„Top-100“-Studie: Logistikvolumen übertrifft Vor-Corona-Niveau

Bereits im vergangenen Jahr wurde der pandemiebedingte Rückgang durch ein deutliches Plus wieder mehr als ausgeglichen, wie aktuelle Berechnungen zeigen. Auch für 2022 gehen Experten von einem deutlichen Anstieg aus. Real dürfte es aber kaum noch Wachstum geben.

Die deutsche Logistikwirtschaft insgesamt ist laut Fraunhofer sehr robust durch die von der Corona-Krise geprägten Jahre gekommen. (Illustration: DVZ)

Nach aktuellen Berechnungen der Fraunhofer-Arbeitsgruppe für Supply Chain Services (SCS) ist der Wirtschaftsbereich Logistik in Deutschland 2021 um 5 Prozent gewachsen. Damit wurde der pandemiebedingte Rückgang von 1,8 Prozent im Jahr 2020 mehr als ausgeglichen. Mit 294 Milliarden Euro lag das Logistikvolumen im zweiten Corona-Jahr bereits etwa 3 Prozent über dem Vor-Pandemie-Niveau von 2019.

Das geht aus dem Update für das Zahlenwerk „Top 100 der Logistik“ hervor, das die Forscher am 19. Oktober pünktlich zum Deutschen Logistik-Kongress vorlegen. Die bereits 2021 anziehende Inflation hatte den Wissenschaftlern zufolge nur einen kleinen Anteil am Zuwachs. Vielmehr sei dieser auf zusätzliche Beschäftigte, neue Rekordwerte bei der Verkehrsleistung von Straße und Schiene sowie einen deutlichen Anstieg des KEP-Volumens und bei den Preisen in der Luft- und Seefracht zurückzuführen.

So waren den Angaben zufolge 2021 mit insgesamt 3,36 Millionen Erwerbstätigen über 100.000 Personen mehr mit operativen und administrativen Logistikaufgaben beschäftigt als im Vorjahr. „Am deutlichsten war dieser Zuwachs bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im Bereich Lagerwirtschaft und Güterumschlag, allein hier sind über 60.000 Beschäftigungsverhältnisse hinzugekommen“, schreiben die Fraunhofer-Forscher.

Aber auch im Transport konstatieren sie Zuwächse. Während der Straßengüterverkehr mit 2,5 Prozent nur unterdurchschnittlich gewachsen sei, konnte die Transportleistung der Bahn mit einem Wachstum von 13,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr den Berechnungen zufolge eine deutlich höhere Dynamik aufweisen.

Aufseiten der Verlader legten vor allem die Bauwirtschaft und der Lebensmittelsektor sowie produktübergreifend der E-Commerce beim Umsatz deutlich und teilweise mit zweistelligen Wachstumsraten zu.

Logistikweise wagen Prognose

„Die neuesten, statistisch fundierten Vermessungsergebnisse zeigen, dass die deutsche Logistikwirtschaft insgesamt sehr robust durch die von der Corona-Krise geprägten Jahre gekommen ist“, schlussfolgern die Fraunhofer-Forscher. Auch für 2022 sei von einem Anstieg auszugehen. „Inwiefern dieser neben der starken Preissteigerung auch realwirtschaftlich untermauert ist, muss sich angesichts der aktuellen konjunkturellen Risiken aber noch zeigen“, fügen die Experten hinzu.

Eine konkrete Prognose wagen die Logistikweisen um Prof. Christian Kille. Ihrer Einschätzung nach wächst der Wirtschaftsbereich 2022 nominal um 8,5 Prozent und real um gerade noch 0,5 Prozent. Im Herbst 2021 hatten die Logistikweisen mit den nun von Fraunhofer bestätigten 5 Prozent richtig gelegen.

Neue Supply-Chain-Realität

Ein weiteres Fazit, das die Fraunhofer-Forscher aus den vergangenen und aktuellen Krisen ziehen: „Die VUCA-Welt trifft die Logistik mit voller Wucht“. VUCA, ein Akronym aus dem Englischen, steht für Volatilität (Volatility), Unsicherheit (Uncertainty), Komplexität (Complexity) und Mehrdeutigkeit (Ambiguity) von Informationen und Fakten, die also verwirrend oder gar paradox erscheinen und nicht mehr eindeutig interpretierbar sind. Nach einem Jahrzehnt stabilen Wachstums sei auch die Logistikwirtschaft zunehmend mit dieser neuen Supply-Chain-Realität konfrontiert. „Angesichts weltweit stockender Lieferketten, zunehmendem Personalmangel, knapper Lager- und Transportkapazitäten, steigenden Kosten, neuen geopolitischen Barrieren und konjunkturellen Risiken stehen lange gehegte Erfahrungswerte und vermeintliche Sicherheiten nun auf dem Prüfstand“, schreiben die Wissenschaftler in ihrer Analyse.

Das äußere sich nicht nur in steigenden Beständen, „sondern auch in einer Abkehr von allzu eng getakteten, Just-in-Time-orientierten Konfigurationen der Supply Chains“. Zugleich eröffne die Digitalisierung und Automatisierung von operativen Logistikprozessen über den Einsatz von Methoden der künstlichen Intelligenz bei Nachfrageprognosen bis hin zum plattformgetriebenen Supply Chain Management neue Chancen für die dynamische Planung und Steuerung von nachhaltigen, agilen und resilienten Lieferketten.

Top-100-Studie wird neu aufgesetzt

Die Studienreihe „Top 100 der Logistik“ untersucht seit mehr als 25 Jahren den deutschen und europäischen Logistikmarkt. Das Besondere in diesem Jahr: Ein Ranking der umsatzstärksten Logistikunternehmen gibt es nicht. Hintergrund: Derzeit wird die bisherige Studie als digitale Daten- und Analyseplattform für den europäischen Logistikmarkt neu aufgesetzt. Verantwortlich für die Weiterentwicklung ist Prof. Ralph Blum, Leiter der Gruppe Future Engineering innerhalb der Arbeitsgruppe für Supply Chain Services des Fraunhofer IIS. Er ist nach dem Weggang von Martin Schwemmer zur Bundesvereinigung Logistik (BVL) zugleich der neue Kopf hinter den „Top 100“.

„Wir haben maschinelle Verfahren zur Verarbeitung natürlicher Sprache ergänzt, was uns nun erlaubt, große Mengen an fortlaufend neu veröffentlichten Text-Media-Informationen gezielt zu analysieren und in strukturiertes Marktwissen zu überführen“, sagt Blum. Dadurch, dass die Analyse an weitere Sekundär- und Primärerhebungsdaten geknüpft werde, könnten die Forscher einen noch größeren Wissensfundus aufbauen. „Den können wir nun, durchaus auch situativ, für Fragestellungen sehr unterschiedlicher Interessensgruppen des Logistikmarktes verfügbar machen“, fügt Blum hinzu. Die Gruppe Future Engineering ist darauf ausgerichtet, das bestehende Methodenspektrum der Markt-, Trend- und Szenarioforschung um Verfahren des sogenannten Text Minings zu erweitern. Blum: „So können wir beispielsweise auch Markt- und Technologieentwicklungen KI-gestützt identifizieren, gezielt eben mit Blick auf das gesamte Umfeld des Logistikmarktes.“

DVZ-Talk beim Deutschen Logistik-Kongress

Am Donnerstag sind Prof. Ralph Blum sowie Uwe Veres-Homm, der Geschäftsfeldkoordinator Logistik, Transport und Mobilität bei der Fraunhofer-Arbeitsgruppe, beim Deutschen Logistik-Kongress um 10.45 Uhr zu Gast auf dem Roten Sofa der DVZ. Am Stand L.A. Passage, LA05 im Hotel Intercontinental Berlin informiert die Arbeitsgruppe für Supply Chain Services zudem über die aktuelle Entwicklung des Logistikmarkts und die Handlungsfelder im daten- und plattformbasierten Supply Chain Management.

Ihr Feedback
Teilen
Drucken

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Nach oben