Kooperation verringert Lieferverkehr auf letzter Meile

Die KEP-Branche muss umdenken. Seitdem die Menschen immer mehr Waren online bestellen, stehen Händler und Zusteller vor logistischen Herausforderungen. Allein im November und Dezember 2020 wurden laut Bundesverband Paket & Expresslogistik (Biek) in Deutschland 435 Millionen Pakete transportiert, also 80 Millionen mehr als ein Jahr zuvor. Dazu kommt, dass die Empfänger oft nicht anzutreffen sind, oder die Anfahrtswege in ländlichen Gebieten zu lang sind.
Kooperation erhöht Zustellquote
Eine Möglichkeit, die Zustellung auf der letzten Meile zu vereinfachen, wäre die Kooperation zwischen den KEP-Dienstleistern. Doch individuelle IT-Systeme und geschlossene Zustelllösungen erschweren die Zusammenarbeit.
Um dennoch die Erstzustellquote auf der letzten Meile zu erhöhen, erforschten das Hasso-Plattner-Institut an der Universität Potsdam, die Universität Leipzig, Pickshare, GoodsTag und GS1 Germany gemeinsam, wie die Zustellung in urbanen und ländlichen Räumen effektiver werden kann.
Das gemeinsame Forschungsprojekt „Smart-Last-Mile Logistik“, kurz Smile, wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert und erforschte zwischen März 2018 bis Februar dieses Jahres, ob die Zustellung beim Empfänger zum Wunschtermin am Wunschort den Lieferverkehr auf der letzten Meile verringert.
Crowd Logistics bietet Alternativen
Grundlage des Projektes ist eine digitale Plattform, die alle Partner miteinander verknüpft und die Zustellungsabläufe vereinfacht. Mit Hilfe von sogenannter Crowd Logistic, eine Möglichkeit für alternative Zustellungsmöglichkeiten, werden Pakete zum Beispiel durch die Mitnahme von Lieferungen für Nachbarn oder Kurierzustellungen über Mikrodepots zugestellt.
So könnte die Quote der erfolgreichen Erstzustellungen erhöht und die Anzahl der Lieferfahrzeuge auf der letzten Meile verringert werden. Die Herausforderung dabei: Verlader, Transportunternehmen und Mikrodepots müssen über alle Stufen der Lieferkette hinweg sichtbar sein, um eine Zusammenarbeit zu ermöglichen. Das bedeutet, dass Dienstleister A ein Paket von Dienstleister B übernimmt, den Transport über den größten Teil der Strecke ins Zielgebiet organisiert und dann die Sendung an einen Dienstleister C übergibt, der diese und weitere Sendungen sammelt, um sie während des Wunschzeitfensters an den Empfänger auszuliefern.
Kiezbote setzt Theorie um
Neben den Crowd-Logistics-Konzepten kommen Sensoren, Identifikations- und Authentifizierungsmethoden nach GS1-Standards zum Tragen. Die Sendungsidentifikation basiert beispielsweise auf der GS1-Identifikationsnummer für Transporteinheiten SSCC/NVE.
Das Berliner Projekt „Kiezbote“ testet diese Strategie seit Sommer 2020 im Mierendorff-Kiez in Berlin-Charlottenburg: Online bestellte Waren werden nicht direkt von DHL, Hermes oder UPS nach Hause geliefert, sondern in einem Mikrodepot gesammelt. Von dort liefern „Kiezboten“ die Sendungen gebündelt per Lastenrad oder Handkarre an den Empfänger.
Zustellung zum Wunschtermin
Der Empfänger gibt dazu bei jeder Bestellung im Onlineshop seine Kiezboten-Lieferadresse an, also die Service-ID des Mikrodepots. Über die App „Pickshare“ des gleichnamigen Anbieters wird er informiert, wenn das Paket beim Kiezboten angekommen ist und kann einen Wunschtermin für die Zustellung zuhause senden.
Das im Smile-Projekt entwickelte Konzept wird künftig durch Pickshare am Markt ausgerollt. Es ermöglicht, ganz individuell auf Kundenwünsche zu reagieren und neue Ansätze für die Paketlieferung zu pilotieren. Mit Smile werden vor allem kleinere Zustelldienste sowie Start-ups ermutigt, die „Last-Minute“-Logistik mit innovativen Lösungen zu digitalisieren und das Marktpotenzial von Netzwerklösungen zu nutzen. (fho)
Oliver Püthe ist Projektleiter Smile bei der Standardisierungsgesellschaft GS1 Germany