Logistikweise raten zu mehr Partnerschaft und Transparenz

Unternehmen spüren derzeit Nachfrageunsicherheit, Fachkräftemangel und Kostendruck. Für Unternehmen und Politik haben die Logistikweisen nun Empfehlungen formuliert. Unter anderem sprechen sie sich bei der Personalgewinnung für ein differenziertes Recruiting aus.

Prof. Christian Kille (stehend) beim Gipfeltreffen der Logistikweisen im September. Er verantwortet die Methodik des Gremiums, das er selbst mit initiiert hat. (Foto: Julia Pfeifer Photography)

Ende September tagten die Logistikweisen in Baden-Baden. Anders als bei den Herbsttreffen des Gremiums in der Vergangenheit stand dieses Mal keine Prognose für das kommende Jahr im Mittelpunkt. Denn die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind zu unsicher, um eine verlässliche Voraussage über die Entwicklung des Wirtschaftsbereichs Logistik zu treffen. Daher erarbeitete die Expertenrunde Ansätze, wie sich Unternehmen auf die derzeitige Situation und die kommenden Monate einstellen können. Das Gremium setzte sich in Baden-Baden aus Vertretern aus Industrie, Handel, Dienstleistung, Beratung und Wissenschaft zusammen.

Derzeit sind in den Betrieben vor allem Nachfrageunsicherheit, Fachkräftemangel und Kostendruck zu spüren. Der nachlassenden Nachfrage aus Industrie und Handel könnten Dienstleister mit einer stärkeren Kundenbindung begegnen, empfehlen die Logistikexperten. Die Kundenbeziehungen müssten dem volatilen Marktumfeld angepasst werden. Das bedeutet beispielsweise eine Flexibilisierung von Verträgen.

Just in Time heißt nicht sofort

Vor dem Hintergrund der Lieferkettenprobleme sollte Just-in-Time nicht mehr gleichgesetzt werden mit „sofort“. Notwendig sei eher eine kundenzentrierte Gestaltung der Services, welche die Lieferfähigkeit und somit Produktionssicherheit gewährleistet. Außerdem sollten Partnerschaften angestrebt werden, die ein „belastbares Forecasting durch akteursübergreifende Transparenz“ ermöglichen. Insgesamt sollten Produktion, Logistik und Handel stärker verzahnt werden.

Eine zentrale Frage ist sicherlich, wie dem Kostendruck standgehalten werden kann. Konzentration auf das Kerngeschäft durch produktivitätssteigernde Investitionen, ist ein Ansatz, den die Logistikweisen empfehlen. Gemeint sind Investitionen in Automatisierung, Digitalisierung, Energiesparmaßnahmen und Personal. Zugleich müsse ein stärkeres Kostenbewusstsein bei allen Beschäftigten erreicht werden. Dazu ist die Belegschaft in Unternehmens- und Kostenentwicklung mit offener und transparenter Kommunikation einzubinden. Ideenbörsen können von innen heraus zu passenden Lösungen führen, die sehr gut zum Unternehmen passen. Kostentreiber sind zu identifizieren und Maßnahmen dagegen zu ergreifen. Weitere Ansätze können mobiles Arbeiten, Homeoffice und eine Reduzierung der Büroflächen sein.

Allerdings darf man durch überzogene Sparmaßnahmen auch kein Personal verprellen – gerade in Zeiten, in denen Fachkräfte schwer zu finden sind. Vielmehr sollten die Unternehmen attraktive Rahmenbedingungen schaffen. Für das Fahrpersonal kann beispielsweise die Umsetzung von Trailerkonzepten oder zeitlich stärker entkoppelten Ladezeiten sinnvoll sein. Insgesamt ist eine größere Wertschätzung der Beschäftigten ratsam. Dazu gehört mitunter, Mitarbeiter bei der Suche nach einer Unterkunft oder Behördengängen zu unterstützen.

Differenziertes Recruiting

Unternehmen sollten eine beschäftigtenorientierte Personalstrategie umsetzen. Dazu gehören Recruiting-Ansätze, die differenziert sind nach Generationen und Potenzialgruppen wie Quereinsteiger oder ausländische Fachkräfte. Perspektiven durch Aus- und Weiterbildung sollten ebenso gegeben sein wie differenzierte Bindungsprogramme. Zu einer modernen Unternehmenskultur gehört nach Einschätzung des Expertenkreises ein Wandel des Führungsverständnisses, transparente Kommunikation und die Einbindung der Beschäftigten in Entscheidungen.

Für die Politiker haben die Logistikweisen um Prof. Christian Kille ebenfalls einige Ratschläge. Grundsätzlich werden von der Politik gezieltere und schnellere Entscheidungen erwartet. Konkret heißt das, Planungs- und Genehmigungsprozesse zu beschleunigen, um die langfristige Planungssicherheit des Logistikstandorts Deutschland zu gewährleisten. Entscheidungen sollten vermehrt die Parlamente treffen und nicht die Gerichte, fordern die Logistikweisen. Auf allen Ebenen werden mehr Planungskapazitäten benötigt. Infrastrukturprojekte sollten mittels eines durchgängigen Zweischichtbetriebs schneller umgesetzt werden. Dazu kann ferner ein intelligentes Baustellenmanagement mit Abstimmung zwischen Straße und Schiene dazu beitragen, die knappen Ressourcen optimal einzusetzen. Ferner wird der Ausbau der Digitalisierung insbesondere in ländlichen Gebieten mit logistischen Aktivitäten für ein zeitgemäßes Verkehrsmanagements angemahnt.

Mehr Zustimmung angestrebt

Ebenso sollte der Aufbau von Ladeinfrastruktur für E- und H2-Fahrzeuge in Kooperation mit privaten Unternehmen schneller geschehen. Um mehr Zustimmung in der Öffentlichkeit für Infrastrukturprojekte zu gewinnen, bräuchten Kommunen Leitfäden. Ferner müsse auf Bundesebene die Abstimmung zwischen Verkehrs- und Wirtschaftsministerium verbessert werden.

Planungssicherheit benötigen die Akteure der Logistik zudem hinsichtlich des Lieferkettengesetzes. Diesbezüglich ist den Logistikweisen zufolge die Formulierung konkreter und differenzierter Anforderungen seitens der Politik notwendig.

Weiterer zentrale Empfehlung an die Politik ist, die Energiesicherheit in der Logistik zu gewährleisten (Energiepakt Logistik). Schwerpunkt sollte dabei auf kleinen und mittleren Unternehmen liegen. Die Modernisierung bestehender Logistikimmobilien und Fahrzeuge sollte die Politik verstärkt unterstützen. Und auch gegen den Fachkräftemangel sollte die Politik engagierter vorgehen, beispielsweise durch einen – nicht näher definierten – Ausbildungspakt Logistik oder eine gezielte Zuwanderung in Form eines Einwanderungsgesetzes.

Der Wirtschaftsbereich Logistik spürt derzeit die drohende Rezession und bestehende Inflation deutlich. Nach Einschätzung der Logistikweisen wächst die Logistik 2022 aufgrund steigender Kosten und Preise zwar nominal um 8,5 Prozent. Die reale Steigerung ist allerdings mit 0,5 Prozent nur gering. Im kommenden Frühjahr will das Gremium eine Prognose für 2023 abgeben.

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