Fahrermangel: „Wir haben leider keine Ersatzbank wie der FC Bayern“

Fallen Fahrer im Schwergutsektor kurzfristig aus, ist die Suche nach einem Ersatz umso schwieriger. Im Kampf gegen den Personalmangel greifen immer mehr Logistiker auf die sozialen Medien zurück. Gleichzeitig verschärft die Bürokratie das Problem.

Es ist deutlich komplexer, einen Schwerlast-Lkw zu fahren als einen konventionellen Lkw. Das macht die Personalsuche noch schwieriger. (Foto: imago/ Marc John)

Der Mangel an Lkw-Fahrern in Deutschland spitzt sich weiter zu. Schon jetzt fehlen nach Einschätzung von Dirk Engelhardt, Vorstandssprecher des Branchenverbands BGL, zwischen 80.000 und 100.000 Fahrer. Auch Großraum- und Schwerguttransporte sind von diesem Mangel nicht ausgenommen, obgleich die Datenlage speziell in diesem Bereich sehr dünn ist.

„Das Problem ist das gleiche wie bei allen anderen auch. Nur natürlich noch mit dem Handicap, dass wir nicht jeden Fahrer aus dem konventionellen Bereich auf einen Schwertransport setzen können“, weiß Holger Dechant, Geschäftsführer des Paderborner Branchenführers Universal Transport.

Um einen Schwertransport durchführen zu können, braucht es neben den Führerscheinklassen C/CE noch jede Menge Spezialwissen, das über verschiedene Fortbildungen nach der klassischen dreijährigen Ausbildung zum Berufskraftfahrer erworben werden kann. Hinzu kommen oft aufwendige Planungen der Transporte, inklusive bürokratischer Hürden wie Genehmigungsverfahren oder die Organisation von Begleitfahrzeugen und Polizeischutz zur Absicherung der Transporte – für die ebenfalls wieder Fahrer benötigt werden.

Die Folge: Fällt ein Fahrer oder eine Fahrerin kurzfristig aus, ist die Suche nach einem Ersatz umso schwieriger. „Vor kurzem hatten wir eine schwere Fracht mit über 200 Tonnen zu transportieren, und der Fahrer hatte 39 Grad Fieber und Corona. In dem Moment kann es leider schon mal sein, dass der Lkw stehen bleiben muss, weil man aus Sicherheitsgründen nicht jeden anderen Kollegen auf so ein Fahrzeug setzen kann“, erzählt Dechant und fügt scherzend hinzu: „Wir haben leider keine Ersatzbank wie der FC Bayern München.“

Geld, Image, Arbeitsbedingungen

Um die „Fahrermannschaft“ in Deutschland wieder mit ausreichend Nachwuchs versorgen zu können, gilt es einige Baustellen endlich zu beseitigen. Der Beruf des Kraftfahrers ist geprägt von einem schlechten Image, schlechten Arbeitsbedingungen wie fehlenden Parkplätzen und mangelnder Bezahlung – obgleich Schwertransporte in der Regel besser vergütet werden als es bei konventionellen Transporten der Fall ist.

„Je größer der Lkw, desto höher ist auch das Gehalt“, sagt Dechant. Seiner Meinung nach sollte den Fahrern aber deutlich mehr Gehalt zustehen, als es aktuell der Fall ist. „Das Problem ist nur: Wir müssen das Geld von unseren Kunden auch erst mal bekommen, sonst funktioniert die Rechnung nicht lange. Es wird immer gejammert, es gibt keine Fahrer, aber keiner ist bereit, mehr Geld auszugeben.“

Hinzu kommen die nächtlichen Arbeitszeiten, die sowohl für viele junge Menschen als auch Familien ein Problem darstellen. Sie haben zur Folge, dass fertig ausgebildete Fachkräfte in andere Bereiche wie beispielsweise zur Müllabfuhr abwandern. Insgesamt sei die Bindung an den Arbeitgeber im Schwergutbereich aber deutlich höher als bei allgemeinen Transportunternehmen, meint Helmut Schgeiner, Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Schwertransporte und Kranarbeiten (BSK).

„Je größer der Lkw, desto höher ist auch das Gehalt." Holger Dechant, Universal Transport

Verschärft wird die Situation durch bürokratische Engpässe. So werden durch neue Regelungen für Begleitfahrzeuge zusätzliche Fahrerkapazitäten gebunden, klagt der Verbandschef.

Mit Papa am Steuer

Um trotz alledem neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Branche zu gewinnen, setzen immer mehr Unternehmen verstärkt auf Social Media. Auf Plattformen wie Facebook, LinkedIn und vor allem Instagram werben sie mit Fotos von Schwertransporten und großen Fahrzeugen und versorgen ihre Community unter anderem mit Informationen zu Ausbildungsmöglichkeiten oder sonstigen freien Stellen.

Universal Transport wirbt zusätzlich in einem Recruiting-Video mit Aufnahmen von jungen Mitarbeitenden, einem Pausenraum inklusive Kickertisch, E-Bikes und Ladesäulen für Elektroautos. Deutlich hervorgehoben werden die Themen der Zukunft: Nachhaltigkeit, Digitalisierung sowie internationale Möglichkeiten innerhalb des Unternehmens. Faktoren, die neben einer fairen Bezahlung und einer guten Work-Life-Balance gerade für junge Menschen eine besondere Relevanz bei der Jobsuche haben.

Aber auch das persönliche Umfeld kann einen entscheidenden Einfluss auf die Berufswahl haben, zeigt nicht zuletzt ein Aktionstag der österreichischen Felbermayr–Gruppe. Fragt man Berufskraftfahrer nach ihren Beweggründen für den Job, so lautet die Antwort nicht allzu selten: Mein Vater war Lkw-Fahrer, und ich bin früher oft mitgefahren.

Mit der Aktion „Ich geh mit“ wirbt Felbermayr in den sozialen Medien mit Fotos von fröhlichen Kindern, die einen Tag lang die Arbeitsplätze ihrer Eltern und Verwandten in Beschlag nehmen dürfen.

Doch um den Fahrermangel zu bekämpfen, reicht es nicht aus, neue Mitarbeiter bloß erfolgreich anzuwerben; man muss sie auch langfristig im Unternehmen und in der Branche halten. Gerade auf Unterhaltungsplattformen wie Instagram haben es Fachnischen wie der Schwertransport in der Regel schwer, die Reichweite zu erlangen, die es für den Kampf gegen den Fachkräftemangel brauchen würde. „Was ich mir wünsche ist, dass Politik, Verlader und Spediteure näher zusammenrücken“, sagt Dechant. „Wenn das nicht passiert, wird die Situation schwierig bleiben.“

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