„Um die Zukunft der Logistik muss man sich keine Sorgen machen“

Seit April 2019 ist Sebastian Reimann Chefredakteur der DVZ, seit 2005 ist er Mitglied der Redaktion. Wie sich sein Blick auf die Logistik über die Jahre verändert hat und was sonst noch hätte aus ihm werden können, verrät er im Interview mit DVZ-Volontärin Amelie Bauer.

DVZ-Chefredakteur Sebastian Reimann. (Foto: Martin Haag)

Dass sich Kollegen gegenseitig interviewen, kommt im Redaktionsalltag selten vor. Anlässlich des 75-jährigen DVZ-Jubiläums hat Volontärin Amelie Bauer  Chefredakteur Sebastian Reimann über seinen Einstieg bei der DVZ befragt, über seinen Blick auf die Logistik und die Rolle des Fachjournalismus gesprochen.

Amelie Bauer: Wie hast Du Deinen Weg in die Transport- und Logistikbranche gefunden?  

Sebastian Reimann: Ganz klassisch durch eine Stellenanzeige. Ich habe die Journalistenschule besucht, war dann anderthalb Jahre in einer PR-Agentur tätig und habe gemerkt, dass ich eigentlich gerne auf der anderen Seite arbeiten möchte - eben als Journalist. Ich kannte viele Leute, die im Bereich Transport und Logistik gearbeitet haben, Spediteure und Reedereikaufleute. Und dann kam diese Stellenanzeige von der DVZ.

Gesucht wurde jemand für Unternehmensberichterstattung im Bereich Transport und Logistik. Ich habe meine Kontakte gefragt: „Was ist das denn für eine Zeitung?“ Und die kannten die alle als ihre "Fachtageszeitung". Damals sind wir allerdings noch dreimal pro Woche erschienen, das kam dann einer Tageszeitung am nächsten. Dann habe ich mich beworben und sie haben mich auch genommen für das Ressort Unternehmen und Märkte. Das war eine sehr spannende Zeit und hat viel Spaß gemacht.

Was fasziniert Dich so an der Logistik?

Auf der einen Seite die Hands-on-Mentalität. Es geht darum, Waren schnell wegzuschaffen. Die Menschen sind oft einfach anpackend. Auf der anderen Seite ist es eben eine extrem wichtige Branche, die alles bewegt, die letztendlich dafür sorgt, dass der Welthandel funktioniert und die sehr komplexe Lieferketten gestaltet. Das ist schon eine hohe Kunst. Außerdem gibt es in der Logistik eine große Bandbreite an Unternehmen, vom kleinen Mittelständler bis zum Weltkonzern. Und die Themen wandeln sich immer wieder.

Chefredakteur der DVZ bist du seit April 2019. Wie war dieser Schritt für Dich und wie hat sich Dein Blick auf die DVZ dadurch verändert?

Ich war bereits einer der Stellvertreter, als ich zum Chefredakteur befördert wurde. Insofern wusste ich schon so ein bisschen, in welche Richtung das geht und was alles zu dieser Position dazugehört. Aber der Blick auf die DVZ hat sich natürlich schon nochmal verändert, weil man plötzlich das ganze Portfolio im Blick haben muss. Vorher hatte ich einen festen Bereich - die Seeschifffahrt - in dem ich mich bewegt habe. Aber als Chefredakteur hast Du alles irgendwie mit im Blick und versuchst, die wichtigsten Themen zu identifizieren - gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen. Insgesamt habe ich nun einen umfassenderen Blick auf die DVZ, mit allem was dazugehört.

Welche Entwicklungen haben die Logistikbranche seit Deinem Berufsstart am meisten geprägt?

Die Finanzkrise 2008 war einschneidend. Infolgedessen machte insbesondere die Containerschifffahrt eine Durststrecke durch. Sie dauerte rund zehn Jahre an, und Jahr für Jahr dachte man, dass könne doch nicht so weitergehen. Das kann doch nicht noch ein Jahr andauern und noch ein Jahr. Das wurde irgendwann fast ein bisschen einseitig. Jedes Jahr immer die gleiche Leier. Heute sieht es ganz anders aus: Die Linienreedereien sind momentan die Könige der Logistik. Das Blatt kann sich also durchaus schnell wenden.

Und welche sind heute die wichtigsten Entwicklungen?

Die ganz große Veränderung ist auch in der Logistik die Digitalisierung. Wir haben viele Start-ups in der Branche und auch neue Technologien, die wiederum neue Fragen aufwerfen. Aktuell steht zudem die Nachhaltigkeit sehr stark im Fokus. Die Logistik muss sich verändern und entsprechende Klimaziele erfüllen. Die Branche nimmt hier eine sehr wichtige Rolle ein, der sie gerecht werden muss.

 

Die nächste Generation

Die Logistik hat bekannterweise mit einem erheblichen Fachkräftemangel zu kämpfen. Ist das ein Problem, das Du auch für den Journalismus siehst?

Ja, das betrifft auch den Journalismus. Auch Zeitungen müssen kämpfen, um gute junge Leute für sich zu begeistern. Uns als DVZ ist das in den letzten Jahren noch sehr gut gelungen. Die Interviewerin kann sich da durchaus angesprochen fühlen. Aber auch wir müssen immer weiter schauen, wie man die Leute für die Arbeit in der Redaktion begeistert. Ich glaube, dass Journalismus grundsätzlich weiterhin attraktiv ist und ich würde mir wünschen, dass sich Nachwuchsjournalisten und Nachwuchsjournalistinnen noch stärker explizit mit dem Fachjournalismus beschäftigen und sehen, welche spannenden Felder es dort gibt.

Womit kann denn gerade der Fachjournalismus als Berufsfeld punkten?

Man kann wirklich tief in ein Themenfeld eintauchen und sich in seinem Fachbereich ein Netzwerk aufbauen. Viele haben die Vorstellung, dass Fachjournalismus etwas furchtbar Trockenes ist. Das ist zumindest bei der DVZ definitiv nicht so.

Eine der größten Veränderungen in der Medienbranche ist sicherlich die Nutzung von Social Media. Hat sich dadurch etwas an dem Kontakt zwischen Redaktion und Leserschaft verändert?

Ja, es ist natürlich deutlich schnelllebiger geworden und ich glaube, das ist grundsätzlich erst mal gut. Die Hürde zur Kommunikation zwischen Leser und Redaktion ist deutlich geringer. Es ist sehr einfach, einen Online-Kommentar zu schreiben oder auf einen Social-Media-Post zu reagieren. Das erhöht wiederum die Anforderungen an uns. Es war früher nicht unbedingt so, dass Journalisten ständig mit ihren Lesern kommuniziert haben. Man traf sich vielleicht mal auf einer Veranstaltung und hat dann miteinander gesprochen, aber diese schnelle Reaktion auf Leser-Feedback ist etwas Neues und damit müssen wir umgehen. Das gehört heute ganz klar zu unserem Job dazu.

Newsletter, Social Media, leistungsfähige Online-Auftritte von Unternehmen - die Konkurrenz in der Medienlandschaft wird immer größer. Wie sichert sich die DVZ ihren Platz in einem solchen Wettbewerbsumfeld?

Durch sehr, sehr gute Inhalte. Wichtig ist zum einen deren Auswahl und zum anderen dann die Qualität der Aufbereitung. Wir gehen tiefer rein in die Themen als der Wettbewerb. Wir müssen bei den übergeordneten Themen immer den Dreh finden, der für unsere Leser wichtig ist. Der Krieg in der Ukraine ist beispielsweise ein Thema, was uns und unsere Leser stark beschäftigt. Genauso die Corona-Pandemie. Aber wir müssen dann bei diesen Themen genau runterbrechen, was das für Spediteure, Logistiker und Verlader bedeutet. Welche Folgen hat das für sie? In der DVZ geht es dann nicht um allgemeine Fragestellungen, die man auch in der Tagespresse lesen kann. Und auch für uns gilt: Exklusive Nachrichten schaden nie. Unsere Nachrichten sollen immer relevant für den Leser sein. Nutzwert ist ganz wichtig. Denn die DVZ ist letztlich immer noch ein Arbeitsmittel für unsere Leser.

Wo siehst Du aktuell die größte Herausforderung für einen Chefredakteur eines solchen Fachmediums?

Den Überblick zu behalten! Wir erleben gerade außergewöhnliche Zeiten, auch in der Logistikbranche. Es gibt eine Vielzahl an Entwicklungen, die wiederum die Lieferketten extrem unter Druck setzen. Wir als Redaktionsteam müssen dann die wirklich relevanten Aspekte herausarbeiten. Die zweite große Herausforderung ist der Wandel in Richtung digitale Prozesse und digitale Arbeitsweisen. Dem müssen und wollen wir uns als Team stellen. Wie werden Nachrichten und Informationen eigentlich künftig konsumiert? Wie muss man die Inhalte für die einzelnen Kanäle richtig aufbereiten? Das sind die Fragen, die uns alle und natürlich auch mich als Chefredakteur beschäftigen.

Auch für uns eine ungewohnte Situation: DVZ-Chefredakteur Sebastian Reimann im Gespräch mit DVZ-Volontärin Amelie Bauer. (Foto: Martin Haag)

Das Auf und Ab der Redaktionsarbeit

Der Alltag einer Redakteurin oder eines Redakteurs ist mit vielen Deadlines und manchmal auch mit Zeitdruck verbunden. Was sind Deine persönlichen Highlights im Redaktionsalltag?

Die Redaktionskonferenz ist immer ein Highlight, weil wir dann alle zusammenkommen und über Inhalte und Ideen sprechen können – derzeit leider nur virtuell. Ich würde mir wünschen, dass wir sehr bald auch wieder persönlich öfter zusammenkommen können. Aktuell sind die persönlichen Kontakte in die Branche auch nach langer Zeit wieder Highlights für mich. Wieder auf Veranstaltungen zu gehen, mit Menschen persönlich zu sprechen. Das ist aus meiner Sicht das A und O gerade auch für uns als Fachredaktion.

Und was bringt Dich im Redaktionsalltag am meisten auf die Palme?

Wenn nicht so genau nachgehakt wird. Wenn man die Themen nur an der Oberfläche belässt und nicht bis zu deren Kern vordringt. Das sollte immer der Ansatz sein.

Und im normalen Arbeitsalltag? Da gibt es doch bestimmt etwas, das dich stört oder auch mal ärgert.

Ich bin mit unseren Abläufen grundsätzlich zufrieden, sie müssen aber natürlich laufend angepasst werden. Durch Corona mussten wir unsere Arbeitsweise vor zwei Jahren komplett auf digital umstellen. Dabei haben wir auch gemerkt, dass gewisse Arbeitsabläufe dann nicht mehr so funktionieren wie vorher. Aber auch da sind wir insgesamt gut durchgekommen und unsere Arbeitsprozesse waren über die gesamte Corona-Zeit sehr stabil. Doch dieser Change ist eine langfristige Aufgabe. Es wird in den kommenden Jahren noch einen großen Wandel geben. Aber das sorgt aktuell nicht für Ärger im Arbeitsalltag. Wir sind gut aufgestellt.

Was wollen denn unsere Leserinnen und Leser am häufigsten wissen, wenn sie Dich als Chefredakteur treffen?

Wie läuft's bei uns bei der DVZ?

Das ist ja eine sehr weit gefasste Frage.

Ja, das bezieht sich zum Beispiel sehr oft darauf, wie wir als Redaktion mit der Digitalisierung umgehen. Ich glaube, wir werden teilweise auch ein bisschen als Spiegel der Branche gesehen. Insofern zielt die Frage auch darauf ab, wie es bei uns ökonomisch läuft. Außerdem wird oft gefragt, wie wir gewisse Entwicklungen in der Branche sehen. Wir werden insgesamt als Fachmedium, aber auch die einzelnen Redakteurinnen und Redakteure, so wahrgenommen, dass man mit uns auf Augenhöhe reden kann. Wir agieren dann gerne als Sparringspartner für gewisse Themen.

Und was glaubst Du, was aus Dir geworden wäre, wenn Du nicht Journalist beziehungsweise Chefredakteur geworden wärst? Gibt es da einen Berufswunsch aus der Kindheit?

Ich habe früher sehr, sehr viel und gerne Basketball gespielt und wollte damals natürlich Profi-Basketballer werden. Dafür hat es aber bei weitem nicht gereicht. Aber meine Begeisterung war dafür fast unermesslich.

Welcher Rat (und von wem) hat Dir auf Deinem beruflichen Weg besonders weitergeholfen?

Es gab für mich ehrlich gesagt nicht den einen Rat und es gab auch nicht den einen Ratgeber. Verschiedene Personen haben mich geprägt. Menschen wie Björn Helmke, der Chefredakteur war, als ich bei der DVZ angefangen habe oder auch Peter Wörnlein, der damalige stellvertretende Chefredakteur. Zudem unser Chef vom Dienst Heinrich Klotz, mit dem ich am Anfang lange in einem Büro saß, oder auch Lutz Lauenroth, mein heutiger Stellvertreter. Sie haben mir beispielsweise geraten, sich bestmöglich in die Leser hineinzuversetzen und sich die Frage zu stellen, was für sie relevant ist. Diese Informationen muss man liefern.

 

Ausblick

Wie blickst Du angesichts der aktuellen Herausforderungen auf die Zukunft der Logistikbranche?

Insgesamt positiv. Wir haben alle gesehen, dass die Logistik in den vergangenen Monaten wieder an Relevanz und Wahrnehmung gewonnen hat. Jedem ist mittlerweile klar, dass ohne Logistik nicht viel möglich ist. Und wenn es Probleme in den Lieferketten gibt, etwa durch ein havariertes Schiff im Suezkanal oder einen Lockdown in China, dann wirkt sich das auch auf den Endverbraucher aus. Dann ist das Regal plötzlich leer. Logistik wird daher immer wichtig sein. Neue Märkte tun sich auf, andere Märkte verschwinden. Logistik ist immer da, wo Märkte miteinander verbunden werden müssen. Und insofern, glaube ich, muss man sich um die Zukunft der Branche keine Sorgen machen.

Letzte Frage, dann hast Du es geschafft: Was wünscht Du Dir für die Zukunft?

Dass der Krieg in der Ukraine möglichst bald endet. Das ist im Moment das Wichtigste. Dass es wieder einen Krieg in Europa geben würde, hätte ich mir ehrlich gesagt nie vorstellen können. Und es ist nicht absehbar, in welche Richtung sich dieser noch entwickelt. Allerdings zeichnet sich bereits ab, dass nichts mehr so sein wird, wie es einmal war. Also, auch wenn ich das Wort nicht mag, ist es tatsächlich eine Zeitenwende.

Für die Logistik wünsche ich mir, dass Nachhaltigkeit tatsächlich ein Geschäftsmodell wird. Denn der Klimawandel ist zumindest langfristig betrachtet die Herausforderung schlechthin. Nicht nur für die Logistik, sondern für die gesamte Gesellschaft. Und die Logistikbranche wird sich dem nicht entziehen können. Die Emissionen müssen schnell und massiv gesenkt werden. Ich hoffe die Logistik wird eine gute Rolle einnehmen, um für eine Klimawende zu sorgen. Und wenn damit im Idealfall auch Geld verdient wird, ist es auch nicht verwerflich, finde ich.

Und was ist dein Wunsch für Dich persönlich?

Ein bisschen mehr Gelassenheit. Ich beschäftige mich in meiner Rolle als Chefredakteur natürlich sehr viel mit Fragestellungen und Themen rund um die Logistik. Die Gedanken kreisen häufig um die DVZ. Da tut manchmal ein bisschen mehr Gelassenheit und Abstand ganz gut.

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