Lkw-Hersteller auf dem Öko-Trip

Der Straßengüterverkehr wandelt sich: Das Aus des Diesel-Lkw ist nur noch eine Frage der Zeit. Auch die großen europäischen Lkw-Hersteller haben zur IAA Transportation 2022 die Weichen gestellt.

Eine gute Lösung für verschiedene Einsatzbereiche wäre ein elektrisch betriebener, autonomer Lastzug. (Foto: Volvo)

Mit dem Umstieg auf alternative Antriebe haben sich die etablierten Lkw-Hersteller schwergetan. Doch nachdem die Kinderkrankheiten der neuen Fahrzeuggenerationen überwunden sind, kommt langsam Schwung in den Markt. Dennoch hinken große Player wie Daimler, MAN oder Volvo den agilen Newcomern hinterher. Doch sie können auf einen Vorteil hoffen: Sind ihre Modelle serienreif, können sie in verhältnismäßig kurzer Zeit in größeren Stückzahlen produziert werden.

MAN: E-Lkw für den Fernverkehr

Der Münchner Lkw-Hersteller MAN setzt konsequent auf die batterieelektrische Antriebslösung für die schweren Lkw. So zeigt das Unternehmen auf der IAA Transportation erstmals den seriennahen Prototypen eines rein elektrisch betriebenen Großserien-Lkw für den Fernverkehr. Der soll 2024 auf den Markt kommen und eine Tagesreichweite zwischen 600 und 800 Kilometern bieten.

Nach Aussagen von MAN soll der E-Lkw seinem Diesel-Pendant hinsichtlich der Anwendungsvielfalt und möglichen Aufbaukonzepten in nichts nachstehen: Der CO2-freie Ferntransport von gekühlten Lebensmitteln soll damit ebenso möglich sein wie die geräuscharme und abgasfreie Abfallentsorgung in der Stadt oder der vollelektrische Transport von Materialien zur Baustelle.

Für die Umstellung der Lkw-Flotten von Diesel auf Elektro ist bereits lange vor der eigentlichen Investition in die Fahrzeuge eine ganzheitliche Analyse der Kundenbedürfnisse notwendig. Daher umfasst das eMobility Consulting, das MAN auf der IAA vorstellt, neben der Beratung zum Fahrzeug auch die Betrachtung kundenspezifischer Einsatzbedingungen wie Betriebsphasen einschließlich Kostenoptimierung, Routenanalyse, Flottenoptimierung und darauf aufbauend auch die notwendige Beratung zur Ladeinfrastruktur.

Dabei unterstützen digitale Tools wie der neue eReady Check, mit dem Kunden künftig prüfen können, wie sich ihre Lieferrouten rein elektrisch fahren lassen, oder der eManager, mit dem Fuhrparkmanager die wichtigen Ladeinformationen aller Trucks der Flotte stets im Blick haben. Sie sind Teil der von MAN auf der Messe präsentierten eSolutions.

Daimler Truck mit doppeltem Ansatz

Zweigleisig ist Daimler Truck unterwegs. Das Stuttgarter Unternehmen setzt auf den E-Lkw im Nahverkehr und die Brennstoffzelle im Fernverkehr. Bis allerdings Letztere auf den Markt kommt, müssen sich Interessenten in Geduld fassen. Nach Angaben des Unternehmens ist erst in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts mit einer Serienfertigung zu rechnen. Dann allerdings sollen die Fahrzeuge mit überzeugenden Rahmendaten starten: Die Reichweite der Wasserstoff-Lkw soll bei etwa 1.000 Kilometern liegen. Möglich macht das die Verwendung von verflüssigtem Wasserstoff, der eine höhere Energiedichte als gasförmiger Wasserstoff aufweist.

Schon seit einem Jahr ist dagegen der eActros, also der rein batterieelektrisch betriebene Mercedes, auf dem Markt. In der Nahverkehrsausführung als Motorwagen hat der emissionslose Lkw in der Ausführung eActros 400, die mit vier Batteriepaketen mit je 97 Kilowattstunden Kapazität ausgestattet ist, eine Reichweite von bis zu 400 Kilometern pro Batterieladung.

Darüber rangiert der eActros Long Haul, der noch 100 Kilometer mehr schaffen soll, bevor er wieder an die Ladesäule muss, wo er bereits ebenfalls nach einer Stunde wieder zu etwa 80 Prozent geladen sein soll. Damit wäre das Fahrzeug durchaus in der Lage, die im Ein-Schicht-Betrieb übliche Tagesentfernung von um die 650 bis 700 Kilometer darzustellen – vorausgesetzt, eine entsprechende Ladeinfrastruktur ist vorhanden.

Jüngster Wurf ist die auf 40 Tonnen zulässiges Gesamtgewicht ausgelegte Kombination aus eActros-Motorwagen plus Zentralachsanhänger. Um aber Anhänger mit einem Eigengewicht von über 10 Tonnen ziehen zu dürfen, müssen die Zugfahrzeuge mit einer Dauerbremse ausgestattet sein. Diese Funktion übernimmt im E-Actros die Anhängerbremse High Power Brake Resistor (HPR), die für batterieelektrische Fahrzeuge entwickelt wurde.

Volvo Trucks auf E-Kurs

Unter dem Motto „Towards Zero – null Emissionen und null Unfälle“ ist Volvo Trucks zur IAA Transportation angetreten. Der schwedische Nutzfahrzeug-Konzern zeigt drei schwere und zwei mittelschwere, rein elektrisch betriebene Lkw-Modelle, die bereits seit rund einem Jahr überall in Europa bestellt werden können. Das Angebot wird abgerundet durch verschiedene Dienstleistungen für Elektro-Lkw, wie zum Beispiel eine Reichweiten- und Routenplanung, Lösungen für die Ladeinfrastruktur und eine spezifische Finanzierung.

Zusätzlich zeigt Volvo ein neues Sicherheitssystem, das speziell beim Einsatz geräuscharmer Elektro-Lkw im urbanen Verkehr einen hohen Nutzen bringt. So sind die Fahrzeuge auf beiden Seiten mit einem Doppelradar, gekoppelt mit kameragestützten Funktionen, ausgestattet. Das soll dabei helfen, Gefahrensituationen rasch abzuwenden.

Die E-Lkw-Modelle vieler etablierter Hersteller unterscheiden sich wenig von den konventionellen Fahrzeugen. (Foto: Volvo)
Das macht für die Fahrer den Umstieg leichter. (Foto: MAN)

Daf Trucks mit neuem Modell

Der niederländische Hersteller Daf hat zur IAA Transportation eine neu entwickelte Baureihe für den Verteilerverkehr mitgebracht. Das Modell XD ergänzt die CF-Baureihen und orientiert sich optisch und technisch an den aktuellen Fernverkehrsmodellen XF, XG und XG+. Das gilt für Aerodynamik, Antriebsstrang, Fahrkomfort, Sitzposition sowie die deutlich bessere Sicht nach außen dank der um rund ein Drittel größeren Frontscheibe sowie Seitenfenstern mit niedriger Gürtellinie. Eine niedrige Fahrerhausposition sorgt zusätzlich für eine bessere direkte Sicht, ebenso wie das optionale Bordsteinfenster. Die Eckspiegelkamera und das Digitalkamerasystem entschärfen den toten Winkel.

Die Plattform des Fahrzeugs mit der 10,3 Kubikmeter großen Kabine ist bereits vorbereitet für den Umstieg auf alternative Antriebe. Dazu zählt neben der batterieelektrischen Lösung möglicherweise auch ein Wasserstoff-Verbrenner.

Scania: E-Lkw für Regionaltransporte

Der schwedische Lkw-Hersteller Scania will von nun an jedes Jahr neue elektrische Modelle vorstellen. So wurden jetzt die alternativ angetriebenen Fahrzeuge für den innerstädtischen Lieferverkehr durch batterieelektrische Lkw für den regionalen ergänzt. Die neue Modellreihe mit einer Batteriekapazität von 624 Kilowatt ist mit R- oder S-Fahrerhäusern erhältlich. Die 4x2 Sattelzugmaschinen und die dreiachsigen Motorwagen decken viele Einsatzmöglichkeiten im regionalen Anwendungsbereich ab – und sind für Gesamtzuggewichte von bis zu 64 Tonnen geeignet.

Die Ladeleistung beträgt bis zu 375 Kilowatt – das bedeutet: Eine Stunde Ladezeit bringt in der Regel eine zusätzliche Reichweite von 270 bis 300 Kilometer. Die Dauerleistung für einen Scania 45 R oder S beträgt 410 Kilowatt (das entspricht etwa 560 PS).

Was Leistung und Reichweite anbelangt, sollen die neuen Fahrzeuge in ihrem jeweiligen Einsatzbereich konventionellen Lkw ebenbürtig sein. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und der CO2-Effizienz übertreffen sie laut Hersteller die Modelle mit Verbrennungsmotoren deutlich. Die Reichweiten variieren je nach Gewicht, Konfiguration und Route. Eine 4x2 Sattelzugmaschine mit sechs Batterien zum Beispiel kann bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 80 Stundenkilometern mit einer kompletten Batterieladung bis zu 320 Kilometer zurücklegen. Feste Routen mit zusätzlicher Aufladung am Zielort oder Gelegenheitsaufladungen während der Ruhepause des Fahrers erhöhen die operative Reichweite zusätzlich.

Doch der Umstieg von konventionellen auf elektrische Lkw ist noch komplex. Daher unterstützt Scania die künftigen Nutzer in allen Bereichen der E-Mobilität: von der Ladeinfrastruktur über Service und Wartung bis hin zu passenden Finanzierungsmodellen und Versicherungsangeboten. Auch beim Ausbau der Ladeinfrastruktur will Scania eine aktive Rolle spielen. Seit 2021 arbeitet das Unternehmen gemeinsam mit globalen Partnern an der Etablierung eines verlässlichen Hochleistungs-Ladenetzes für schwere Nutzfahrzeuge. Das Ziel: komplette Ladelösungen aus einer Hand, um den nahtlosen Einsatz von E-Lkw zu ermöglichen. Dafür bleibt noch ein wenig Zeit: Die ersten Fahrzeuge der neuen Modellbaureihe sollen erst im vierten Quartal 2023 auf den Markt kommen.

Nikola zeigt Brennstoffzellen-Lösung

Der E-Lkw-Pionier Nikola Corporation, an dem der deutsch-italienische Lkw-Hersteller Iveco substanziell beteiligt ist, hat die Beta-Version des europäischen Nikola Tre Brennstoffzellen-Elektrofahrzeugs (FCEV) zur IAA Transportation mitgebracht. Das Fahrzeug, das voraussichtlich gegen Ende 2023 in Serie für den US-amerikanischen Markt gefertigt wird, steht während der Messe für Testfahrten zur Verfügung. Die Produktion des Tre FCEV in Ulm, Deutschland, wird voraussichtlich in der ersten Hälfte des Jahres 2024 anlaufen. Die Reichweite gibt der Hersteller mit 800 Kilometern an.

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