„Ein Unternehmen ist ein Spiegel der Gesellschaft“

Seit rund einem Jahr sind Şükran Gencay und Daniel Hülemeyer gemeinsam als Heads of Sustainability bei Hellmann tätig. Über ihr Zusammenspiel und wie man Mitarbeitende mitnimmt, berichten sie im DVZ-Gespräch.

(Foto: Hellmann)

DVZ: Die Konstellation einer Doppelspitze im Bereich Nachhaltigkeit ist bislang eher ungewöhnlich. Wie sind Sie beide zu dieser Aufgabe gekommen?

Şükran Gencay: Ich bin gebürtige Hamburgerin und habe mein Wirtschaftsingenieurstudium ebenfalls in Hamburg abgeschlossen. Seit 2020 bin ich bei Hellmann und habe mich in den letzten Jahren intensiv mit dem Thema Unternehmenskultur beschäftigt. 2023 wurde ich schwanger und war für ein gutes halbes Jahr raus. Als eine neue Stelle für den Bereich Nachhaltigkeit geschaffen wurde, insbesondere eine mit dem Schwerpunkt soziale Themen, war das ein perfektes Match für mich.

Herr Hülemeyer, Sie sind ja bereits seit deutlich längerer Zeit bei Hellmann.

Daniel Hülemeyer: Genau, im August werde ich mein 20-jähriges Jubiläum bei Hellmann feiern. Ich bin eigentlich gelernter Sportwissenschaftler und komme somit aus einer ganz anderen Richtung.

Also auch irgendwie ungewöhnlich.

Hülemeyer: Ja. Nach meinem Sportwissenschaft-Studium habe ich mich gefragt, was ich nun machen soll. Da bekam ich die Chance, bei Hellmann noch ein duales Studium in BWL aufzusetzen, das ich 2011 erfolgreich abgeschlossen habe. Seitdem bin ich bei Hellmann im Nachhaltigkeitsbereich tätig und habe ab 2017 den Bereich Qualitäts- und Umweltmanagement auf globaler Ebene geleitet. Mit der Zunahme der Themen wurde irgendwann klar, dass die beiden Fachbereiche Ökologie und Soziales nicht mehr von einer Person abgedeckt werden konnten. Daraufhin wurde die Entscheidung getroffen, diesen Bereich aufzuteilen. Ich kann mich nun auf den ökologischen Bereich fokussieren und Şükran auf den Social-Governance-Bereich.

Şükran Gencay

(Foto: Hellmann)

Die Tochter türkischer Gastarbeiter wurde 1986 in Hamburg geboren und ist dort aufgewachsen. Nach dem Studium des Wirtschaftsingenieurwesens mit Schwerpunkt Logistik an der TU Hamburg startete Gencay ihre Karriere in der Beratung und Industrie. Seit 2020 ist sie bei Hellmann in verschiedenen Funktionen tätig – aktuell im Bereich Sustainability. In ihrer Freizeit ist sie seit über 15 Jahren als Basketballtrainerin aktiv, vor allem im Herrenbereich – ihr größter Erfolg: der Aufstieg in die 2. Bundesliga im Jahr 2020. Sie lebt mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter in Hamburg.

Sie beide kommen aus unterschiedlichen Bereichen. Seit wann kennen Sie sich und wann wurde Ihnen klar, dass Sie als Doppelspitze gut zusammenpassen könnten?

Hülemeyer: Ich glaube, so richtig kennengelernt haben wir uns während der Phase, als Şükran sich mit der Weiterentwicklung unserer Unternehmenskultur – unserem „Hellmann Promise“ – beschäftigt hat. Das waren unsere ersten Berührungspunkte. Ich war zu dem Zeitpunkt wie gesagt im Bereich Nachhaltigkeit für den Themenschwerpunkt QHSE (Qualität, Gesundheit, Sicherheit und Umwelt) verantwortlich und Nachhaltigkeit ist auch ein zentrales Thema in unserem Promise, in dem wir alle uns dazu bekennen, sowohl achtsam miteinander als auch behutsam mit Ressourcen umzugehen und diese zu schützen, wo immer es möglich ist. Da haben wir das erste Mal über diese Themen diskutiert. Dabei haben wir gemerkt, dass wir gut zusammenpassen. Dann ging Şükran in Elternzeit. Und als es darum ging, den Bereich Sustainability neu aufzubauen, brachte Stefan Borggreve, der das Thema Nachhaltigkeit auf Vorstandsebene verantwortet, Şükrans Namen ins Spiel. Ich konnte mir das direkt gut vorstellen.

Gencay: Eine Ergänzung noch von mir: Vor ungefähr drei Jahren hatten wir ein Weihnachtsessen in Hamburg. Da haben wir uns persönlich kennengelernt, weil wir damals beide an den damaligen CEO berichtet haben. Beim Dinner saßen wir nebeneinander und ich habe erfahren, dass Daniel ebenfalls sehr sportbegeistert ist. Ich bin ja nebenberuflich auch noch Basketball-Trainerin und Daniel mag auch Basketball. Da war das Eis schnell gebrochen. Für mich war von Anfang an klar, dass wir auch menschlich zusammenpassen. Und das ist wirklich enorm wichtig bei so einer Rolle, bei der man sich gut abstimmen muss und ein ähnliches Verständnis von Themen braucht.

Daniel Hülemeyer

(Foto: Hellmann)

1980 wurde er im westfälischen Recke geboren und ist seit fast 20 Jahren bei Hellmann tätig. In dieser Zeit hat sich der studierte Sportwissenschaftler als Experte für Umweltmanagement und Nachhaltigkeit etabliert. Besonders die Elektromobilität liegt ihm am Herzen. In seiner Freizeit ist Hülemeyer begeisterter Rennradfahrer und engagiert sich auch im Ehrenamt für Sportvereine und Klimaschutz. Er lebt aktuell in seinem Heimatort in der Nähe von Osnabrück.

Arbeiten Sie beide weitgehend autark in Ihren Themenbereichen oder gibt es einen sehr intensiven Austausch?

Hülemeyer: Ein Bereich, in dem wir uns sehr eng abstimmen, ist das sogenannte Sustainability Upskilling. Da wird erarbeitet, wie wir die Kolleginnen und Kollegen beim Thema Nachhaltigkeit mitnehmen können. Es gibt natürlich Unterthemen, die wir separat betrachten müssen, aber wir stehen immer in gutem Austausch.

Worin besteht die Herausforderung, das Thema Nachhaltigkeit in der Belegschaft zu verankern?

Gencay: Ein Unternehmen unserer Größe ist gewissermaßen ein Spiegel der Gesellschaft. Entsprechend darf man nicht der Illusion verfallen, dass man immer alle überzeugen kann. Es wird immer Leute geben, die sagen, dass man Nachhaltigkeit gar nicht braucht. Auf der anderen Seite gibt es aber auch einige, die sehr viel intrinsische Motivation mitbringen und von den Themen ohnehin überzeugt sind. Für uns sind vor allem die Menschen interessant, die irgendwo dazwischenstehen und denen die Bedeutung dieser Themen noch gar nicht so bewusst ist. Ich sehe unsere Aufgabe darin, diese Leute mitzunehmen.

Wie kann es Ihnen gelingen, diese Leute mitzunehmen?

Gencay: Auf jeden Fall nicht mit erhobenem Zeigefinger nach dem Motto „Du musst das machen“ und mit Zwang, sondern indem wir Interesse schaffen. Dazu ist im ersten Schritt die Sichtbarkeit wichtig. Wir müssen zeigen, welchen Effekt unsere Initiativen im Unternehmen, aber auch in der Gesellschaft haben. Ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg.

Wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen Sie bei Ihren Themen?

Hülemeyer: Mein eigentliches Team ist recht klein. Insgesamt sind wir drei Personen, die sich um das Thema ökologische Nachhaltigkeit kümmern. Wir profitieren dabei auch von unseren funktionalen Teams. Bei den ökologischen Themen gibt es Experten für die einzelnen Produkte und Verkehrsträger, die mir helfen. Ganz wichtig sind auch die IT-Kollegen, denn wir nutzen für das Reporting viele Schnittstellen unserer TMS-Systeme.

Gencay: Bei mir ist es ähnlich, wenn nicht sogar noch extremer. Stand jetzt habe ich noch gar kein Team, arbeite aber natürlich projektbezogen immer mit verschiedenen Kolleginnen und Kollegen auf der ganzen Welt zusammen. Wir schauen uns gerade genau an, in welchen Bereichen darüber hinaus konkrete Unterstützung sinnvoll sein könnte. Im Laufe des Jahres könnte dann durchaus ein Team aufgebaut werden.

Welche Rolle spielt Stefan Borggreve als verantwortlicher Vorstand für Ihre Arbeit?

Hülemeyer: Glücklicherweise ist der Austausch mit Stefan immer unkompliziert. Er ist eine sehr zugängliche Führungskraft – immer offen für unsere Themen. Er gibt uns die Freiheit, die wir brauchen und bringt auch eigene Ideen ein. Außerdem haben wir bei uns den sogenannten ESG-Accelerator, bei dem wir in größerer Runde zusammenkommen. Neben Stefan, Şükran und mir sind noch Kollegen aus dem Reporting- und International Management-Bereich dabei. In dieser Runde arbeiten wir strategisch zum Thema Nachhaltigkeit, teilen Informationen und passen unsere Maßnahmen an.

Gencay: Nachhaltigkeit ist aktuell leider kein Thema, mit dem sich direkt viel Geld verdienen lässt. Trotzdem wissen wir alle, dass es wichtig ist, daran zu arbeiten. Mit Stefan haben wir eine sehr starke Führungskraft, die dafür einsteht und das Thema hochhält.

Gibt es aktuell ein Projekt, das bei Ihnen besonders im Fokus steht?

Hülemeyer: Das CSRD-Reporting hat uns in den vergangenen Monaten alle extrem beschäftigt – vor allem mit der Verschiebung der CSRD-Pflichten. Darüber hinaus ist das „Sustainability Upskilling“ für uns sehr wichtig – also die Frage, wie wir die gesamte Organisation in das Thema Nachhaltigkeit einbinden können.

Gencay: In meinem Bereich kommen zwei Themen hinzu: Unternehmenskultur und Vielfalt. Da sind wir auf einem guten Weg, aber noch lange nicht am Ziel. Ich persönlich bin hoch motiviert, den Frauenanteil in den Führungsebenen zu erhöhen. Über die gesamte Belegschaft hinweg haben wir bereits eine ganz gute Verteilung. Nun geht es aber darum, zu überlegen, wie mehr Frauen den Sprung in die Führungsebenen schaffen können.

Bei der ökologischen Nachhaltigkeit werden Ziele häufig anhand von Zahlen definiert. Welche Ziele haben Sie sich dagegen für den Bereich der sozialen Nachhaltigkeit gesteckt?

Gencay: Tatsächlich machen wir uns viele Gedanken darüber, wie Ziele definiert werden. Es geht dabei durchaus auch um Zahlen, beispielsweise um die Frauenquote in Führungspositionen.

 Im Zentrum steht immer die Unternehmenskultur. Diese ist allerdings schwer zu quantifizieren. Wir sind gerade dabei, entsprechende Indikatoren aufzustellen, um eine gewisse Orientierung bei diesem teils abstrakten Thema zu bieten. Zwar messen viele Unternehmen die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiter, aber das ist für uns ehrlicherweise ein bisschen zu kurz gedacht. Für uns gehört deutlich mehr zur Unternehmenskultur. Daher sind wir mitten im Prozess, Zahlen zu entwickeln, an denen wir uns messen können.

„30 Prozent Frauen in den drei Führungsebenen von Hellmann bis zum Jahr 2027“ ist als Ziel in Ihrem Nachhaltigkeitsbericht formuliert. Davon sind Sie aktuell noch weit entfernt. Glauben Sie, dass diese Transformation innerhalb von zwei Jahren noch gelingen kann?

Gencay: Es ist nach wie vor eine große Herausforderung. Wir haben dieses Ziel aber auch ganz bewusst so ambitioniert formuliert. Ich fände es weniger schlimm, wenn wir es nicht erreichen würden, weil es zu hoch gesteckt wurde. Viel schlimmer fände ich es, wenn man ganz tief ansetzt, um es unbedingt zu erreichen. Da habe ich einen sehr sportlichen Ehrgeiz. Ob wir die 30 Prozent noch erreichen, weiß ich nicht. Aber das ambitionierte Ziel hilft uns, in die richtige Richtung zu gehen.

Anfang Mai – darauf bin ich auch ganz stolz – haben wir daher erstmals alle weiblichen Führungskräfte von Hellmann zusammengebracht, um dieses Thema zu diskutieren und Maßnahmen sowie eine Strategie abzuleiten. Es war ein sehr gutes Meeting und wir waren uns alle einig :Mehr Frauen in Führungspositionen würden uns definitiv sehr guttun.

Sie sind vom Naturell her durchaus unterschiedliche Typen. Was schätzen Sie besonders an Ihrem Kollegen?

Gencay: Daniel kann sehr gut zuhören. Man sieht richtig, wie es dabei in seinem Kopf arbeitet. Das ist eine tolle und wichtige Eigenschaft, die nicht viele Menschen mitbringen. Gerade wenn man etwas verändern möchte, ist es nämlich enorm wichtig zu verstehen, wo das Gegenüber steht und welche Informationen benötigt werden.

Hülemeyer: Ich beneide Şükran darum, wie sie mit einzelnen Personen und Gruppen interagiert und wie es ihr immer gelingt, schnell in eine Gruppe zu kommen und sie in die von ihr gewünschte Richtung zu steuern. Das kann sie definitiv besser als ich. Während ich also vielleicht der bessere Zuhörer bin, ist Şükran stärker in einer interaktiven Rolle. Da ergänzen wir uns einfach gut.

Hat sich die Zusammenarbeit im vergangenen Jahr so entwickelt, wie Sie es sich zum Start vorgestellt haben, oder ist irgendetwas überraschend anders?

Gencay: Es läuft sogar besser als erwartet. Wir sind vom Naturell her unterschiedliche Typen, was meiner Meinung nach sehr hilft, da wir so unterschiedlich auf die Themen schauen.

Hülemeyer: Die Anfangszeit war spannend. Da hatte ich selbst noch viele Fragen zum Organisationsaufbau. Es ist dann aber richtig gut geworden; wir ergänzen uns sehr gut in der Zusammenarbeit.

Was haben Sie sich für das kommende Jahr Ihrer Zusammenarbeit vorgenommen?

Hülemeyer: Meiner Meinung nach sollten die SBTIs (Science-based Targets) in unserem Unternehmen gut integriert werden. Außerdem hoffe ich, dass wir dann beim Thema „Sustainability Upskilling” weiter sind und es gut in der Organisation implementiert ist.

Gencay: Für Hellmann habe ich die Vision, dass wir sowohl intern als auch extern noch viel stärker als heute als Vorreiter für Nachhaltigkeit wahrgenommen werden. „Hellmann? Das ist doch diese nachhaltige Logistikfirma.“ Das würde ich gerne in Zukunft häufig hören.

Mitarbeit: Gloria Mierzowski

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