Welthandel wächst überraschend stärker – 2023 aber Bremsspuren

Deutschlands Exportunternehmen müssen sich auf eine deutliche Abkühlung des globalen Warenhandels einstellen. Die WTO sagt drastische Bremsspuren im kommenden Jahr voraus.

Illustration: iStock, Carsten Lüdemann

Trotz einiger Schocks wächst der Welthandel dieses Jahr stärker als angenommen. Die Welthandelsorganisation (WTO) rechnet nun mit einem Wachstum des Warenhandelsvolumens von 3,5 Prozent. Im April war sie von nur 3 Prozent ausgegangen. Bremsspuren durch den Ukraine-Krieg, die Pandemie und die Folgen des Klimawandels erwarten die Ökonomen aber im kommenden Jahr. Für 2023 senkten sie die Prognose von 3,4 auf 1 Prozent. Sie erwarten aus verschiedenen Gründen eine sinkende Importnachfrage in den größeren Volkswirtschaften. Die Experten nennen die hohen Energiepreise in Europa, die die Ausgaben einschränkten und Produktionskosten erhöhten, den Zinsanstieg in den USA und Chinas Kampf mit Corona-Ausbrüchen.

Die Revision der Prognose für 2022 sei vor allem auf statistische Bereinigungen und die Verfügbarkeit besserer Daten zurückzuführen. Für Europa erwartet die WTO einen Anstieg des Exportvolumens von 1,8 Prozent, für Asien von 2,9 Prozent und für Nordamerika von 3,4 Prozent. Die Einfuhren dürften in Asien um 0,9 Prozent, in Europa um 5,4 und in Nordamerika um 8,5 Prozent steigen.

Prognosen für 2023 seien schwierig, da der Fortgang des Ukraine-Kriegs oder mögliche weitere Zinsschritte schwer vorauszusehen seien. Wenn es schlecht laufe, könne der Handel auch um 2,8 Prozent schrumpfen. Bestenfalls sei ein Wachstum von 4,6 Prozent drin.

Infografik: Welthandel verliert erneut deutlich an Dynamik | Statista

Ein Problem für den Warenaustausch bleibt der gestörte Ablauf in der Containerschifffahrt. Weltweit haben die Staus in der Containerschifffahrt im September offenbar nur leicht abgenommen und bleiben damit auf hohem Niveau. Noch 11,23 Prozent aller weltweit verschifften Waren befinden sich derzeit auf wartenden Containerschiffen. Im August waren es 11,39 Prozent, wie das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) berechnet hat.

Der Warenaustausch von Deutschland und der EU mit Asien ist weiterhin gestört, wie die aktuellste Datenanalyse zudem zeigt. So werden im Roten Meer, der Haupthandelsroute zwischen Europa und Asien, den Berechnungen zufolge derzeit etwa 16 Prozent weniger Waren verschifft, als unter normalen Umständen zu erwarten wäre.

Ein am IfW programmierter Algorithmus wertet die Schiffsbewegungen aus und übersetzt sie in Handelsdaten. Dieser sogenannte Kiel Trade Indicator schätzt die Im- und Exporte von 75 Ländern und Regionen weltweit sowie des Welthandels insgesamt. Laut jüngstem Datenupdate stagniert der Welthandel preis- und saisonbereinigt im September im Vergleich zum Vormonat.

Der September sei von einer schwachen Nachfrage nach Waren aus China geprägt gewesen, sagt IfW-Ökonom Vincent Stamer. „Dies zeigt sich in den schwachen Werten für die Importe der EU und der USA sowie für den Welthandel, vor allem aber in den stark rückläufigen Frachtraten für Warentransporte von China nach Nordamerika und Europa.“

Die Frachtraten waren zwischenzeitlich bis auf das Zehnfache der lange Jahre üblichen Transportkosten gestiegen. Seit rund vier Monaten gehen sie dem IfW zufolge rapide zurück. Auf der Route von China zur US-Westküste liegen sie fast wieder auf dem Niveau von vor der Corona-Krise. Auf der Route von China nach Westeuropa ist das Vor-Krisenniveau noch nicht ganz wieder erreicht, wie die Forscher weiter mitteilen.

 

Eine Abkühlung des Welthandels könnte laut Stamer aber auch etwas Positives haben, wenn nämlich der Lieferkettendruck und die Staus dadurch weiter nachließen. Denn trotz des hohen Auftragsbestands bremsten Engpässe einen höheren Zuwachs bei den preisbereinigten Exporten Deutschlands noch immer aus. Die Werte des Frühindikators sind hier bereits den dritten Monat in Folge negativ.

Der Druck auf die globalen Lieferketten hat im September den fünften Monat in Folge nachgelassen. Niedriger war er zuletzt im November 2020. Das ergeben die vorläufigen Messwerte für den Global Supply Chain Pressure Index (GSCPI) der Federal Reserve Bank von New York. Die Entwicklung im bisherigen Jahresverlauf deutet darauf hin, dass der Druck allmählich wieder auf das historische Normalniveau zurückgeht. Der GSCPI zeigt, wie angespannt (größer 0) oder entspannt (kleiner 0) die Lage ist. Der Index kombiniert weltweite Daten zu Transportkosten mit Komponenten der Einkaufsmanagerindizes von großen Volkswirtschaften. (mit dpa)

Ihr Feedback
Teilen
Drucken

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Nach oben