Länder-Ranking: Stadtstaat stellt alle in den Schatten
Singapur ist der Top-Logistikstandort im Vergleich unter 139 Ländern. Das geht aus dem aktuellen Logistikleistungsindex (Logistics Performance Index, LPI) hervor, den die Weltbank im Frühjahr erstmals wieder seit 2018 veröffentlicht hat. Deutschland liegt demnach hinter Finnland gemeinsam mit Dänemark, den Niederlanden und der Schweiz auf Platz drei. In den drei vorherigen Rankings lag Deutschland 2014, 2016 und 2018 jeweils an der Spitze sowie auch 2010. In den LPI-Erhebungen 2007 und 2012 stand Singapur ganz oben. Von Finnland wurde Deutschland 2012 schon einmal verdrängt, Rang zwei ist für die Nordeuropäer bisher aber die beste Platzierung.
Dem Ranking liegen 4.090 Einschätzungen von Logistikfachleuten aus 139 Ländern zugrunde. Sie haben folgende sechs Schlüsselfaktoren für acht Partnerländer auf einer Skala von 1 bis 5 bewertet:
- Die Effizienz der Zoll- und Grenzabfertigung
- die Qualität der handels- und verkehrsbezogenen Infrastruktur
- den Komfort, mit der internationale Sendungen zu wettbewerbsfähigen Preisen abgewickelt werden können
- die Kompetenz und Qualität der Logistikdienstleistungen
- die Möglichkeit, Sendungen zu verfolgen und zurückzuverfolgen
- die Häufigkeit, mit der Sendungen die Empfänger innerhalb der geplanten oder erwarteten Lieferfrist erreichen.
UK stürzt ab
Singapur erreicht insgesamt einen LPI-Score von 4,3, Deutschland von 4,1 Punkten. Den höchsten Indexwert bei den Schlüsselfaktoren weist Singapur mit 4,6 Punkten bei der Infrastruktur aus. Deutschland kommt immerhin noch auf einen Wert von 4,3. Auch bei der Dienstleistungsqualität und Kompetenz erreicht Singapur mit 4,4 Punkten einen Bestwert.
Im Ranking regelrecht abgestürzt ist das Vereinigte Königreich. Ihren LPI-Wert signifikant verschlechtert haben bei den Top-25-Ländern zudem Japan und die USA. Schweden fiel im Ranking zwar durchaus deutlich zurück, konnte sein Indexniveau von 2018 aber halten.
Am deutlichsten verbessert haben sich außer Singapur und Finnland vor allem noch Griechenland, Südafrika, Taiwan, Kanada, Südkorea und die Schweiz. Griechenland schaffte es mit einem spektakulären Sprung um 23 Plätze in die Top-25-Kategorie. Dort befindet sich nun auch China. Das Reich der Mitte konnte sich ebenfalls leicht verbessern im Index. Bestes Schwellenland sind aber die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), auch wenn sich deren Indexwert nicht mehr signifikant verbessert hat.
Deutschland auf hohem Niveau
Den langjährigen Spitzenplatz nahmen Politiker und Branchenvertreter in Deutschland gleichermaßen gern zum Anlass, sich mit dem inoffiziellen Titel Logistikweltmeister zu schmücken. Ob es sich auch immer so angefühlt hat, ist zu bezweifeln. Platz drei bedeutet aber immer noch Spitzengruppe. Es ist ohnehin die Frage, inwieweit man Länder anhand der sechs Kriterien der Weltbank nachvollziehbar vergleichen kann. Singapur und Finnland haben eine völlig unterschiedliche Bedeutung im internationalen Handel und beim Management globaler Warenströme. Deutschland als zentraleuropäisches Land steht vergleichsweise exzellent dar. Das LPI-Ranking belegt über Jahre ein konstant hohes Niveau der logistischen Leistungsfähigkeit des Standorts.
Der Niedergang des Vereinigten Königreichs um zehn Plätze sollte den Briten schon eher Sorgen machen. Grund dürften vor allem der Brexit und einige Eskapaden der ehemaligen Regierung unter Boris Johnson sein, die keine vertrauensbildenden Maßnahmen für globale Wertschöpfungsnetze waren. Fairerweise muss man allerdings auch feststellen, dass es für den Sprung, den Griechenland hingelegt hat, keinen offensichtlichen Grund gibt. Und dass massive Investitionen in die Infrastruktur allein die Platzierung nicht verbessern, zeigt die Türkei auf Platz 38 (2018: 37).
Das Ranking sollte nicht überbewertet werden. Der LPI bietet vor allem viele Detailinformationen über einzelne Länder. Diese können für Unternehmen wertvoll sein, wenn es darum geht, Investitionsentscheidungen zu treffen oder Beschaffungsmärkte zu erschließen. Viele Unternehmen wollen Lieferketten verkürzen oder resilienter gestalten. In dem Zusammenhang ist entscheidend, die Märkte zu kennen. Und dazu gehört eben auch die logistische Leistungsfähigkeit – beispielsweise in Form von Abfertigungszeiten an wichtigen logistischen Knotenpunkten wie Häfen. Der LPI liefert dafür eine Basis.
Zwischen dem aktuellen und dem letzten Bericht 2018 liegt eine Pandemie. Sie hat die Weltwirtschaft in nie zuvor dagewesener Weise durchgerüttelt. Trotz dieses schwierigen Umfelds erwiesen sich die Märkte als stabil. Die zehn Länder mit der besten Logistikleistung erzielten durchschnittlich 4,1 von 5 Punkten, was sogar etwas besser ist als die 4,0 im LPI 2018.
Auch in der mittleren Leistungsklasse gibt es einen bemerkenswerten Fortschritt. Es haben im Vergleich zu vorherigen Erhebungen mehr Länder eine höhere Punktzahl erreicht. Der Durchschnitt ist in den vergangenen zehn Jahren stetig gestiegen, wobei mehr Länder eine Punktzahl von 3 bis 4 erreicht haben. Dazu tragen Maßnahmen bei, die die Produktivität der Häfen erhöhen, die Zollabwicklung vereinfachen und die Zuverlässigkeit logistischer Services verbessern.
Drehscheibe für den Weltmarkt
Auch Deutschland kann sich noch verbessern: beim Zoll und bei der Abwicklung internationaler Sendungen. Dort ist Singapur spitze. Da der Stadtstaat eine wichtige Handelsdrehscheibe ist, haben viele Logistiker dort bereits ihre Niederlassungen und regionalen Zentralen. Auch das Verladernetz in Singapur ist stark.
Der Stadtstaat mit knapp 5,5 Millionen Einwohnern liegt an der Straße von Malakka und verfügt mit seinem Hafen über den wichtigsten Transshipment-Hub weltweit, zumindest laut Hafenverwaltung MPA. Gut 37 Millionen TEU wurden 2022 umgeschlagen, nur in Shanghai waren es mehr. Mit dem 2022 eröffneten Tuas Port soll künftig noch mehr möglich sein. Auf 65 Millionen TEU Kapazität wird der neue Containerhafen bis 2040 ausgebaut. Die Stadt will zwischen dem alten und dem neuen Hafen verschiedene Cluster ansiedeln – für Energie und Chemie, Industrie und verarbeitendes Gewerbe. Auch einen eigenen Innovationsdistrikt soll es geben.
Singapur ist das Eingangstor in die Großregion Südostasien mit den zehn ASEAN-Staaten. Auf ihnen ruhen derzeit besonders viele Hoffnungen, da China angesichts der fortschreitenden Alterung der Gesellschaft vermeintlich schwächelt. Zudem wird das Reich der Mitte wegen seines Machtstrebens mittlerweile deutlich argwöhnischer beäugt als früher.
Letztlich sollte das Ranking nicht überbewertet werden. Der LPI bietet vor allem viele Detailinformationen über einzelne Länder.