Spediteure rekrutieren Fahrer aus dem Kosovo

Ein Pilotprojekt im Saarland wirbt Berufskraftfahrer aus dem Kosovo an, um die Versorgungslücke hinter Steuer von Lastwagen aktiv zu bekämpfen. Ist das Konzept erfolgreich, soll es ausgeweitet werden. Auch der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung zeigt Interesse.

Foto: djedzura/Istock

Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, ist Kreativität gefragt. Wie bei einem unkonventionellen Projekt, das aktuell im Saarland durchgeführt wird. Dort haben sich vier Spediteure, ein Bildungsträger sowie der Landesverband Verkehrsgewerbe zusammengeschlossen, um Berufskraftfahrer aus dem Kosovo anzuwerben. Denn auch wenn die Ausbildungszahlen für Berufskraftfahrer in Deutschland weitgehend stabil sind, wird der Bedarf selten gedeckt, wie aus einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung hervorgeht.

Demnach kamen 2019 56 arbeitslose Lkw-Fahrer auf 100 freie Stellen. 2020 verdoppelte sich dieser Wert auf 109. Das ist lediglich ein temporärer Anstieg, der sich auf die pandemiebedingt gesunkene Anzahl offener Stellen zurückführen lässt, erläutern die Autoren der Studie. Zuletzt habe sich die Situation wieder verschärft: So gab es im Oktober 2021 laut Berechnungen des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung am IW nahezu 12.000 offene Stellen für Berufskraftfahrer.

Hoher Migrantenanteil bei Fahrern

Ohne ausländische Fahrer wäre die Lage noch dramatischer, wie die Studie zeigt. Denn mehr als ein Viertel aller Berufskraftfahrer in Deutschland sind Migranten oder Geflüchtete. Knapp 133.000 Beschäftigte oder 23,6 Prozent aller Fahrer haben eine ausländische Staatsangehörigkeit. Weitere 2.716 oder 3,1 Prozent sind Geflüchtete. Es scheint also durchaus großes Interesse an der Profession vorhanden zu sein, allerdings eher unter Aus- als Inländern.

Das gilt insbesondere für Kosovaren, die 2020 die dritt meisten Anträge (12.939) für Aufenthaltsverfahren in Deutschland stellten. Das ist auch auf die Westbalkan-Regelung zurückzuführen. Diese wurde im Januar vergangenen Jahres durch eine Nachfolgeregelung verlängert. Sie ermöglicht Staatsangehörigen der Westbalkan-Staaten – Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien und Serbien – einen privilegierten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt. Für die Einreise nach Deutschland sind ein verbindliches Arbeitsplatzangebot sowie ein nationales Visum notwendig. Allerdings darf sich um die freie Stelle kein bevorrechtigter Bewerber, also arbeitssuchende Deutsche oder EU-Bürger, bemühen. Der Verdienst und die Beschäftigungsbedingungen dürfen zudem nicht schlechter sein als bei einem vergleichbaren Arbeitgeber.

Ein verheißungsvolles Projekt

Bei dem Projekt im Saarland, mit dem der Fahrermangel bekämpft werden soll, übernimmt der Bildungsträger Christliche Erwachsenenbildung (CEB) diese bürokratischen Arbeiten. Initiator ist Theo Dubois, Geschäftsführer bei CEB. Das Projekt stecke zwar noch in den Kinderschuhen, sagt er, dafür gebe es aber Erfahrungswerte aus vergleichbaren Projekten in der Pflegebranche, die verheißungsvoll sind.

Vor zwei Jahren konnten 22 Pflegekräfte aus dem Kosovo in einer deutschen Ausbildungsstelle untergebracht werden. Im Jahr darauf waren es bereits 52. „Dann kamen wir darauf, das Projekt auf andere Berufsgruppen auszuweiten, die stark vom Fachkräftemangel betroffen sind“, erklärt Dubois. In Zusammenarbeit mit Armin Rein, Präsident des Landesverbandes Verkehrsgewerbe Saarland und Geschäftsführer der Spedition Rein, sei die Idee entstanden, Berufskraftfahrer anzuwerben. Dafür mussten zunächst Spediteure oder Transportunternehmer gefunden werden, die ihre freien Stellen nicht besetzen konnten und zudem bereit waren, den angeworbenen Fahrern aus dem Kosovo einen Arbeitsvertrag zu geben. Das sei kein Problem gewesen, sagt Dubois.

Anschließend sei derselbe Kontakt im Kosovo bemüht worden, der bereits zur Vermittlung von Pflegekräften diente. Dabei handele es sich um einen guten und verlässlichen Partner, der vor einigen Jahren selbst in Deutschland lebte und arbeitete, bevor er freiwillig wieder in den Kosovo zurückkehrte. Damals habe er bereits erkannt, dass es hierzulande künftig einen Fachkräftemangel geben werde, und entwickelte daraufhin ein Geschäftsmodell, erklärt Dubois: „Er sucht interessierte Arbeitskräfte, die sowohl die Motivation als auch die Qualifikation mitbringen.“ Im Klartext heißt das, dass ein gleichwertiger Abschluss vorhanden sein muss – im Pflegebereich zum Beispiel die Mittlere Reife – und der Interessierte einen selbst finanzierten Deutschkurs (B1) über ungefähr 400 bis 500 Lernstunden vor der Einreise nach Deutschland absolvieren muss. Das ist eine Investition, die mehreren Monatsgehältern im Kosovo entspricht.

Voraussetzungen für die Einreise

Seit Anfang November drücken nun 18 künftige Berufskraftfahrer zwischen 25 und 35 Jahren die Schulbank im Kosovo, um Deutsch zu lernen. Wenn sie bestanden haben, dürfen sie einreisen. Daraufhin gilt es, eine beschleunigte Grundqualifikation im Unternehmen zu absolvieren. Dazu gehört auch der Erwerb eines Lkw-Führerscheins, selbst wenn im Kosovo bereits eine Prüfung bestanden wurde. Diese wird in der Bundesrepublik nicht anerkannt. Zumindest noch nicht. Denn das Bundesministerium für digitale Kommunikation und Verkehr möchte die Führerscheinprüfungsverordnung dahingehend ändern, dass die Umscheibung von Führerscheinen aus Albanien, Moldawien, Großbritannien, Nordirland und dem Kosovo prüfungsfrei erfolgen kann. Eine entsprechende Verordnung liegt dem Bundesrat zur Abstimmung vor. Wird diese angenommen, würde das den Arbeitsmarktzugang zusätzlich erleichtern.

Kostenintensiv, aber lohnenswert

Nun lösen 18 aus dem Kosovo angeworbene Fahrer den Fachkräftemangel in Deutschland nicht. Aber es kann eine Alternative in der Rekrutierung sein, meint Armin Rein, der mit seiner Spedition am Pilotprojekt teilnimmt. Das Projekt sei zwar sehr aufwendig und kostenintensiv, aber eben auch lohnenswert: „Wir helfen bei der Wohnungssuche, stellen Startkapital zur Verfügung und vergüten die beschleunigte Grundausbildung oberhalb des Mindestlohns. Das ist natürlich nicht ganz günstig, aber wir sind überzeugt von diesem Projekt und wollen das jetzt einfach durchziehen“, sagt Rein.

Per Videokonferenz tauscht sich der Spediteur regelmäßig mit seinen Fahrern in spe aus und lobt die sprachlichen Fortschritte, die er beobachte. „Die haben richtig Lust auf den Job“, sagt er und stellt klar, dass kein Pendlermodell angestrebt werde, sondern die Menschen mittelfristig umsiedeln sollen und wollen. „Wir betreiben hier eine gezielte Einwanderungspolitik, wenn man so will. Die angeworbenen Fahrer werden bei uns voll integriert. Sie erhalten dieselben Rechte und Pflichten wie alle anderen Mitarbeiter.“

Sollte das Projekt erfolgreich verlaufen, will Rein es fortsetzen und ausweiten: „Wir hoffen, dass weitere Unternehmen sich überzeugen lassen und das Projekt Schule macht. Eine staatliche Förderung wäre im Erfolgsfall ebenfalls wünschenswert.“ Auch beim Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung beobachte man das Projekt mit großem Interesse und fordert diesbezüglich von der Bundesregierung: „Das muss einfacher gehen! Wir brauchen praktikable und unbürokratische Regelungen, mit denen dem grassierenden Lkw-Fahrermangel zu Leibe gerückt werden kann.“

Ihr Feedback
Teilen
Drucken

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt DVZ oder DVZ-Brief 4 Wochen kostenlos testen

Nach oben