Der vergessene Aspekt des HHLA-Deals

Der geplante Deal zwischen der Stadt Hamburg und MSC wird als großer Gewinn für den Hafen verkauft. Aber ist dem so? Und geht es womöglich eher um Metrans als die HHLA? Die DVZ hat sich umgehört.

Ein Terminal der HHLA-Bahntochter Metrans in Budapest. Anders als das Terminalgeschäft verzeichnet der Transport auf der Schiene starkes Wachstum. (Foto: Hasenpusch)

Rolf Habben Jansen ist ein Meister der beiläufigen Offensive. So weist der Vorstandsvorsitzende von Hapag-Lloyd gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“ eher am Rande und nur mit ein paar knappen Bemerkungen darauf hin, dass im Fall eines Einstiegs von MSC bei der HHLA nicht nur Hapag-Lloyd selbst Ladung abziehen könnte, sondern zusätzlich auch die Allianzpartner Ocean Network Express (ONE), HMM und Yang Ming.

Dies ist derzeit das am breitesten und öffentlichkeitswirksamsten diskutierte Risiko des Mitte vergangener Woche bekanntgegebenen Deals. Es gibt aber noch ein weiteres. Denn das Vorhaben könnte sich auch negativ auf die Stellung Hamburgs als stärkster Eisenbahnhafen Europas auswirken. Doch dazu später mehr.

Säbelrasseln am Ballindamm

Bislang hatte Hapag-Lloyd im Fall eines MSC-Einstiegs bei der HHLA nur einen möglichen Teilabzug der von dem deutschen Carrier selbst nach Hamburg transportierten Container in Aussicht gestellt. Doch nun sagt der CEO: „Wir schaffen pro Jahr 2,1 Millionen Container hierher. Im ersten Halbjahr hatten wir ein Allzeithoch von 26 Prozent an der Gesamtladung im Hamburger Hafen – dazu kommt noch die Ladung unserer Partner. Ob das so bleibt? Wir werden sehen.“

Die vielsagende Äußerung Habben Jansens ist nicht nur eine eher schlecht als recht kaschierte Kampfansage an die politischen Entscheidungsträger. Es ist auch die neueste Volte einer an Macht- und Gedankenspielen reichen Übernahmeschlacht um die HHLA.

2,1

Millionen TEU schlägt die Containerreederei Hapag-Lloyd im Hafen Hamburg um.

Quelle: Unternehmensangaben

Eine der zentralen Fragen lautet dabei: Was will MSC eigentlich mit der HHLA? Denn auf den ersten Blick scheint sich die Reederei mehr Nachteile als Vorteile einzuhandeln. So hätte MSC mit der angestrebten Minderheitsbeteiligung nicht das Sagen bei der HHLA, hätte auch keinen dedicated Terminal, müsste 700 Jobs in Hamburg schaffen und eine vertraglich zugesicherte Anzahl zusätzlicher Container nach Hamburg transportieren.

In der Berichterstattung war hierbei von 1 Million TEU zusätzlich die Rede. MSC selbst spricht aber nur davon, sein Volumen in Hamburg von 2025 an „substanziell steigern“ zu wollen. Ab 2031 sollen es dann mindestens 1 Million TEU pro Jahr sein, die MSC über die Kaikanten an der Elbe hievt. Unter dem Strich würde dies wohl einem Zuwachs in einer Größenordnung von 400.000 TEU gegenüber dem Status quo entsprechen.

Offizielle Zahlen, welcher Carrier wie viele Container über Hamburg abwickelt, gibt es zwar nicht. Doch aus gut informierten Hafenkreisen ist zu vernehmen, dass MSC pro Jahr rund 600.000 TEU bei Eurogate abfertigen lässt. Dieses Aufkommen würde im Zuge der HHLA-Beteiligung dann wohl von der einen Seite des Waltershofer Hafens auf die andere wechseln. Damit wäre es schlussendlich ein Nullsummenspiel oder schlimmstenfalls – sollten die verschnupften Allianz-Reeder Ernst machen und Mengen in andere Häfen wie Bremerhaven oder Wilhelmshaven verlagern – womöglich sogar ein Minusgeschäft für den Hafen.

Von der DVZ befragte Marktteilnehmer sind ohnehin der Ansicht, dass das Umschlaggeschäft nicht das primäre Ziel von MSC ist. Sie glauben, dass es der Reederei vor allem um den Hinterlandoperateur Metrans geht. Deren Entwicklung war – anders als die des Containerumschlags – in den vergangenen Jahren ein großer Erfolg. Denn während die HHLA beim seeseitigen Boxenaufkommen in den vergangenen knapp zehn Jahren von 2013 bis 2022 gut 1 Million auf zuletzt 6,4 Millionen TEU verloren hat, wuchs der Containertransport ins Hinterland um annähernd 50 Prozent auf 1,7 Millionen TEU. Davon entfielen 1,4 Millionen TEU auf die Schiene, wobei die HHLA ein Potenzial von 2 Millionen TEU bis 2030 sieht.

Für MSC wäre dies ein hochgradig attraktives Geschäft, schließlich baut der Carrier seine Hinterlandaktivitäten derzeit massiv aus. So ist die Hinterlandtochter Medway – Transportes e Logistica nicht nur auf der kompletten Iberischen Halbinsel aktiv, sondern auch mit einer Tochter in Italien vertreten. Dort werden Transporte von Seecontainern per Schiene zwischen den wichtigsten italienischen Häfen und Inlandterminals abgewickelt. Im vergangenen Jahr hat Medway zudem eine Niederlassung in Belgien gegründet, die dort sowie in den Niederlanden, Deutschland und Österreich tätig ist. Und im Sommer wurde bekannt, dass sich die MSC-Tochter Medlog an TX Logistik beteiligen will.

50

Prozent Wachstum verzeichnet der Containertransport ins Hinterland des Hamburger Hafens zwischen 2013 und 2022.

Quelle: Unternehmensangaben / eigene Recherche

Kommt es zum Deal, ist eine Zusammenarbeit mit Metrans naheliegend. Die HHLA-Tochter gilt als Marktführer im Hinterlandverkehr per Bahn nach Osteuropa und würde das Angebot der MSC-Töchter in West- und Südeuropa ergänzen.

Doch wie würde sich die MSC-Beteiligung an der HHLA auf das Hinterlandgeschäft des Hamburger Hafens auswirken? Grundsätzlich positiv sieht es Thomas Rössler, geschäftsführender Gesellschafter des Beratungsunternehmens Hanseatic Transport Consultancy. „Mehr Container würden die wirtschaftliche Produktion bei der Erstellung neuer Bahnangebote erleichtern und Hamburg als Standort attraktiver machen“, sagt er.

Andere Marktteilnehmer – Spediteure, Wettbewerbsreeder wie auch Binnenhafenanbieter – sind da deutlich pessimistischer. Sie warnen, dass MSC mittels Metrans Einblick in sensible Daten erhalten könnte, beispielsweise bezogen auf den Transport, den Endkunden oder die Anlieferstelle. Gerade im so wichtigen Zielmarkt Tschechien sei Metrans zudem so stark, dass man im Grunde überhaupt nicht an dem Unternehmen vorbeikomme, so ein Reederei-Repräsentant gegenüber der DVZ.

Erstaunlich niedriger Kaufpreis

Doch MSC würde auch aus einem weitaus banaleren Grund einen guten Deal machen: MSC bietet HHLA-Aktionären schlicht deutlich weniger als bei Transaktionen von Hafen- und Terminalbetrieben marktüblich. So beruht das Angebot der Schweizer Containerreederei an die Aktionäre der HHLA laut Experten eines US-amerikanischen Finanzdienstleisters auf einem äußerst geringen sogenannten EBIT/EV-Multiplikator. Das EBIT-Multiple-Verfahren dient oftmals dazu, den Kaufpreis von Unternehmen zu bewerten. Dabei wird der Unternehmenswert (Enterprise Value/EV) geteilt durch den erwarteten Gewinn vor Zinsen und Steuern (EBIT) des übernächsten Jahres. Das MSC-Angebot kalkuliert mit einem Unternehmenswert der HHLA von 2,6 Milliarden Euro inklusive Schulden, so die Analysten. Bei einem von den Experten erwarteten EBIT im Jahr 2025 in Höhe von 184 Millionen Euro ergäbe sich ein Multiplikator von 14.

Bei einer Analyse von mehr als 200 Transaktionen bei Hafen- und Terminalbetrieben haben die amerikanischen Fachleute einen durchschnittlichen Multiplikator von knapp 40 errechnet. Da der Durchschnittswert von einigen sehr wenigen und sehr teuren Deals mit Multiplikatoren von 50 verzerrt wird, ziehen die Experten den repräsentativeren Medianwert heran. Dieser liege bei 22 und damit mehr als 57 Prozent höher als der entsprechende Wert des geplanten MSC-Angebots.

Rolf Habben Jansen glaubt derweil nicht, dass der Einstieg von MSC verhindert werden kann. „Der Deal mit MSC ist aus meiner Sicht durch. Es wäre nicht zielführend, da jetzt ein Gegenangebot zu machen.“ Die Stadt habe als Mehrheitsaktionärin ihre Entscheidung getroffen. „Ob das auf Dauer im Interesse von Hamburg ist, darüber kann man geteilter Meinung sein. Ich hätte die Entscheidung nicht so getroffen, aber das spielt keine Rolle.“

Mitarbeit: Michael Cordes

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