Auch für die Zeitenwende gibt es nur ein Zeitfenster
Es kann frustrieren, wenn man nicht so kann, wie man gern möchte. So dürfte es aktuell gerade mittelständischen Logistikdienstleistern gehen, die sich mit der Militärlogistik beschäftigen. Das Interesse an dem Thema ist riesig, wie die knapp 300 Teilnehmer der gemeinsam von DVZ und der Schwesterpublikation Griephan veranstalteten Konferenz „Military Schengen“ vergangene Woche in Hamburg gezeigt haben. Auch die Bundeswehr wünscht sich eine enge Zusammenarbeit – und trotzdem finden beide Seiten nicht so recht zueinander.
Das Hauptproblem ist, dass die Militärs noch nicht sagen können, was sie konkret von den Logistikern wollen. Das ist nicht allein die Schuld der Bundeswehr. Denn sie ist darauf angewiesen, dass die NATO die wirklichen Bedarfe hinsichtlich Transportleistungen und Co. quantifiziert, die entstünden, wenn Deutschland zu einer logistischen Drehscheibe im Spannungsfall mit Russland würde. Und nur dann können auch Ausschreibungen starten, auf die so viele Logistiker gespannt warten.
Den Logistikern geht es nicht schnell genug
Kommendes Jahr oder spätestens 2027 soll die Auftragsvergabe beginnen, ließ Generalleutnant André Bodemann, Stellvertretender Befehlshaber Operatives Führungskommando der Bundeswehr, recht unverbindlich durchblicken. Wirklich zufriedenstellend ist das nicht. Denn für die Zeitenwende gibt es auch nur ein begrenztes Zeitfenster. Das Interesse der zivilen Dienstleister wird wieder abflauen, wenn nicht bald absehbar ist, wohin die Reise gehen soll.
Erschwerend kommt hinzu, dass es zwischen beiden Seiten noch „Kommunikationsprobleme“ gibt, wie auf der Konferenz an der einen oder anderen Stelle zu hören war. Soll heißen: Die Partner in spe haben lange so gut wie nichts miteinander zu tun gehabt. Es gibt jeweils eigene Terminologien. Die Prozesse in der zivilen und der militärischen Logistik sind höchst unterschiedlich. Und natürlich gibt es Sicherheitsanforderungen, von denen viele Logistiker noch nie etwas gehört haben. Die Beziehung zwischen der Truppe und Transporteuren dürfte damit auf absehbare Zeit komplex bleiben.
Rüstungssektor wird zur wichtigen Verladerbranche
Daher mag es sinnvoll sein, die Rüstungsbranche stärker als Vermittler zwischen den beiden Welten zu nutzen. Sie ist in beiden zu Hause und schickt sich zudem an, zu einem wichtigen Industriesektor in Deutschland zu werden.
Angetrieben durch die deutlich steigenden Verteidigungsausgaben, die von heute 63 auf 153 Milliarden Euro in 2029 anwachsen sollen, peilt allein der größte deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall bis 2030 eine Vervier- bis Verfünffachung des Umsatzes an – von aktuell rund 10 auf 40 bis 50 Milliarden Euro. Das Unternehmen aus Düsseldorf dürfte damit in die weltweiten Top Fünf der Waffenschmieden vordringen.
Dabei ist dies kein nationales Geschäft. So haben die deutschen Rüstungsexporte im vergangenen Jahr 13,3 Milliarden Euro betragen. Dies sind 5 Milliarden mehr als 2022, als Russland die Ukraine angriff, und sogar fast doppelt so viel wie im Durchschnitt der fünf Vorjahre. Die Folge: Um diese Ausfuhren abzuwickeln, braucht es internationale Logistikexpertise. Allerdings hat dies einen Preis. Denn in dem Maße, in dem Logistikdienstleister sich im Verteidigungssektor engagieren, werden sie auch Ziel hybrider Kriegsführung. Dies gilt nicht nur für kritische Infrastruktur wie Häfen oder Flughäfen. Es wird auch in zunehmendem Maße Logistikdienstleister und ihre Betriebsstätten betreffen. Daher ist es angezeigt, sich stärker gegen Spionage, Sabotage und ähnliche Aktivitäten zu schützen. Die jüngsten Drohnen-Vorfälle sollten eine Warnung sein.