Das kommt 2022: Logistik in der Fachkräfte-Falle

Corona bleibt auch 2022 für die Logistik bestimmend. Dennoch gilt es, den Blick zu weiten und sich drei strategisch wichtigen Themen zu widmen, fordert DVZ-Chefredakteur Sebastian Reimann.

Wer gehofft hat, mit dem neuen Logistikjahr könne die Corona-Pandemie nach beinahe zwei Jahren quasi ad acta gelegt werden, wird dieser Tage eines Besseren belehrt. Mit der Omikron-Variante beginnt das Spiel von vorne. Da das Virus so extrem ansteckend ist, kommen noch einmal harte Monate auf Wirtschaft und Gesellschaft zu. Kannten wir bisher „nur“ Störungen der Lieferketten, drohen nun Einschränkungen in wichtigen Bereichen der Grundversorgung, wenn sich womöglich zahlreiche Ärzte und Pflegekräfte, Feuerwehrleute, Polizisten, Mitarbeiter in der Energie- und Wasserversorgung und auch in der Logistik gleichzeitig krankmelden müssen.

Mit Corona leben lernen

Und dennoch dürfte 2022 das Jahr werden, in dem wir endgültig lernen, Corona als eine Art „New Normal“ zu akzeptieren. So sprechen Expertisen dafür, dass Omikron bereits eine endemische Variante des Virus ist. Noch einmal deutlich mehr Menschen werden sich anstecken, allerdings in der Regel einen schwächeren Krankheitsverlauf haben. Gelingt es, dies einigermaßen zu kontrollieren und zeitlich zu strecken, könnte Omikron bei aller Gefahr damit auch ein Ausweg sein.

Diesen Ausweg zu sehen, ist auch dringend nötig. So bestimmend Corona in diesem Jahr weiterhin für das tägliche Leben und das wirtschaftliche Geschehen sein wird, so wichtig ist es, über die Pandemie hinauszuschauen und sich drei zentralen strategischen Themen der Logistik zu widmen.

Da ist zum einen der Finanzierungsrahmen für die Unternehmen: Konjunkturforscher gehen davon aus, dass der Aufschwung weiter an Substanz gewinnt. Zugleich zeichnet sich ab, dass die Inflation auch 2022 deutlich höher als die eigentlich angestrebten 2 Prozent sein wird. Zwar werden die Zeiten billigen Geldes nicht abrupt enden. Die US-Zentralbank hat die Zinswende aber bereits eingeleitet – ein Signal, dass die steigende Teuerung nicht einfach so hingenommen wird. Dadurch werden die Finanzierungskosten für Unternehmen perspektivisch wieder steigen. Gerade für viele mittelständische Logistikdienstleister kann dies eine Herausforderung sein. Schließlich schieben viele angesichts der weiterhin notwendigen Digitalisierung der Prozesse einen Investitionsberg vor sich her.

Zweitens gewinnen Klimawandel und Nachhaltigkeit weiter an Bedeutung für die Logistik. Da sich der CO2-Preis per Jahresbeginn von 25 auf 30 Euro je Tonne erhöht hat, haben sich Transporte weiter verteuert. Der Schub ist zwar bei weitem nicht so groß wie zu Beginn des vergangenen Jahres. 20 Prozent Zuwachs sind aber auch keine Peanuts. Die Kunden daran gerecht zu beteiligen, ist in Zeiten ohnehin steigender Frachtraten eine harte Nuss. Zugleich steigen auch die Erwartungen der Verladerschaft in die Fähigkeit der Dienstleister, nachhaltige Transporte abbilden zu können. Emissionen zu messen, sauber auszuweisen und darauf basierend verschiedene Transportoptionen anbieten zu können, wird mehr und mehr zum zentralen Asset für Logistiker.

Die Personalfrage rückt ins Zentrum

Das alles überstrahlende Thema in 2022 wird allerdings der Fachkräftemangel sein. Zahlreiche Logistiker werden angesichts von Omikron womöglich schon in den kommenden Wochen einen akuten Mangel zu spüren bekommen. Der operative Schmerz dürfte auch im weiteren Jahresverlauf kaum geringer werden, da das Angebot an Lkw-Fahrern, Lageristen und Co. nicht mit der konjunkturell starken Logistiknachfrage mithalten kann.

Aber auch strategisch sind Personalfragen für die Logistikbranche so bestimmend wie für kaum einen anderen Sektor. So benötigt die Logistik auf der einen Seite immer höher und spezieller qualifizierte Mitarbeiter – Ingenieure, Datenanalysten, Softwareentwickler. Der Wettbewerb um die besten Köpfe dieser „professional class“, wie sie der Soziologe Andreas Reckwitz nennt, ist extrem hart. Dabei wird die Logistik leider vielfach als deutlich weniger attraktiv angesehen als andere Branchen in Deutschland und hat entsprechend Probleme, ihren Bedarf zu decken.

Auf der anderen Seite ist die Branche auch jene, die wie kaum eine andere auf Kräfte der „service class“ zurückgreift: also Lkw- und Paketfahrer, Lageristen oder auch Kommissionierer. Hier geht es um Fragen der gesellschaftlichen Anerkennung und des Branchenimages, aber auch um angemessene Entlohnung angesichts eines sehr starken Kostendrucks.

Die neue Bundesregierung hat sich klar der Klimawende verschrieben und strebt deutliche Fortschritte bei der Digitalisierung von Wirtschaft und Verwaltung an. So richtig diese Schwerpunkte sind, so wichtig wäre es gerade aus Sicht der Logistik, dass das Thema Fachkräftemangel mehr Raum bekäme. Ein modernes Einwanderungsrecht zu schaffen, sollte daher ein zentrales Projekt der Ampel schon in den ersten Monaten der neuen Legislaturperiode sein.

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