Thomas Schult verfolgt Fahrersünden

Beim Verkehrsdienst der Mannheimer Polizei kontrolliert der Polizeihauptkommissar mit Kollegen und Kolleginnen mehrmals jährlich auf Autobahnen in der Region „fahrerfremde Tätigkeiten“ im Lkw-Verkehr – und sie werden immer fündig.

Thomas Schult hat Lkw-Fahrer während der Fahrt schon Kaffee kochen, Zeitung lesen und beidhändig trommeln sehen. (Foto: Andreas Henn)

Dass nicht jeder Lkw-Fahrer am Steuer immer das tut, was er gerade tun soll, davon kann Thomas Schult ein Lied singen. Der Verkehrspolizist zählt dokumentierte Verstöße auf: Während der Fahrt Kaffee kochen, Zeitung lesen, beidhändig trommeln, einmal habe sich einer gar die Fußnägel geschnitten. „Das kann man sich nicht vorstellen“, sagt der 50-Jährige.

Schult ist beim Verkehrsdienst der Mannheimer Polizei und dort stellvertretender Leiter der Verkehrsgruppe C. Der gelernte Energieanlagenelektroniker von der Insel Rügen ist zusammen mit seinen Kollegen „fahrerfremden Tätigkeiten“ im Lkw-Verkehr auf der Spur. Sie beobachten aber auch Reisebusse sowie Abfall- und Gefahrguttransporte. Mehrmals jährlich kontrollieren sie mit Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen anderer Abteilungen und Behörden auf Autobahnen in der Region – und werden immer fündig. Die Beanstandungsquote liege zwischen 60 und 70 Prozent, sagt der Polizeihauptkommissar, der nach Jahren bei der Bundeswehr lange bei der Hamburger Wasserschutzpolizei arbeitete und dort ein Verwaltungsstudium absolvierte, bevor er mit seiner Frau in den Südwesten zog. Dort leitet er die Kontrollstellen zusammen mit seinem Vorgesetzten Patrick Geschwill. „Es geht querbeet.“

Die Spanne reicht vom defekten Blinkerglas über Alkohol- und Drogenkonsum, Verstöße gegen Sozialvorschriften sowie Geschwindigkeits- und Abstandsregelungen bis zur mangelhaften Ladungssicherung, aber auch Manipulationen am Kontrollgerät oder etwa der Adblue-Messeinrichtung am Lkw.

„Ganzheitliche Kontrolle“

Ausgewählt werden die Lkw auf der Autobahn von Motorradpolizisten. Steht das fragliche Fahrzeug erst einmal auf der Rastanlage, bemühen sich die Beamten um eine „ganzheitliche Kontrolle“, das heißt: Neben Ladungssicherung und Ausrüstung ist auch die Fahrerkarte dran – um zu sehen, ob Lenk- und Ruhezeiten eingehalten wurden. Ein Problem sei, dass die meisten Fahrzeugführer nicht wüssten, dass sie ihre Arbeitszeit außerhalb der Lenkzeit mit berücksichtigen müssten, sagt Schult. Gemeint sind das Be- und Entladen, die Sicherung der Ladung und das Aktualisieren von Dokumenten – „alles Arbeitszeit“. Die müsse von der Lenkzeit abgezogen werden. „Das machen viele Fahrer nicht.“ So komme es manchmal zu sehr groben Verstößen gegen das Arbeitszeitgesetz.

Zum Transport von Abfall und Gefahrgut gibt es jeweils eigene Verordnungen, die beachtet werden müssen. Werden Gefahrgut und gefährliche Abfälle gar zusammen befördert, wird es doppelt knifflig. „Es ist schon sehr speziell“, sagt Schult, einer von zwei Abfallbeauftragten der Polizei im Land. Ein Verstoß bei Gefahrguttransporten liegt beispielsweise vor, wenn wesentliche Angaben in den Beförderungspapieren fehlen.

 

Ich hatte schon pakistanische Fahrzeugführer mit saudi-arabischen Führerscheinen angestellt bei einer litauschen Firma. Thomas Schult

Bei Abfalltransporten bemängeln die Beamten schon mal Falsch- oder Fehleinstufungen. Das Gefährlichste sei, auf einen Lkw zu stoßen, der gefährliche Abfälle geladen habe und außen keinen Hinweis trage, sagt Schult. Wenn beim Öffnen der Plane Anhaftungen und Geruch bemerkt werden, müsse überlegt werden, ob es sich um giftige Stoffe handelt, und sicherheitshalber die Feuerwehr gerufen werden, um alles räumen zu lassen. Auch austretendes Gefahrgut hat die Beamten schon beschäftigt.

Die meisten Fahrer zeigen sich einsichtig

Harmloser ist da der Fall des Fahrers, der bei leichtem Nieselregen drei Mulden mit als Abfall deklarierten Gusseisenspänen transportiert und diese entgegen der Vorgabe nicht abgedeckt hat. Die Späne könnten – je nach Zusammensetzung – beim Kontakt mit Wasser Wärme entwickeln, zudem werde die nicht geschützte Fracht durch den Regen schwerer, gibt Schult zu bedenken. Der Fahrer erhielt eine Ladungssicherungsanzeige, aber auch „mildernde Umstände“, weil er sofort mithalf, die Gefahr zu beseitigen, und die Mulden bedeckte. „Uns ist eigentlich mehr daran gelegen, den Fahrer zu überzeugen, dass er die Leichtsinnigkeit in Zukunft unterlässt“, so der Beamte. Diese Einsicht zu erzielen, sei „wesentlich fruchtbarer, als jemanden Geld bezahlen zu lassen“. Und die meisten Fahrer zeigten sich einsichtig. Sie hätten Zeit sparen wollen, sagten sie oft.

Bei den Ermittlungen werde versucht, nach Möglichkeit auch die Verantwortung zu klären, damit nicht alles am Fahrer hängenbleibe, der ja für die Planung nichts könne. Schult weiß: „Der Wettbewerb ist gnadenlos.“

Die Fahrer kommen aus immer entfernteren Ländern wie Georgien oder Usbekistan. „Ich hatte schon zwei pakistanische Fahrzeugführer mit saudi-arabischen Führerscheinen, amtlich übersetzt, angestellt bei einer litauischen Firma.“ Während Schult hier mit Englisch weiterkam, müssen die Beamten in anderen Fällen mit der Sprachfunktion von Google-Übersetzer arbeiten. Das wirkt. „Wenn man selbst mal ein Wort dieser fremden Sprache spricht, bricht das wirklich schon das Eis“, so Schult, der an seinem Job den Kontakt mit völlig unterschiedlichen Menschen schätzt. „Es wird eigentlich nie langweilig.“ (jpn)

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