Baustein der Energiewende

Logistikflächen sind gefragt. Neue Ansiedlungen stoßen vielerorts allerdings auf Ablehnung. Mit nachhaltigem Bauen und der Revitalisierung alter Flächen lassen sich jedoch Vorbehalte überwinden.

Logistikpark Diemelstadt: ID Logistics Germany plant die Inbetriebnahme im dritten Quartal 2025. (Foto: List AG)

Die Nachfrage nach Lager- und Logistikflächen ist nach wie vor hoch. Laut einer Studie des Fraunhofer-Instituts für Integrierte Schaltungen (IIS), beauftragt von Aurelis Real Estate, wurden in den letzten zehn Jahren vor allem im Einzelhandel erhebliche Flächen erschlossen. Im Durchschnitt entstanden jährlich 560.000 Quadratmeter neue Logistikfläche. Und die Studie prognostiziert für die Zukunft ein weiteres Wachstum.

Der Nachfrage nach Bauland steht entgegen, dass Logistikansiedlungen keinen guten Ruf haben. Unattraktive Gebäude, vermehrter (Schwerlast-)Verkehr und damit einhergehend mehr Lärm und mehr Dreck – diese Vorbehalte äußern Anrainer. Hinzu kommt der Vorwurf, dass Logistikimmobilien aufgrund ihrer einstöckigen Bauweise zu viel Fläche pro Arbeitskraft verbauen. „Selten denken Kommunen bei der Planung oder Ausweisung neuer Gewerbe- oder Industriegebiete an Logistikansiedlungen, wenngleich bestimmte Ansiedlungstypen für die Versorgung der Bevölkerung unverzichtbar sind“, sagt Alexander Nehm. Der Professor für Betriebswirtschaftslehre, Schwerpunkt Logistik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) in Mannheim, hat unter anderem an der besagten Aurelis-Studie mitgearbeitet. „Allerdings muss man diese Aussage etwas differenzieren: In wirtschaftlich stärkeren Regionen wird genau überlegt, wer sich ansiedeln sollte. Hier wird das produzierende Gewerbe oft bevorzugt. In eher strukturschwachen Regionen sind die Kommunen offener für Logistikansiedlungen.“

„Enge, frühzeitige Kommunikation“

Wie lassen sich Kommunen davon überzeugen, großflächige Logistikflächen zu erschließen? Eine Möglichkeit ist nachhaltiges Bauen. So hat beispielsweise ID Logistics, ein international tätiger Kontraktlogistikdienstleister mit Hauptsitz in Frankreich, kürzlich einen 68.000 Quadratmeter großen Logistikpark in Diemelstadt übernommen und wird hier ein E-Commerce-Fulfillment-Center betreiben. Für optimale Energieeffizienz und um CO2-Emissionen zu senken, spielen unter anderem Photovoltaik (PV)-Anlagen auf dem Dach, extensive Dachbegrünung, ein Grauwassersystem sowie LED-Beleuchtung eine Rolle. „Wir setzen auf eine enge, frühzeitige und offene Kommunikation mit den Gemeinden und deren Vertretern“, sagt Robin Otto, der CEO von ID Logistics Germany. „Für uns ist es wichtig, bereits frühzeitig über eine gezielte, zukunftsweisende Immobilienstrategie zu haben, die wir dann innerhalb eines kurzen Zeitfensters umsetzen können.“

Das Gebäude wurde von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) mit dem Gold-Standard zertifiziert. Diese Zertifizierung sei besonders interessant für Projektentwickler und Investoren, ordnet Experte Nehm ein. „In dem Bereich ist in den vergangenen Jahren viel passiert. Die Zeiten, als Projektentwickler noch problemlos auf der grünen Wiese bauen konnten, sind vorbei.“ Schließlich sei der Wert von Boden stärker in den Fokus gerückt – eine endliche Ressource, die viele unterschiedliche Interessensgruppen nutzen wollen.

Mit dieser Überlegung im Hinterkopf bietet sich eine weitere Möglichkeit an, Kommunen davon zu überzeugen, Logistikansiedlungen zu favorisieren: Dual Use. „Wenn Logistikimmobilien sozusagen als Stromlieferanten auftreten, haben beide Seiten einen Vorteil“, sagt Nehm. Hier läge vor allem im Bereich der PV-Anlagen ein immenses Potenzial innerhalb der Logistikbranche vor.

Laut einer Erhebung des Fraunhofer IIS gemeinsam mit der Initiative Power of Logistics der Bundesvereinigung Logistik (BVL) und weiteren Partnern sind erst um die 20 Prozent der Dächer deutscher Gewerbe- und Logistikimmobilien mit PV-Anlagen ausgestattet, teils aus statischen oder energetischen Gründen, doch sehen die Studienautoren Potenzial für mehr Installationen. Besonders auffällig: 84 Prozent der Gewerbeimmobilien mit über 50.000 Quadratmetern Dachfläche haben keine Solaranlagen. Bei Neubauten dagegen sind PV-Anlagen inzwischen Standard, auch wegen einfacher Genehmigungsverfahren und des Umweltschutzes. Logistikfirmen versuchen zudem verstärkt, Energiekosten zu senken und den CO2-Fußabdruck zu verkleinern.

Zudem könnten Ansiedler soziale kommunale Projekte oder lokale Sportvereine unterstützen, um ein lokales Miteinander zu fördern, wie Nehm sagt. Biotope und Ausgleichsflächen sowie die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr statt großer Parkflächen könnten weitere Anreize sein. Laut Robin Otto von ID Logistics sind Reputation, geschaffene Arbeitsplätze und langfristiges soziales Engagement entscheidend für den Erfolg einer Ansiedlung.

Mit Blick auf Ressourcenknappheit sind Brownfields zunehmend relevant. Laut Beratungsfirma Logivest wurden 2024 rund 40 Prozent aller Logistikneubauten auf ehemaligen Industrie- oder Gewerbeflächen realisiert. Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, den täglichen Flächenverbrauch bis 2030 auf unter 30 Hektar und langfristig auf Netto-Null zu senken.

Und: Bau- und Abbruchabfälle machten 2022 mehr als die Hälfte des deutschen Brutto-Abfallaufkommens aus. „Langlebigkeit ist also gefragt“, sagt Nehm. Nicht nur aufgrund schwindender Flächen, sondern auch in Bezug auf Nachhaltigkeit und Akzeptanz in der Bevölkerung. (cs)

Messe-Tipp: Energie als Akzeptanzhebel

Mehr zum Thema „Energie als Akzeptanzhebel für Kommunen“ stellt die Initiative Logistikimmobilien (Logix) am 4. Juni von 11.30 bis 12.30 Uhr auf der transport logistic (Halle A2, Stand 437) im Rahmen einer Podiumsdiskussion vor. Dabei gehen die Teilnehmenden der Frage nach, wie Logistikimmobilien einen Beitrag zur Energiewende in den Kommunen leisten können.

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