Kooperation verringert Lieferverkehr auf letzter Meile

Die KEP-Branche muss umdenken. Und ein Forschungsprojekt zeigt: Die Vernetzung der Paketzusteller untereinander kann die Schwierigkeiten auf dem Weg zum Empfänger verringern. Im Gastbeitrag erläutert Oliver Püthe, Projektleiter Smile bei der Standardisierungsgesellschaft GS1 Germany, wie eine Kooperation auf der letzten Meile aussehen kann.

Die Kooperation der Kep-Dienstleister auf der letzten Meile könnte die Umwelt schonen und die Kundenbedürfnisse besser erfüllen. (Illustration: t_kimura/istock)

Die KEP-Branche muss umdenken. Seitdem die Menschen immer mehr Waren online bestellen, stehen Händler und Zusteller vor logistischen Herausforderungen. Allein im November und Dezember 2020 wurden laut Bundesverband Paket & Expresslogistik (Biek) in Deutschland 435 Millionen Pakete transportiert, also 80 Millionen mehr als ein Jahr zuvor. Dazu kommt, dass die Empfänger oft nicht anzutreffen sind, oder die Anfahrtswege in ländlichen Gebieten zu lang sind.

Kooperation erhöht Zustellquote

Eine Möglichkeit, die Zustellung auf der letzten Meile zu vereinfachen, wäre die Kooperation zwischen den KEP-Dienstleistern. Doch individuelle IT-Systeme und geschlossene Zustelllösungen erschweren die Zusammenarbeit.

Nachgefragt
Björn Paulus, Gründer & CEO Pickshare GmbH. (Foto: Pickshare)

Björn Paulus, Gründer & CEO Pickshare GmbH. (Foto: Pickshare)

„Die Coronakrise verändert das Einkaufsverhalten“

Sie waren Partner des Projektes Smile. Welche Herausforderungen gab es dabei?

Durch Corona wurde die Pilotierung im ländlichen Raum verlangsamt. Gleichzeitig stiegen die Volumina im Pilotprojekt in Berlin schneller als erwartet. Hinzu kamen Anforderungen wie die kontaktlose Zustellung.

Welche Kritik gab es?

Die Konsolidierung steht im Spannungsfeld zur Kundenbindung der Dienstleister vor der Haustür der Empfänger. Die positiven Verkehrs- und Serviceeffekte können nicht mit dem physischen Kundenkontakt des jeweiligen Dienstleisters einhergehen.

Viele halten die Kooperation der KEP-Dienste für unmöglich. Wie lautet Ihr Fazit?

Die letzte Meile muss kooperativer gestaltet werden. Einerseits, damit der Service konsequent an den Kundenbedürfnissen ausgerichtet wird. Andererseits, um die Umwelt durch die Konsolidierung und den Einsatz von E-Mobilität zu schonen.

Wo kommt das Projekt künftig zum Einsatz?

Das Smile-Projekt wurde anfangs in urbanen und ländlichen Regionen pilotiert. Hierzu gehören neben dem Projekt „Kiezbote“ beispielsweise die DORV-Initiative in Barmen oder die Fashionbox in Mönchengladbach. In den nächsten Monaten werden Münster, Regensburg, Hamburg und München sowie ländliche Regionen wie Wetzlar hinzukommen.

Welche Erfahrungen haben Sie in der Krise gemacht?

Corona beschleunigt digitale Themen und hat Einfluss auf hohe Versandvolumina im E-Commerce. Wir glauben, dass sich das geänderte Einkaufsverhalten langfristig auf die letzte Meile auswirkt. (fho)

Um dennoch die Erstzustellquote auf der letzten Meile zu erhöhen, erforschten das Hasso-Plattner-Institut an der Universität Potsdam, die Universität Leipzig, Pickshare, GoodsTag und GS1 Germany gemeinsam, wie die Zustellung in urbanen und ländlichen Räumen effektiver werden kann.

Das gemeinsame Forschungsprojekt „Smart-Last-Mile Logistik“, kurz Smile, wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert und erforschte zwischen März 2018 bis Februar dieses Jahres, ob die Zustellung beim Empfänger zum Wunschtermin am Wunschort den Lieferverkehr auf der letzten Meile verringert.

Crowd Logistics bietet Alternativen

Grundlage des Projektes ist eine digitale Plattform, die alle Partner miteinander verknüpft und die Zustellungsabläufe vereinfacht. Mit Hilfe von sogenannter Crowd Logistic, eine Möglichkeit für alternative Zustellungsmöglichkeiten, werden Pakete zum Beispiel durch die Mitnahme von Lieferungen für Nachbarn oder Kurierzustellungen über Mikrodepots zugestellt.

So könnte die Quote der erfolgreichen Erstzustellungen erhöht und die Anzahl der Lieferfahrzeuge auf der letzten Meile verringert werden. Die Herausforderung dabei: Verlader, Transportunternehmen und Mikrodepots müssen über alle Stufen der Lieferkette hinweg sichtbar sein, um eine Zusammenarbeit zu ermöglichen. Das bedeutet, dass Dienstleister A ein Paket von Dienstleister B übernimmt, den Transport über den größten Teil der Strecke ins Zielgebiet organisiert und dann die Sendung an einen Dienstleister C übergibt, der diese und weitere Sendungen sammelt, um sie während des Wunschzeitfensters an den Empfänger auszuliefern.

Kiezbote setzt Theorie um

Neben den Crowd-Logistics-Konzepten kommen Sensoren, Identifikations- und Authentifizierungsmethoden nach GS1-Standards zum Tragen. Die Sendungsidentifikation basiert beispielsweise auf der GS1-Identifikationsnummer für Transporteinheiten SSCC/NVE.

Das Berliner Projekt „Kiezbote“ testet diese Strategie seit Sommer 2020 im Mierendorff-Kiez in Berlin-Charlottenburg: Online bestellte Waren werden nicht direkt von DHL, Hermes oder UPS nach Hause geliefert, sondern in einem Mikrodepot gesammelt. Von dort liefern „Kiezboten“ die Sendungen gebündelt per Lastenrad oder Handkarre an den Empfänger.

Zustellung zum Wunschtermin

Der Empfänger gibt dazu bei jeder Bestellung im Onlineshop seine Kiezboten-Lieferadresse an, also die Service-ID des Mikrodepots. Über die App „Pickshare“ des gleichnamigen Anbieters wird er informiert, wenn das Paket beim Kiezboten angekommen ist und kann einen Wunschtermin für die Zustellung zuhause senden.

Das im Smile-Projekt entwickelte Konzept wird künftig durch Pickshare am Markt ausgerollt. Es ermöglicht, ganz individuell auf Kundenwünsche zu reagieren und neue Ansätze für die Paketlieferung zu pilotieren. Mit Smile werden vor allem kleinere Zustelldienste sowie Start-ups ermutigt, die „Last-Minute“-Logistik mit innovativen Lösungen zu digitalisieren und das Marktpotenzial von Netzwerklösungen zu nutzen. (fho)

Oliver Püthe ist Projektleiter Smile bei der Standardisierungsgesellschaft GS1 Germany

Forschungsprojekt Smile

Um Pakete künftig schon im ersten Versuch zuzustellen, forschten das Hasso-Plattner-Institut an der Universität Potsdam, die Universität Leipzig, Pickshare, GoodsTag und GS1 Germany nach neuen Geschäftsmodellen, mit denen die Zustellung in urbanen und ländlichen Räumen effektiver werden kann. Das gemeinsame Forschungsprojekt „Smart-Last-Mile Logistik“, kurz Smile, wird vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) gefördert und fand zwischen März 2018 bis Februar dieses Jahres statt.

Weitere Ideen für die Mobilität von morgen werden am 17./18. Juni bei HEY/HAMBURG erörtert, die DVZ ist Medienpartner.

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