Das Unternehmergespräch: Keine Scheu vor Investitionen

Der September beginnt in der Rüdinger Spedition ereignisreich: Vormittags begrüßt Unternehmer Roland Rüdinger 25 neue Auszubildende und einen dualen Studenten, am Nachmittag eröffnet er seinen eigenen Ladepark. „Natürlich ist das ein Riesenerlebnis, wenn so viele junge Leute hier anfangen, aber dass der Verkehrsminister zur Eröffnung kommt, ist das absolute Highlight“, freut er sich über die große Aufmerksamkeit für seinen Betrieb.
In der ländlich geprägten Region muss die Spedition um Talente kämpfen. „Wir haben Rüdinger-Erlebnistage veranstaltet, junge Menschen drei Tage lang an die Logistik herangeführt und auch ein Ferienprogramm mit 40 Kindern gemacht“, berichtet der Firmenchef von dem besonderen Engagement. Der Erfolg gibt ihm recht: Sogar neun Auszubildende zum Berufskraftfahrer fangen an diesem Montag bei ihm an. Auch durch Lkw-Mitfahrten bei der Gewerbeschau Krautheimer Frühling haben sie den Beruf für sich entdeckt. „Junge Leute lassen sich durch Technik begeistern“, stellt er fest.
Mit einem Ladepark für Elektro-Lkw geht die Spedition jetzt den nächsten Schritt in Richtung Antriebswende. Infrastruktur für 600.000 Euro und der Netzanschluss mit neuem Trafo für weitere 250.000 Euro haben Bund und Land jeweils teilweise mit 20 Prozent Förderung unterstützt. „Wir haben eine Alpitronic mit 400 Kilowatt und eine Kempower-Anlage mit Satellit und sieben Overhead-Ladepunkten angeschafft“, verrät Rüdinger.
Besonders stolz ist er auf eine Eigenkonstruktion: „Durch eine 40-Meter-Traverse mit Stromversorgung von oben können wir die Fahrzeuge ohne Parkplatzverlust über Nacht laden.“ Die Anschaffung der Infrastruktur sei kapitalintensiv, aber notwendig. Letztlich entscheide der Fahrzeugeinsatz über die erforderliche Technik. „Wenn wir Zweischichtbetrieb fahren, brauchen wir Schnellladung, im Einschichtbetrieb genügt günstigeres Übernachtladen“, betont der Speditionschef.
CO₂-freier Stückguttransport
Zehn Elektro-Lkw, überwiegend von Renault, fahren bereits bei Rüdinger, bis zum Jahresende sollen es 30 sein, die Hälfte der Nahverkehrsfahrzeuge. „Wir können dann komplett CO₂-freies Stückgut anbieten“, sagt der Unternehmer stolz und fügt hinzu: „Das ist jetzt eine Marktstudie: Ob Kunden dafür mehr bezahlen, wird sich zeigen.“ Die größte Hürde beim Wechsel auf die neue Technologie sieht er in der Stromversorgung. Der Betrieb müsse genau so viel Strom ziehen, wie laut Anschlusswert zur Verfügung steht; darüber hinaus sei ein Stromspeicher erforderlich.
Der langjährige CDU-Lokalpolitiker lobt das Landesförderprogramm des grünen Verkehrsministers Winfried Hermann: „Wir sind darin mit 20 unserer Fahrzeuge aufgenommen – das darf man auch mal öffentlich würdigen.“ Wasserstoff-Lkw sieht er dagegen skeptisch. Die Technologie sei zu teuer und kaum verfügbar.
Erleichtert blickt Rüdinger dagegen auf die immer noch schwächelnde Konjunktur, weil diese sein Unternehmen bislang wenig getroffen habe. „Wir sind nicht automobilabhängig, der Maschinen- und Anlagenbau läuft noch gut“, bewertet er den lokalen Markt. Deshalb habe er stark in Personal investiert: „Mit den neuen Auszubildenden steuern wir auf 700 Beschäftigte zu.“
Stabilster Geschäftsbereich des Krautheimer Dienstleisters sei die Kontraktlogistik, das größte Wachstum habe er im Stückgutgeschäft erzielt. „Dass wir in sieben Netzwerken tätig sind, schafft Resilienz“, unterstreicht er: „Wenn es in Hamburg brennt, schalten wir auf einen anderen Partner um.“ In der Sammelgutzustellung erreiche die Rüdinger Spedition einen Marktanteil von 25 Prozent in der Region.
Weiteres Wachstum nach Umzug
„In den nächsten zwei Jahren wollen wir bauen, der Standort ist aber noch in Klärung“, erzählt Rüdinger von seinen Wachstumsplänen. Auch die Niederlassung in Attendorn sei kürzlich ins Stückgutgeschäft eingestiegen. Wichtige Zukunftsentscheidungen habe auch schon die nächste Familiengeneration mit geprägt: Sohn Max verfasste seine Bachelorarbeit über den wirtschaftlichen Einsatz von E-Lkw. Beide Söhne haben zudem eine Speditionsausbildung absolviert, studieren aber weiterhin. „Wir diskutieren oft intensiv“, verrät der stolze Vater. „Ich bin zuversichtlich, dass wir eine gute Nachfolge erreichen“, hofft er, in zwei Jahren kürzertreten und Aufgaben an seine Jungs abgeben zu können.
Aus der lokalen Verwurzelung zieht Rüdinger für das 1930 gegründete Familienunternehmen die Verpflichtung, an der Weiterentwicklung der Heimatgemeinde mitzuarbeiten. Die Spedition verbindet Tradition mit Innovation. „Unser Vermächtnis ist, sich mit neuen Dingen auseinanderzusetzen, um gute Logistiklösungen zu entwickeln“, betont er. Eine weitere Zukunftsidee hat er dafür schon: „Wir werden demnächst auch Lang-Lkw elektrifizieren, um Verkehre zu bündeln und die Umwelt zu entlasten.“