Seeschifffahrt 2050: Wenn der Container zum Kunden wird

Wie wird eine bessere Datenverfügbarkeit unseren Blick auf den Container ändern? Und warum sollten wir schon jetzt mit dem Umdenken anfangen? Antworten liefert Jan-Olaf Probst, Business Director für Containerschiffe bei DNV, in einem Gastbeitrag.

Wie bessere Datenverfügbarkeit in der Zukunft unseren Blick auf den Container ändern wird und warum wir jetzt schon mit dem Umdenken anfangen sollten, beschreibt Jan-Olaf Probst, Business Director für Containerschiffe bei DNV, in einem Gastbeitrag. (Foto: DNV)

Stellen wir uns vor: Ein ganz gewöhnlicher Nachmittag im Jahr 2050. Frau Schmidt öffnet ihre Haustür. Nur wenige Minuten vorher hat sie eine Nachricht empfangen: die Bestellung ist im Anmarsch. Als Frau Schmidt vor die Tür tritt, fährt ein autonomes Elektro-Lieferfahrzeug vor. Frau Schmidt entnimmt das Paket, bestätigt den Empfang mit ihrem Fingerabdruck und kehrt zurück ins Haus. Soweit, so gut.

Um zu verstehen, wie sehr sich die Containerschifffahrt bis 2050 wandeln wird, müssen wir diese Erzählung noch etwas früher beginnen: in einem Küstenort rund 100 Seemeilen von Frau Schmidts Zuhause entfernt. Denn dort löste die Kundin durch ihre Online-Bestellung den Produktionsauftrag aus. Es folgten Herstellung in der Fabrik, Verpackung, Verladung, Verschiffung per Container, Entladung und Lieferung bis zur Haustür – alle Schritte finden sich in einem digitalen Logbuch. Darin sind auch die Materialien verzeichnet, die zur Herstellung des Produkts verwendet wurden.

Digitalisierung macht Container „schlau“

Der Schlüssel, damit dieses Szenario zur Realität wird, liegt im Container: Während die Kisten heute überwiegend „dumm“ sind, werden sie bis 2050 dank Mikrochips, Sensoren und Sendern „intelligent“ sein. So wird sich die Art und Weise, wie Häfen die Ankunft der Boxen antizipieren und vorbereiten, verbessern. Die Abfertigung und Abwicklung werden sich beschleunigen. Dank der Evolution der Containertechnologie werden Ausgangs- und Zielhäfen den Flughäfen immer ähnlicher.

Heute werden Container meist noch als simple Fracht angesehen, obwohl sich die relevanten Standards, das Fachwissen und die digitalen Technologien über Jahrzehnte weiterentwickelt haben. Aber mit dem zunehmenden Einsatz dieser Technologien wird sich auch die Sichtweise auf die Box ändern: Je mehr der Container zu einem intelligenten und vernetzten Teil eines integrierten Logistiksystems wird, desto mehr wird er gewissermaßen zum Kunden, den es in den Fokus zu stellen gilt. Digitale Sensoren, Datenanalyse, Machine-Learning und künstliche Intelligenz werden Container mit Schiffen, Lkw und Zügen in den Dialog treten lassen.

Hafenbetrieb lässt sich besser planen

So dürfte der Container 2050 in der Lage sein, den Beteiligten entlang der Logistikkette mitzuteilen, was er enthält, ob die Fracht gefährlich ist, woher er kommt und wohin er geht und ob er im Zielhafen neu verpackt werden muss, weil es mehrere Abnehmer für den Inhalt gibt. Rechnergestützte Modelle werden die Standortinformationen des Schiffes nutzen, um den Hafenbetrieb genau zu planen. Das Schiff kommt zur passenden Zeit an, das Ent- und Beladen beginnt 10 Minuten später, sodass es innerhalb eines genau terminierten Zeitfensters den Hafen wieder verlassen kann.

Jan-Olaf Probst, Business Director für Containerschiffe bei DNV.

Die bessere Planbarkeit ist in vielerlei Hinsicht positiv: Durch geringere Wartezeiten und den optimierten Umschlag in den Häfen können die Treibhausgas- und Schadstoffemissionen der Schifffahrt weiter sinken. Energieeffizienz-Maßnahmen wie Slow Steaming sind besser umsetzbar. Die Verfügbarkeit der Schiffe verbessert sich. Wir müssen alles tun, damit diese Vision Realität wird. Denn der Containerverkehr wird bis 2050 um voraussichtlich 80 Prozent wachsen. Die Transporte müssen also noch umweltfreundlicher und wirtschaftlicher werden.

Emissionsbilanz könnte dokumentiert werden

Wenn Frau Schmidt 2050 ihr Paket erhält, wird die Verpackung vielleicht mit einem digitalen Protokoll verknüpft sein, das ihr bestätigt, dass das Produkt in ihren Händen emissionsfrei ist – in seiner gesamten Wertschöpfungskette, vom Rohstoff bis zur Haustür, einschließlich des Transports. Dafür werden die immer strengeren Emissionsreduktionsziele der internationalen Seefahrtsorganisation IMO sorgen.

Bei DNV sehen wir im Rahmen unserer Klassifizierungs- und Beratungsleistungen und unserer Trendanalysen, dass die Reedereien schon jetzt Containerschiffe bestellen, die weniger Emissionen ausstoßen, als sie es nach den ursprünglichen IMO-Emissionsreduktions-Zielen müssten. Unser Research, darunter der „Maritime Forecast to 2050“, zeigt die machbaren Optionen auf: Im Bereich der mit Verbrennungsmotoren betriebenen Großcontainerschiffe sind dies etwa synthetisches Methanol und Ammoniak. Als Übergangskraftstoff dürfte synthetisches LNG eine wichtige Rolle spielen. 2050 könnte es aber schon wieder an Bedeutung verlieren. Bei kleineren Schiffen wiederum geht der Trend eher zu Brennstoffzellen und E-Antrieben.

Große Palette von Schiffstypen wird bleiben

2050 dürften vor allem auf den Langstrecken zwischen Asien und dem Pazifik, Indien, Europa, den USA, Afrika und Südamerika weiterhin große Containerschiffe unterwegs sein, darunter Kapazitätsgrößen von 24.000 TEU, 15.000 TEU und 10.000 TEU. Ultra Large Container Vessels, New Panamax, Post Panamax, aber auch Small Feeder, Feeder und Feedermax – diese ganze Bandbreite an Schiffsgrößen wird uns wohl erhalten bleiben. (fh)

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