Reisen im Car Carrier

Mit Büchern wie „Sowjetistan“ oder „Hoch oben – Ein Reise durch den Himalaya“ hat Fatland bewiesen, dass sie nicht zimperlich ist. Diesmal geht sie im spanischen Hafen Santander an Bord der „Höegh Jeddah“, die sie 3.358 Seemeilen (6.220 Kilometer) bis nach Port Elizabeth bringen wird. Zwischen der Biskaya und westlich des Kaps der Guten Hoffnung sitzt sie auf dem 6.500-CEU-Schiff im „Schreibgefängnis“. Anfangs hält die Seekrankheit Fatland in Schach, später beobachtet sie, „wie der Ball über das glühend heiße Metalldeck hin und her springt“, wenn die Crew jeden Abend Basketball spielt. Oft gibt es etwas zu feiern, die Karaokeanlage ist im Dauereinsatz. Genauso läuft es an Bord des 6.500-CEU-Schiffes „Höegh Trooper“, mit dem die Autorin die Reise in Durban bis nach Japan fortsetzt.
Noch mehr Abenteuer erlebt die Sozialanthropologin an Land, immer mit einer einheimischen Person an der Seite. In Guinea-Bissau gelangt sie im Holzboot, aus dem regelmäßig Wasser abgeschöpft werden muss, zwischen lokalen Reisenden auf Zwiebelsäcken zum Bissagos-Archipel. In Angola kommt sie mit Menschen indigener Völker wie den San oder Ovahimba ins Gespräch. In Mosambiks zweitgrößter Stadt Beira besucht sie die Ruine eines Art-Déco-Luxushotels, in dem circa 5.000 Arme ohne Strom, Wasser und Toiletten leben: „Über dem kompletten Gebäude hing ein beißender Geruch nach verdorbenem Müll, Urin und Schweiß.“ Bei allen Begegnungen fragt Fatland nach Erinnerungen an die Zeit unter den Portugiesen, die nicht nur architektonisch noch präsent sind. Denn die Länder entlang der afrikanischen Küste, an der portugiesische Seefahrer ab dem 15. Jahrhundert Steinkreuze („Padrões“) aufstellten, wurden erst 1975 unabhängig. Ihren Reisebericht verwebt sie mit verblüffenden Details der portugiesischen Seefahrergeschichte und lässt historische Figuren wie Vasco da Gama lebendig werden. Dafür hat sie 2 Jahre lang in 29 Ländern recherchiert.
Während die Portugiesen für die erste Weltumsegelung Anfang des 16. Jahrhunderts noch 3 Jahre benötigten, brauchen moderne Frachtschiffe 3 Monate. So lange bleibt Fatland zwar nicht an Bord, erlebt aber an Heiligabend auf dem Stillen Ozean skurrile Weihnachtsspiele, die auf Deck „fürchterlich lustig“ sind. Auch wenn ein Car Carrier „in keiner Weise luxuriös“, das Essen „fast immer kalt“, und die Tage „eintönig“ sind: Kaum hat die Autorin die Seefahrer-Blase in Japan verlassen, vermisst sie schon „die übersichtliche, kleine Welt, die das Schiff ausgemacht hat“. (rok)