Supply Chain: Das sind die angesagtesten Trends und Strategien

Jedes Jahr veröffentlichen die Experten von Gartner eine Hype-Zyklus-Kurve für Supply-Chain-Strategien. Aktuell befindet sich der Trend zu resilienteren Lieferketten auf dem Höhepunkt der überzogenen Erwartungen. Drei Themen haben die Experten 2022 neu aufgenommen.

Illustration: Carsten Lüdemann

Mit dem „Hype Cycle for Supply Chain Strategy“ bildet das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Gartner jedes Jahr die wichtigsten und derzeit angesagtesten Techniktrends und Strategien im Supply Chain Management ab. Die Hype-Zyklus-Kurve soll die übliche Entwicklung von Innovationen bis zur Marktreife darstellen. Der höchste Punkt ist der sogenannte Gipfel der überzogenen Erwartungen. Die Phase davor wird als Innovationsauslöser bezeichnet. Nach dem Gipfel eines Hypes folgt in aller Regel das Tal der Enttäuschungen. Die beiden letzten Phasen im Zeitverlauf sind der Pfad der Erleuchtung und schließlich die Produktivitätsebene, die zugleich den Durchbruch bedeutet.

Resilienz und Kostenoptimierung

Mit Blick auf den Hype-Zyklus 2022 befindet sich zum Beispiel das Thema Supply-Chain-Resilienz – wie bereits im Vorjahr – auf dem Höhepunkt der überzogenen Erwartungen. Und erst in fünf bis zehn Jahren werde hierbei das Plateau der Produktivität erreicht, schreiben die Gartner-Experten. Haupthindernisse für die Einführung seien der hohe Investitionsbedarf und die Schwierigkeit, einen messbaren Return on Investment zu erzielen.

„Das heutige Ausmaß an Störungen in den globalen Lieferketten und die Preisinflation haben die bisherigen Vorstellungen von widerstandsfähigen Abläufen verändert“, sagt Noha Tohamy, Supply-Chain-Analystin bei Gartner. Herausforderungen wie aktive Konflikte, Unwetter, Cyberkriminalität oder handelspolitische Unsicherheiten führen ihr zufolge dazu, dass eine verbesserte Resilienz der Lieferketten inzwischen eine besonders hohe Priorität bei den Unternehmen hat. Gleichzeitig bleibe aber der Druck zur Kostenoptimierung bestehen.

Investitionen in aufstrebende Technologien wie Blockchain und fortschrittliche Datenanalysen, um Erkenntnisse zu gewinnen und die Entscheidungsfindung zu verbessern, werden laut Gartner auf dem Weg zu mehr Resilienz für Unternehmen unerlässlich sein. Die Führungskräfte stehen damit vor der Herausforderung, Investitionen in bestimmte Techniktrends und Strategien mit unterschiedlichem Reifegrad so aufzuteilen, dass die Ziele der Kostenoptimierung erreicht und gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit der Lieferkette verbessert wird.

Deutscher Logistik-Kongress: „Supply Chains matter!“

Das Motto beim Deutschen Logistik-Kongress 2022 lautet „Supply Chains matter!“. Das Programm reicht von übergeordneten geostrategischen Fragestellungen über den Weg zur Klimaneutralität bis hin zu konkreten Digitalisierungsansätzen und resilienten Lieferketten. Inzwischen sei klar, schreibt die Bundesvereinigung Logistik (BVL) zum Leitgedanken des Kongresses: „So wie vor den derzeitigen Störungen in den Lieferketten wird es nicht mehr werden.“ Resilientere Lieferketten erforderten in vielen Prozessen radikales Umdenken – „nicht zuletzt von der bisherigen Priorität ‚Kosten‘ hin zu den neuen Prioritäten ‚Verlässlichkeit‘ und „Nachhaltigkeit‘“. So steht das Kongressmotto und auch das Thema Resilienz zum Beispiel bei einer Podiumsdiskussion am Mittwoch im Fokus. Klaus Buchwald von Infineon, Marie Langer von EOS, Armin Köller von Metro Logistics sowie Hans Thalbauer von Google diskutieren unter anderem darüber, welche Schlüsse Logistikverantwortliche aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre ziehen müssen.

Datenanalysen im Tal der Tränen

Beim Thema Blockchain zeigt sich im Vergleich zur Kurve von 2021, dass es mit der Technik langsam aber sicher ins Tal der Enttäuschungen geht. In diesem Tal der Tränen befinden sich bereits das Supply-Chain-Risikomanagement sowie Predictive und Prescriptive Analytics und passend dazu das maschinelle Lernen.

Die Präskriptive Analyse gilt als die Königsdisziplin im Bereich der Datenanalyse. Hier wird aus Daten keine Funktion gelernt, die eine Prognose liefert, sondern es wird auf Grundlage zahlreicher Parameter gleich die optimale Entscheidung ermittelt. Man spart sich damit den Schritt der Prognose und theoretisch auch des manuellen Eingriffs. Dabei werden Optimierungsmodelle mit maschinellem Lernen eingesetzt.

Prescriptive Analytics eignet sich bei routinemäßigen Entscheidungen, die auf sehr regelmäßiger Basis mit einem relativ hohen Aufwand getroffen werden müssen. Dazu gehört das Bestandsmanagement, also wenn es zum Beispiel um optimale Bestellmengen und Sicherheitsbestände geht, oder das Transportmanagement und hier die Frage, welche Kapazitäten benötigt werden. Auch Personal und Instandhaltung sind mögliche Bereiche. Die Entscheidungen werden dabei alle unter mehr oder weniger Unsicherheit getroffen. Unsicher ist zum Beispiel die Nachfrage oder sind Transport- und Wiederbeschaffungszeiten, Zeiten in der Fertigung sowie Produktionsausfälle.

Prescriptive Analytics könnte nach Einschätzung von Gartner in fünf bis zehn Jahren die Produktivitätsebene erreichen. Das gilt auch für Themen wie die Kreislaufwirtschaft, den digitalen Supply-Chain-Zwilling, die Blockchain oder das Risikomanagement.

Künstliche Intelligenz (KI) wird laut Gartner noch einige Zeit brauchen, um ausgereift zu sein. KI wendet fortschrittliche Analyse- und logikbasierte Techniken an, darunter maschinelles Lernen, um Ereignisse zu interpretieren, Entscheidungen zu unterstützen und zu automatisieren sowie Maßnahmen zu ergreifen.

Die drei Neuzugänge

Drei Themen haben die Experten neu aufgenommen. „Die Ergänzungen zeigen, wie Technologie und ein anderes Verständnis von Arbeit und Zusammenarbeit die Lieferketten verändern“, merkt Tohamy an.

  • Ein Machine Customer, also ein Maschinenkunde, ist ein nicht-menschlicher Wirtschaftsakteur, der Waren oder Dienstleistungen gegen Bezahlung erwirbt. Beispiele hierfür sind mit dem Internet der Dinge (IoT) verbundene Geräte, die selbstständig Bestellungen aufgeben, Algorithmen für die Wiederauffüllung, die die Verfügbarkeit von Verbrauchsgütern aufrechterhalten, und intelligente Assistenten, die den Verbrauchern Angebote vorschlagen.
  • Mit dem Begriff Ecosystem Partnerships, also Ökosystem-Partnerschaften in der Lieferkette, ist eine große Gemeinschaft unabhängiger Organisationen, die Fähigkeiten gemeinsam nutzen und kombinieren und gleichberechtigte Beziehungen entwickeln, um für alle Teilnehmer einen Mehrwert zu schaffen und auszutauschen. Das Netzwerk kann sich laut Gartner zu einem Branchen-Ökosystem entwickeln, wenn es versucht, den gemeinsamen Wert zu steigern, um Ziele zu erreichen, die über Effizienz und Service hinausgehen und zu Risikominderung, Innovation und gemeinsamen Zielen wie der Bekämpfung des Klimawandels führen.
  • Hybrid Work, also hybride Arbeit, bedeutet, dass zumindest einige Tätigkeiten an jedem beliebigen Ort ausgeführt werden können, in der Regel über einen Laptop oder ein mobiles Gerät. Bei der hybriden Arbeit können die Mitarbeitende von einem Unternehmensstandort, von zu Hause aus oder von sogenannten dritten Räumen wie Kundenstandorten, Flughäfen oder Cafés aus arbeiten.

Gartner sieht den Hype Cycle als Werkzeug, das Supply-Chain-Chefs nutzen können, um verfügbare Optionen zu bewerten und zu entscheiden, wie viel sie wo investieren wollen. In ein aufstrebendes Thema aus der Phase „Innovationsauslöser“ zum Beispiel sollten nur begrenzt Investitionen für ein Pilotprojekt fließen. Zudem kann es sein, dass ein Thema aus dem unteren Teil des Hype-Zyklus eine Neubewertung rechtfertigt.

Dieser Artikel ist erstmals am 12. September 2022 auf DVZ.de erschienen. Wir wiederholen den Beitrag anlässlich des Deutschen Logistik-Kongresses in Berlin.

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