzugs über die Nexttruck-Simulation um 0,8 Liter pro 100 Kilometer gesenkt werden. Doch das Potenzial bei einem Sattelzug dürfte höchstwahrscheinlich noch darüber liegen. Bei Bönders ist man auf das Ergebnis gespannt.

Die Bönders Spedition

Die 1954 in Krefeld gegründete Bönders GmbH bietet seit mittlerweile 70 Jahren integrierte Logistiklösungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette an – lokal, national und auch international unter dem Dach der B+K Group. Mit Tim Bönders (39) lenkt die dritte Generation seit drei Jahren die Geschicke der Firma. Die Spedition ist ein klassischer Mittelständler, dessen 450 Köpfe zählende Belegschaft im Schnitt seit 17 Jahren mit an Bord ist. Der Fuhrpark umfasst derzeit 50 ziehende Einheiten und Motorwagen sowie 36 Auflieger, die für feste Aufträge eingesetzt werden.

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