Handelslogistik um Nachhaltigkeit bemüht

Auf dem Handelslogistik-Kongress drehte sich fast alles um Nachhaltigkeit und Digitalisierung – nicht zuletzt als Reaktion auf neue politische Regeln wie das Lieferkettengesetz oder die Elektronikschrottverordnung. Manche Unternehmen entwickeln daraus sogar neue Geschäftsmodelle und spüren nicht unerhebliche Effizienzgewinne auf.

Alte Handys liegen noch in vielen Haushalten herum. Gleiches gilt für andere Altgeräte wie Tablets und Ähnliches. (Foto: picture alliance / Zoonar | Alfred Hofer)

Kein Wunder also, dass in den Vorträgen auf dem Kongress in Köln mit Äpfeln und Kartoffeln um die Gunst der Zuhörer geworben wurde. So stellte Andreas Rupp vom Softwareunternehmen SAP unter der Überschrift „An Apple a Day… – Gesund und nachhaltig mit SAP“ am Beispiel der Logistik mit Äpfeln wie „Umweltschutz ohne Wettbewerbsnachteile“ gelingen könnte. Äpfel gelten als beliebteste Frucht der Deutschen. Durchschnittlich verzehrt jeder hierzulande 20 Kilogramm im Jahr. Das entspricht 1,67 Millionen Tonnen Äpfel.

Rupp machte klar, dass der Apfel dabei nicht vom Baum auf den Teller fällt. Die meisten Äpfel werden im Handel umgeschlagen. Dahinter steht eine komplexe Lieferkette von der Produktion über die Verpackung, die Lagerung bis zum Verkauf. Das hat Auswirkungen auf den Wasserverbrauch, die Emissionen bei den Transporten, bedeutet Verderb und Einwegverpackungen oder hat Einfluss auf den Umgang mit Über- und Fehlbeständen. „Ziel sind weniger Emissionen und Verschwendung über die gesamte Lieferkette“, betonte Rupp.

SAP hat dazu eine IT-Plattform entwickelt, die den gesamten Prozess ganzheitlich erfasst und transparenter machen soll, also eine Rückverfolgbarkeit der Ware ermöglicht. Das könne auch mit einer App für den Endverbraucher kombiniert werden. Kunden wie der Tiefkühlkostanbieter Frosta oder die Handelskette Coop nutzten das bereits. Rupp räumte ein, dass allerdings Themen wie die Verschwendung im Gegensatz zur besseren Profitabilität von den Unternehmen eher verhalten aufgenommen werden. Die Investitionszurückhaltung sei hier spürbar.

Neues Entsorgungssystem für Handys

„Was haben iPhone und eine Kartoffel künftig gemeinsam?“, fragten indessen Pascal Leppich von Arvato Systems und Jan Rippen von Telefonica. Die Antwort ist relativ einfach: Nachhaltigkeit in der Lieferkette ist möglich. Die Bertelsmann-Tochter Arvato arbeitet an einem digitalen Produktpass. Damit lässt sich die Beschaffung von Rohstoffen zurückverfolgen, also eine Art Produktinformationsdatenbank aufbauen. Das Refurbishment (Erneuerung) und die Reparatur von Konsumelektronik seien zentrale Themen, betonte Rippen. Dafür sei Rückverfolgbarkeit ein wichtiger Baustein.

Beide Unternehmen stellten in Köln dann auch ein neues Entsorgungssystem für ausrangierte Handys vor. Allein Telefonica hat 2022 mehr als 90.000 Stück in seinen Shops zurückgenommen. Das Unternehmen sieht darin noch ein „Riesenpotenzial“. Denn alte Handys liegen noch in vielen Haushalten herum. Gleiches gilt für andere Altgeräte wie Tablets und Ähnliches. Die Rücknahmelogistik läuft bislang weitgehend manuell und soll nun durch ein automatisiertes System abgelöst werden. Mit Hilfe von Sensoren können Entsorgungsboxen nun Füllstände selbstständig erkennen und ihre Leerung durch einen Logistiker automatisch beauftragen. Arvato stellt dazu die Softwareplattform auf Basis des digitalen Baukastensystems namens Platbricks bereit. „Damit können wir Effizienzgewinne mit einer nachhaltigen Lösung verbinden“, ist Rippen überzeugt.

Investitionen krisenbedingt ausgefallen

Wirtschaftsprofessor Michael Grömling vom Kölner Institut der deutschen Wirtschaft (IW) schreckte die Zuhörer mit einem eher düsteren Ausblick auf. Er ist davon überzeugt, dass die großen Krisen der vergangenen Jahre wie zunächst die Pandemie und dann die russische Invasion in der Ukraine ihren Preis haben und die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland mehr oder weniger stillgelegt haben. Während zunächst die eingeschränkten Einkaufs- und Freizeitmöglichkeiten und die krisenbedingten Verhaltensänderungen den Konsum einschränkten, sorgten die Kaufkraftverluste durch den kriegsbedingten Energieschock für Einbußen in den vergangenen beiden Jahren.

Außerdem seien Investitionen in Ausrüstungen, Bauten und immaterielle Kapitalgüter danach von schätzungsweise 155 Milliarden Euro bezogen auf die vergangenen 16 Quartale ausgefallen. Die Investitionsverluste haben laut Grömling bleibende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung und vor allem die Fähigkeit, die großen Herausforderungen durch die Digitalisierung, die Dekarbonisierung, die demografische Entwicklung und den Aufbau resilienter Lieferketten besser bewältigen zu können. Davon betroffen ist natürlich auch die Handelslogistik.

Rewe investiert

Einige Unternehmen haben dies bereits erkannt, wollen aufholen und investieren daher stark in den Ausbau und die Verbesserung der Logistik, wie beispielsweise der Kölner Handelskonzern Rewe. „Wir investieren gerade mehr als 2 Milliarden Euro in unser Logistiknetz“, sagte Lars Siebel, Logistikchef von Rewe Deutschland. Wichtigstes Thema sei dabei die Neu- und Weiterentwicklung IT-gestützter Prozesse, vor allem die Automatisierung und der Einsatz von künstlicher Intelligenz. Da gelte es auch Engpässe zu beseitigen, räumte Siebel ein.

Das Unternehmen zählt in Deutschland 21 Lagerstandorte, darunter zwei Zentrallager. Beliefert werden täglich 7.500 Lebensmittel-Märkte. Gleichzeitig setzt der Lebensmittelhändler auf den Onlinevertrieb, bislang hierzulande in 85 Städten mit rund 1,5 Millionen Kunden. Den Onlineumsatz mit dem Lieferservice schätzt Siebel auf knapp 1 Milliarde Euro bei einem Gesamtumsatz von rund 85 Milliarden Euro in der gesamten Rewe Group. „Wir haben das Lebensmittel-Onlinegeschäft aus der Krise herüber gerettet“, sagte Siebel auf dem Kongress.

Auch beim Thema Nachhaltigkeit will der Konzern vorne mitspielen. Rewe verteilt inzwischen zum Beispiel keine Handzettel mit Angeboten mehr. Nun gibt es eine App. Dadurch können dem Manager zufolge 73.000 Tonnen Papier pro Jahr eingespart werden. „Nachhaltigkeit spart Geld“, fügte Siebel hinzu. Neben einem Energiekonzept wird auch verstärkt auf alternative Antriebe gesetzt. Bislang sind 20 solcher Lkw im Einsatz, allein 10 Elektrofahrzeuge im Großraum Berlin.

30 Jahre Handelslogistik-Kongress

Der von EHI, GS1, Bundesvereinigung Logistik und Markenverband veranstaltete Kongress feierte in diesem Jahr unter dem Motto „Einblicke – Ausblicke – Zukunft“ seinen 30. Geburtstag. In der Vergangenheit prägten Fachausdrücke wie ABC-Artikel, Bestandsreichweiten, Vendor Managed Inventory (VMI), Wechselbrücke oder Cross-Docking die Handelslogistik. Diese spiegeln die Entwicklung, aber auch die zunehmende Komplexität der Handelslogistik wider. Die Disziplin „Logistik“ mit den vormals überwiegend technischen Themen und inzwischen deutlich umfassenderen Aufgaben ist heute ein wichtiger Erfolgsfaktor für die Unternehmen geworden.

Die Herausforderungen dabei sind vielschichtig. So erschwert die Komplexität globaler Lieferketten die Koordination und das Management verschiedener Akteure wie Lieferanten und Dienstleister. Die Beschaffungspolitik von Handelsunternehmen muss so nachhaltig wie möglich sein. Sie soll nicht nur ethische Aspekte berücksichtigen, auch Umweltauswirkungen müssen reduziert werden. Gleichzeitig müssen Händler ihren Warenfluss sicherstellen, um Regallücken und frustrierte Kundschaft zu vermeiden oder auch schlicht die Grundversorgung der Bevölkerung zu garantieren. Der Onlinehandel mit seinen schnellen Lieferzeiten erfordert flexible Rückgabeprozesse und optimierte Lagerverwaltung. Hinzu kommt der alles überschattende Fachkräftemangel. (cs)

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