EU nimmt keine Raffinerieprodukte aus Russland mehr

Ab dem 5. Februar dürfen Diesel, Kerosin, Benzin, Heizöl und andere raffinierte Ölprodukte aus Russland nicht mehr in die EU eingeführt werden. Um Moskau zu zwingen, solche Produkte in andere Staaten in der Welt mit einem Preisabschlag zu verkaufen, legten die EU-Staaten und ihre G7-Partner am Freitag noch einen Preisdeckel fest, wie er auch schon für Rohöl gilt.

Das Ölterminal Sheskharis im russischen Schwarzmeerhafen Noworossijsk gehört zu den größten Umschlagplätzen für Rohöl und Ölprodukte in Südrussland. (Foto: IMAGO/SNA)

Fast ein Jahr nach dem russischen Angriff auf die Ukraine greifen ab dem 5. Februar weitere EU-Sanktionen gegen Moskau. Schon seit Anfang Dezember darf kein russisches Rohöl mehr per Schiff in die EU eingeführt werden, seit Anfang Januar verzichtet Deutschland auf Importe über die Pipeline Druschba. Nun will die EU auch keine Raffinerieprodukte wie Diesel, Benzin, Kerosin oder Schmierstoffe mehr aus Russland abnehmen.

Zudem legten die EU-Staaten in Absprache mit G7-Partnern am Freitagabend noch einen Preisdeckel für den Transport solcher Produkte aus Russland in Drittstaaten fest. Er liegt bei 100 US-Dollar pro Barrel für „Premiumprodukte“ wie Diesel, Kerosin und Benzin und bei 45 US-Dollar für „Discountprodukte“ wie Heizöl und Naphta (Rohbenzin), das etwa zur Herstellung von Flugzeugtreibstoff verwendet wird. Das alles soll es Präsident Wladimir Putin schwerer machen, seinen Angriffskrieg zu finanzieren. Zu erwarten sind aber auch Folgen für Deutschland.

Werden Diesel und Co. knapp, wenn nichts mehr aus Russland kommt?

„Die allgemeine Versorgungssicherheit und die Sicherheit der Versorgung mit Kraftstoffen ist gewährleistet“, versichert ein Sprecher von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Auch der Mineralölverband Fuels und Energie sieht keine Versorgungslücke. Es geht vor allem um Diesel. Rund 12,5 Prozent seines Verbrauchs deckte Deutschland laut Branchenverband 2022 aus Russland – trotz des Ukraine-Kriegs. Ersatz komme aus den USA, Westeuropa und dem arabischen Raum, teilt Fuels und Energie mit. Benzin werde nicht aus Russland importiert. Für den Notfall gebe es eine Kraftstoffreserve für 90 Tage.

Wird Diesel an der Zapfsäule teurer?

Das ist nicht ausgeschlossen. Zwar sagt der Düsseldorfer Energieexperte Jens Südekum: „Ich glaube nicht, dass wir dramatische Preissprünge sehen werden.“ Die nächste Embargostufe sei lange angekündigt gewesen. „In den vergangenen Wochen und Monaten haben wir an den wichtigen Häfen Rotterdam, Antwerpen oder Amsterdam regelrechte Hamsterkäufe gesehen“, berichtet der Ökonom. „Das heißt, man hat vor dem Embargo herangeschafft, was noch ging. Die Diesellager sind voll bis zum Anschlag. Das wird die Preisanstiege begrenzen.“

Thomas Puls vom Institut der Deutschen Wirtschaft weist aber darauf hin, dass Diesel auf dem Weltmarkt knapp sei. Wenn die EU nicht mehr in Russland kaufe, müsse der Treibstoff aus entfernteren Gegenden kommen, etwa aus Saudi-Arabien. Die Kapazität der Spezialschiffe sei begrenzt, die Wege seien länger, die Transporte somit teurer.

Warum sind in Ostdeutschland die Dieselpreise höher?

Bei der Versorgung Ostdeutschlands kommen zwei Effekte zusammen: die neue Embargostufe und die Tatsache, dass die Raffinerien in Schwedt und Leuna nicht mit voller Kapazität arbeiten. Das liegt daran, dass sie lange russisches Rohöl aus der Druschba-Pipeline bezogen und seit dem deutschen Importstopp ab Januar neue Bezugsquellen brauchen. Die PCK-Raffinerie in Schwedt war zuletzt mit Lieferungen über Rostock nur noch zu 55 Prozent ausgelastet. Sie hofft auf zusätzliche Mengen über Polen und aus Kasachstan.

Die niedrigere Produktion der beiden ostdeutschen Raffinerien mache sich regional bemerkbar, erklärt Fuels und Energie. Der Tankstellenpreis im Osten sei deshalb bei Benzin rund 2,5 Cent und bei Diesel rund 1 Cent je Liter höher als im Bundesdurchschnitt.

Wie viele Erdölprodukte importierte die EU zuletzt aus Russland?

Noch im Oktober 2022 exportierte Russland nach den jüngsten Zahlen des EU-Statistikamtes Eurostat Erdölerzeugnisse wie Diesel im Wert von mehr als 2,3 Milliarden Euro in die EU. Allein nach Deutschland gingen damals Produkte im Wert von rund 558 Millionen Euro.

Der russische Energieexperte Alexej Belogorjew bezweifelt, dass die EU das einfach so ersetzen kann. Allein an Diesel habe Russland bisher täglich 600.000 Barrel geliefert; die USA, Saudi-Arabien und Indien zusammen kämen auf 200.000 Barrel. Trotzdem erwarten Experten, dass die Sanktionen die russische Erzeugung von Erdölprodukten drücken werden – um 15 Prozent auf etwa 230 Millionen Tonnen in diesem Jahr. Ein Barrel entspricht 159 Liter.

Wie will die EU Preissteigerungen verhindern?

Wie schon beim Importstopp für Rohöl will die EU zusammen mit den neuen Einfuhrbeschränkungen einen Preisdeckel für russische Erdölprodukte durchsetzen. Das heißt, sie will gemeinsam mit G7-Partnern wie den USA Russland zwingen, diese Stoffe an Drittstaaten unter Marktpreis zu verkaufen. Funktionieren soll das so: Wichtige Dienstleistungen für die russischen Exporte – etwa Transporte durch westliche Reedereien oder die Versicherung von Transporten durch EU-Versicherer – sollen nur dann erlaubt sein, wenn die exportierten Güter nicht teurer als zu den festgelegten Maximalpreisen verkauft werden (100 Dollar oder 45 Dollar pro Barrel). Für Produkte, die vor dem 5. Februar gekauft wurden, gilt eine Übergangsperiode von 55 Tagen – die sogenannte Oil-on-the-water-Regel. Ziel der EU: Die Kombination aus Importstopp und Preisdeckel sollen Russlands Einnahmen „signifikant reduzieren“ und zugleich die globalen Preise stabilisieren. Aus Sicht von Habecks Ministerium hat dieses Rezept bisher funktioniert: „Der globale Ölpreis ist stabil, und die erzielten Preise für russisches Rohöl und damit die russischen Staatseinnahmen haben sich reduziert.“

Tut das Embargo Russland wirklich weh?

Niemand in Russland gibt Sanktionsschmerzen zu. Vielmehr betont die Führung in Moskau, dass sich das Öl auf dem Weltmarkt ohnehin vermische und sie andere Absatzwege finde – in Indien etwa. Allerdings muss Russland große Preisnachlässe gewähren, nach Südekums Angaben etwa 30 Prozent im Vergleich zu westlichen Ölsorten.

2022 sind Russlands Einnahmen aus dem Verkauf von Gas und Öl nach Angaben von Vize-Regierungschef Alexander Nowak noch um knapp ein Drittel gestiegen. Die Ausfuhr von Erdöl habe um 7 Prozent zugelegt. Das EU-Embargo gegen Rohöltransporte mit Tankschiffen griff aber erst zum 5. Dezember. Bei Gas gibt es kein Embargo, sondern Russland selbst hat die Exporte in die EU gedrosselt.

Nowak räumt Unsicherheiten ein im Blick auf künftige Einnahmen. Zugleich hofft Russland auf Milliardenerlöse aus Transitgebühren, wenn es statt eigenen Öls künftig das schwarze Gold aus der Ex-Sowjetrepublik Kasachstan durch die russische Druschba-Pipeline nach Deutschland durchleitet.

Wird das EU-Embargo eingehalten?

Russland hat nach einer Recherche des „Economist“ Wege gefunden, das Ölembargo zu umgehen. Demnach entwickelt sich ein Graumarkt mit eigenen Schiffs- und Versicherungskapazitäten, teils gestützt auf Garantien des russischen Staates. Gegen den internationalen Preisdeckel für Rohöl wehrte sich Putin mit der Anordnung, ab 1. Februar nicht mehr in Länder zu liefern, die ihn einhalten.

Bei der neuen Embargostufe sieht Ökonom Südekum neue Schlupflöcher: „Ein Haupteffekt des Embargos wird sein, dass russischer Diesel nicht mehr direkt in die EU gelangt, wohl aber indirekt. Russland liefert an Nationen wie Indien oder Saudi-Arabien, die das billige Öl einkaufen, in ihren Raffinerien verarbeiten und uns dann den Diesel verkaufen.“ Das sei nicht Sinn des Embargos. Aber selbst wenn es gelänge, diese Umgehung zu unterbinden, „dann wäre die Frage der Dieselpreise in Europa auch sicher kritischer“. Mit anderen Worten: Diese Einfuhren verhindern noch größere Knappheit in der EU. (dpa/fh)

 

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