Der Konsument treibt die Handelslogistik

Eins steht für Prof. Christoph Tripp fest: Langweilig wird es in der Handelslogistik demnächst nicht. Jeder brauche jetzt dringend eine Strategie, sagt der Experte von der Technischen Hochschule Nürnberg. Er sprach am Donnerstag auf dem Deutschen Logistik-Kongress über die aktuellen Trends.

Es geht in der Handelslogistik laut Prof. Christoph Tripp nicht mehr nur um Verfügbarkeit, sondern auch um Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Kundenbedürfnisse. (Foto: BVL/Bublitz)

Vor allem die Verbraucher halten die Handelslogistiker ordentlich auf Trab. Maßgeblich dafür sei der Faktor Convenience, also die Bequemlichkeit. „Alle wollen alles möglichst schnell und überall verfügbar haben“, sagt Christoph Tripp, Professor für Distributions- und Handelslogistik an der TH Nürnberg. Damit habe das Thema Lieferservice inzwischen eine herausragende Bedeutung für die Endkunden. Auch die vermehrten individuellen Wünsche bezüglich des Sortiments und des Lieferprozesses forderten die Handelslogistiker heraus. Hinzu kämen Konsumenten, die maximale Nachhaltigkeit möchten. In großen Teilen seien die Verbraucher aber nicht bereit, dafür zu bezahlen. Und: Der Kunde wird immer illoyaler, wechselt also relativ schnell bei Unzufriedenheit.

Es geht damit in der Handelslogistik laut Tripp nicht mehr nur um Verfügbarkeit, sondern auch um Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Kundenbedürfnisse. Zudem erforderten die starken Mengenschwankungen ein hohes Maß an Flexibilität. Denn auch in Zeiten hoher Auslastung habe der Kunde kein Verständnis für eine schlechte Performance.

In Sachen Lieferservice werde derzeit viel experimentiert. „Ich denke, dass es immer mehr Geschäftsmodelle geben wird, die nach dem Prinzip ‚Sell everywhere, deliver anywhere‘ funktionieren“, sagt Tripp. Lieferservices müssten letztlich immer individueller, nachhaltiger und auch dezentraler gestaltet werden. Endkundennähe bleibe ein wichtiger Treiber der Handelslogistik. Dabei gilt es aber nicht nur räumlich nah am Kunden sein, sondern auch bezogen auf Daten. Tripp: „Händler wissen noch zu wenig über die Lebenssituation oder die Lieferpräferenzen der Endkunden.“

Prognosekompetenz wird immer wichtiger

Zugleich gehe jedoch die Entwertung von Services weiter, ist der Experte überzeugt. „Ich sehe bisher nicht, dass die Wertschätzung und damit auch die Zahlungsbereitschaft in Bezug auf logistische Services zunimmt.“ Während der Corona-Zeit hätte es kurzeitig die Entwicklung gegeben, dass viele Verlader die Bedeutung leistungsfähiger Logistiknetze betont haben. Doch inzwischen sei die Kosten- und Preissensibilität wieder sehr hoch, auch bei den Endkunden.

Technik sei wichtig – aber nicht nur im Lager, sagt Tripp weiter. Die großen Sprünge in der operativen Handelslogistik seien nur möglich, wenn Händler dies mit Technik für möglichst präzise Prognosen kombinieren. „Alle Logistiker wissen allerdings, wie schwierig das ist.“ Doch nur mit „ausgezeichneten Prognosekompetenzen“ seien Händler in der Lage, Kapazitäten an künftige Nachfrage auszurichten und kosteneffizient zu arbeiten. Überhaupt sei die Verfügbarkeit und Leistungsfähigkeit von Technik nicht das Problem. Unternehmen brauchen laut Tripp aber eine völlig andere Kultur und den Mut, Dinge auszuprobieren. Fehlerkultur sei allerdings nicht gerade etwas, was den deutschen Handel auszeichnet, sagte Tripp.

Der Professor sieht zudem weiterhin einen Trend zum Outsourcing. Zugleich beobachte er aber, dass gerade die größeren Handelsunternehmen, den Aufbau eigener Netze vorantreiben. „Da existiert dann mitunter gar keine saubere Trennung mehr zwischen Make-or-Buy-Strategie.“ Denn diese Unternehmen würden in Teilen ebenfalls Outsourcing betreiben. In Zeiten mit geringeren Mengen, fingen diese Unternehmen, wie zum Beispiel Amazon oder auch Walmart, an, ihre Netze zu öffnen, um entsprechende Skaleneffekte zu realisieren.

Zugleich verändere sich der Fulfilment-Markt, beobachtet Tripp. „Immer mehr Spieler gehen in diesen Bereich, auch die großen Speditionen und natürlich viele Start-ups.“ Hinzu kommen völlig neue Unternehmen wie Temu oder Shein aus Asien. Effizienz stehe bei diesen Newcomern des Handels absolut im Vordergrund. „Und sie halten an ihrer Strategie fest, ohne viel Rücksicht auf Verluste zu nehmen.“ Diese Anbieter werden nach Tripps Einschätzung auch nicht wieder verschwinden.

„Handelslogistik muss und wird auch teurer werden“, sagt Tripp, allein schon, weil Arbeit und Energie sich verteuerten. „Und deshalb: Da, wo noch nicht geschehen, wird es Zeit, dass die Logistik im Handel nicht nur Kernkompetenz, sondern eine hohe strategische Bedeutung bekommen muss“, betont Tripp und fügt hinzu: „Jedes Handelsunternehmen braucht jetzt wirklich eine Logistikstrategie.“

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