Magda Kopczynska: „Die Idee war, dass wir einen Markt schaffen“

Die Generaldirektorin für Verkehr in der EU-Kommission spricht in ihrem ersten Interview seit Amtsantritt mit der DVZ darüber, wie die Umstellung auf nachhaltige Treibstoffe gelingt, aber auch über die Zustände im Straßengüterverkehr und mehr.

Seit dem 1. August ist Magda Kopczynska Generaldirektorin für Verkehr in der EU-Kommission und damit Nachfolgerin von Henrik Hololei. In ihrem Büro hängt unter anderem eine Landkarte der Antarktis. Dorthin ist die passionierte Seglerin schon selbst gefahren. (Foto: Jan va de Vel/BR & U)

DVZ: Sie haben die DG MOVE im Januar nach vielen Jahren verlassen, um in die DG Landwirtschaft zu wechseln. Wie lange hat es gedauert, bis Sie sich entschieden haben, dass Sie zurückkommen wollen?

Magda Kopczynska: Ich brauchte nicht einmal darüber nachzudenken. Es mag übermäßig sentimental klingen, aber als ich nach 13 Jahren ging, hatte ich das Gefühl, dass ich Menschen und einen Politikbereich verlasse, die meine Heimat geworden sind. Und ich habe einmal gesagt, dass ich mich irgendwann um die Stelle der Generaldirektorin in der DG MOVE bewerben werde. Als diese Stelle frei wurde, habe ich das eingelöst.

Eine der wichtigsten Prioritäten in dieser Legislaturperiode ist der Green Deal. Der gesetzliche Rahmen für den Klimaschutz ist weitgehend beschlossen. Was muss jetzt getan werden, um die Vorgaben umzusetzen und die Ziele im Verkehr tatsächlich zu erreichen?

Die Umsetzung liegt in unseren Händen, aber auch in den Händen der Mitgliedsstaaten­. Wir versuchen auch, zusätzliche Elemente hinzuzufügen, wie die Renewable and Low-Carbon Fuels Value Chain Industrial Alliance. Sie bringt private Interessengruppen zusammen, um die Herstellung von Schiffs- und Flugzeugtreibstoffen anzukurbeln. Ein Element, mit dem wir uns noch intensiver befassen wollen, ist die Frage, wie wir private Finanzierungsquellen besser erschließen können. Wir sehen auch Interesse privater Banken und Finanzinstitute, die glauben, dass die Produktion einer neuen Art von Brennstoffen wirtschaftlich möglich ist. Ich hatte vor ein paar Wochen ein Treffen mit Unternehmen - überwiegend US-Unternehmen. Dabei kam eine Diskussion über den Inflation Reduction Act auf, der Investitionen in den USA begünstigt. Natürlich haben die Amerikaner eine Menge Geld zu bieten, in vielen Fällen mehr Geld als wir haben. Aber die Unternehmer sagten mir interessanterweise, dass sie sich Sorgen machen, dass, wenn das Geld der IRA ausläuft oder wenn es aus irgendeinem Grund eine Änderung der Politik gibt, alle diese Investitionen aufhören werden. Denn die USA haben keinen Rechtsrahmen, der garantiert, dass es eine Nachfrage nach diesen Kraftstoffen geben wird. In der EU haben wir mit "ReFuel EU Aviation" und "Fuel EU Maritime" ein klares Signal gegeben: Ihr müsst auf alternative Kraftstoffe setzen, denn nur so können diese beiden Sektoren dekarbonisiert werden.

Die EU hat der Industrie vielleicht Planungssicherheit gegeben, aber die Unternehmen wollen auch Geld, um die Produktion hochzufahren.

Die Idee war, dass wir einen Markt schaffen. Es geht nicht nur darum, dass wir etwas Geld in die Hand nehmen und sagen: Wir bezahlen euch – jetzt produziert ihr. Nein: Wir schaffen einen Markt, auf dem euer Produkt gekauft wird! Aber wir haben daneben auch ein spezielles Finanzierungsinstrument im Rahmen der Fazilität „Connecting Europe“ (CEF), mit dem zum Beispiel der Aufbau von Tank- und Ladeinfrastruktur gefördert werden kann.

Werden Sie noch neue Klimagesetze vorschlagen? Zum Beispiel: Brauchen wir Emissionshandel auch für die Binnenschifffahrt?

Wir haben darüber bereits nachgedacht. Aber es ist noch keine Entscheidung getroffen worden. Klar ist jedoch, dass dies ein komplexer Sektor ist, wenn es um die Dekarbonisierung geht. Denn die Branche besteht vorwiegend aus kleinen Unternehmen, die eher ältere Lastkähne betreiben. Die Seeschifffahrt und der Luftverkehr wurden in den Handel einbezogen, aber wir haben den Akteuren durch Rechtsvorschriften signalisiert: Ihr werdet auf alternative Kraftstoffe umsteigen und dadurch mit der Zeit weniger für Emissionsrechte zahlen müssen. In der Binnenschifffahrt diskutieren wir noch, was hier die beste Lösung sein könnte, um dies zu erreichen. Denn wir wollen nicht, dass die Binnenschifffahrt aufhört zu funktionieren. Sie leistet in einigen Ländern einen erheblichen Beitrag zur Verringerung der Emissionen, indem sie Verkehr von der Straße holt.

Sie sind also der Meinung, dass dieser Verkehrsträger am wenigsten in der Lage ist, die Emissionshandelskosten zu tragen?

Ich möchte Ihre Frage nicht beantworten, da wir die Analyse noch nicht abgeschlossen haben. Allerdings hoffen wir, dass sich unser Vorschlag für eine neue Richtlinie über den Kombinierten Verkehr positiv auf die Binnenschifffahrt auswirken wird.

Glauben Sie, dass trotz aller Bemühungen die Klimaziele im Verkehr erreicht werden können, ohne den Güterverkehr zu reduzieren?

(Lange Pause) Ich weiß es nicht. Was ich aber weiß, ist, dass der Bedarf an Güterverkehr nicht abnimmt. Und auch wenn wir glauben, dass wir das Wachstum der Verkehrsaktivitäten vom Wirtschaftswachstum abgekoppelt haben, glaube ich nicht, dass es unser Ziel sein sollte, einfach zu sagen: Wir reduzieren den Güterverkehr. Unser Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass der Güterverkehr auf optimale Weise abgewickelt wird. Dort, wo es aus operationeller Sicht sinnvoll ist, sollte er reduziert werden. Aber lediglich eine Reduzierung um den Faktor X anzupeilen, wird nicht klappen. Der Güterverkehr ist einfach die Grundlage dafür, dass Europa funktioniert.

„Der Güterverkehr ist einfach die Grundlage dafür, dass Europa funktioniert.“ Magda Kopczynska, Generaldirektorin für Verkehr der EU-Kommission

Es gibt aber auch Stimmen, die sagen, alle Bemühungen um mehr Effizienz werden durch das ständig wachsende Güterverkehrsaufkommen aufgefressen. Was entgegnen Sie ihnen?

Ja, aber gleichzeitig wird etwas getan, um den Verkehr weniger emissionsintensiv zu machen. Das wird nicht über Nacht geschehen. Aber früher oder später werden wir Null-Emissions-Lkw haben. Wir arbeiten daran, dass mehr Fracht mit der Bahn transportiert wird. Wenn man das Volumen verringern will, muss man sich fragen: Wo soll man es verringern? Sollen wir jedes zweite Schiff mit Containern oder jeden dritten Lkw auf der Straße aus dem Verkehr ziehen? So funktioniert das nicht. Denn der Verkehr muss auf die vorhandenen Bedürfnisse reagieren.

Was die Dekarbonisierung betrifft: Viele Leute sagen, dass wir nicht in der Lage sein werden, den Verkehr so stark zu elektrifizieren, wie wir es anstreben, weil es einfach nicht genug seltene Rohstoffe, etwa für Batterien, und nicht genug saubere Energie gibt. Was entgegnen Sie ihnen?

Ich erinnere mich noch an ein Kommissionspapier über Elektrofahrzeuge, ich glaube aus dem Jahr 2010. Wenn Sie es jetzt lesen, würden Sie es nicht glauben, was für Dinge wir vor 13 Jahren noch für unmöglich hielten. Wir dürfen die technische Entwicklung, die immer noch stattfindet, nicht unterschätzen. Es gibt immer noch berechtigte Fragen, wie etwa die nach der Versorgung mit Rohstoffen, aber ich denke, dass wir darauf Antworten finden können. Wir wissen jetzt zum Beispiel noch nicht, was mit einem zehn Jahre alten Elektrofahrzeug passiert, ob es ein „zweites Leben“ haben kann. Bisher haben wir kaum zehn Jahre alte Elektrofahrzeuge. 

Kommen wir zu den sozialen Fragen im Verkehr. Der Fall Gräfenhausen zeigt: Im Straßengüterverkehr ist noch vieles nicht in Ordnung. Was werden Sie tun, um die Regeln des Mobilitätspakets durchzusetzen, die diese Probleme angehen sollen?

Im Moment warten wir noch auf die Antwort des Europäischen Gerichtshofs auf einige der Fragen, die zu diesem Paket gestellt wurden. Der Gedanke hinter dem Mobilitätspaket war, die richtigen Bedingungen für die Lkw-Fahrer zu schaffen: für ihre Ruhezeiten, für die Art und Weise, wie sie arbeiten. Wir wollten auch vermeiden, dass es Anreize gibt, Dinge zu tun, die einem fairen Wettbewerb auf dem Straßengüterverkehrsmarkt der EU nicht zuträglich sind. Es ist ein kompliziertes und für einige Mitgliedsstaaten äußerst sensibles Thema. Aber ich hoffe, dass das Mobilitätspaket auf lange Sicht von allen Transportunternehmen geschätzt wird.

Bislang haben die Mitgliedsstaaten aber noch nicht viel zur Durchsetzung unternommen. Werden Sie mehr Druck auf sie ausüben?

Wir wünschen uns auf jeden Fall, dass die Regeln durchgesetzt werden. Aber ich würde auch gerne eine offene Diskussion mit den Mitgliedsstaaten führen, um besser zu verstehen, warum sie es eventuell nicht durchsetzen, bevor ich über die möglichen nächsten Schritte nachdenke und Vertragsverletzungsverfahren gegen sie einleite.

Einige Politiker aus östlichen Mitgliedsländern bezeichnen das Mobilitätspaket als westlichen Protektionismus. Haben sie Recht?

Das ist eine heikle Frage. Die EU ist auf Wettbewerb aufgebaut. Europäische Unternehmen, die untereinander konkurrieren, werden tatsächlich stärker, um auch außerhalb der EU konkurrieren zu können, daran habe ich immer geglaubt. Es war schon immer so, dass Unternehmen aus verschiedenen Mitgliedsstaaten unterschiedliche Wettbewerbsvorteile haben. Die Mitgliedsstaaten haben das Mobilitätspaket so beschlossen, wie es jetzt ist. Ich denke, dass Unternehmen aus den östlichen Mitgliedsstaaten im Rahmen des Mobilitätspakets noch Möglichkeiten haben werden, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu zeigen. Dabei spielen nicht nur finanzielle Faktoren eine Rolle, sondern auch Elemente wie Innovation, Flexibilität, Agilität.

Die meisten Märkte in der EU sind liberalisiert. Was würde passieren, wenn wir auch den Straßengüterverkehr liberalisieren würden? Dann bräuchten wir nicht über Dinge wie Kabotagebeschränkungen zu diskutieren.

Ich spekuliere ungern darüber, was wäre, wenn. Aber ja, Kabotage ist immer ein heikles Thema, egal bei welchem Verkehrsträger.

In Ihrem jüngsten Vorschlag für eine neue Richtlinie über den Kombinierten Verkehr haben Sie beschlossen, den bestehenden Artikel über die Kabotage nicht anzutasten. Schafft die EU nicht Anreize für den Kombinierten Verkehr auf dem Rücken bestimmter Lkw-Fahrer, wenn wir Vor- und Nachlauf im KV von den Kabotagebeschränkungen ausnehmen?

Das glaube ich nicht, denn es handelt sich um einen sehr spezifischen Teil des Transports. Die Abschaffung der Kabotagefreiheit würde das Funktionieren des KV schlichtweg unmöglich machen.

Warum? Die Betreiber könnten auf nationale Transporteure zurückgreifen.

Ja, aber das Problem ist, dass dies eine Transportform noch komplizierter machen könnte, die per Definition kompliziert ist. Wir glauben, dass wir die Kabotagefreiheit brauchen, weil es kompliziert ist, Güter zwischen verschiedenen Verkehrsträgern umzuschlagen. Deshalb brauchen wir Erleichterungen. Andernfalls werden die Verlader einfach die flexibelste Transportart wählen, nämlich den Lkw. Das heißt aber nicht, dass der Lkw das beste Verkehrsmittel ist. Der KV braucht Anreize, damit er attraktiv bleibt.

Und Sie befürchten nicht, dass die Kabotagefreiheit ein Schlupfloch für Sozialdumping sein könnte?

Nein. Denn die Kabotagefreiheit besteht bereits in der derzeitigen Richtlinie, und wir haben keine Belege dafür gesehen, dass Sozialdumping ein großes Problem im Kombinierten Verkehr darstellt.

Magda Kopczynska

Die Chefin der Generaldirektion Verkehr (DG MOVE) arbeitet seit 2006 für die EU-Kommission. Angefangen hat sie im Ressort Binnenmarkt, seit 2009 ist sie bei DG MOVE. Unter anderem war sie dort Direktorin für „Innovation und nachhaltigen Verkehr“ (2014 bis 2016) und „Transport zu Wasser“ (2016 bis 2022). Kopczynska hat Englisch und Public Relations in Krakau und in Warschau studiert. Danach arbeitete sie als Übersetzerin für den US-Botschafter in Polen, in der PR-Branche und dann für die Stadtverwaltung von Warschau.

Sie wollen KV künftig darüber definieren, dass er wenigstens 40 Prozent weniger externe Kosten verursacht als Lkw-Verkehr und das über die eFTI-Plattformen für elektronische Frachtinformationen messen. Sind Sie zuversichtlich, dass diese rechtzeitig zur Verfügung stehen werden, um sie für die KV-Richtlinie nutzen zu können?

Wir brauchen die eFTI-Plattformen aus vielen verschiedenen Gründen, nicht nur für Berechnungszwecke. Sie sind auch wichtig, um den Güterverkehr in Europa zu modernisieren. Als wir die Diskussion über eFTI begannen, konnte ich nicht glauben, dass im 21. Jahrhundert in der EU Menschen, die Güter transportieren, in vielen Fällen immer noch Stapel von Papieren mit sich herumtragen, um zu beweisen, welche Fracht sie transportieren. Mit eFTI treiben wir also die Digitalisierung voran und zwingen auch die öffentliche Verwaltung in der EU, sich mehr mit der Digitalisierung zu befassen. Das Hauptziel ist es, sicherzustellen, dass die nationalen Verwaltungen digitale Versionen von verkehrsbezogenen Dokumenten akzeptieren.

Aber für die Zwecke der KV-Richtlinie muss das schnell geschehen, damit entschieden werden kann, wer Anreize erhält. Es muss also wirklich rechtzeitig funktionieren, oder?

Ich stimme zu, aber wenn ich mir den Zeitplan für das Gesetzgebungsverfahren zur KV-Richtlinie ansehe, glaube ich nicht, dass wir in der Lage sein werden, diese Diskussionen in der jetzigen EU-Legislaturperiode abzuschließen. Wir sollten eher mit einer Verabschiedung im ersten Halbjahr 2025 rechnen. Wir erwarten, dass die eFTI-Plattformen in der Zwischenzeit entwickelt werden. Ich denke, das sollte zeitlich passen.

Ein heißes Thema, das Sie geerbt haben, ist die Diskussion über die Beschränkungen des Brenner-Transits. Wie wollen Sie den Konflikt lösen?

Die Kommission hat angeboten, mit allen betroffenen Parteien zu diskutieren, um eine Lösung zu finden, die für alle Beteiligten funktioniert. Ich bekräftige diese Bereitschaft hiermit nochmals.

Aber einige Parteien haben bereits die Geduld verloren. Italien will jetzt vor Gericht gehen. Sie lassen Rom klagen, das war's?

Da können wir nichts machen. Wenn ein Land sich entschieden hat, hat es sich entschieden.

Und was halten Sie von dem Vorschlag der Regionen Bayern, Tirol und Südtirol für ein Slot-Reservierungssystem auf der Brennerroute?

Über alle derartigen Vorschläge würde ich mir eine Diskussion aller Beteiligten an einem Tisch wünschen. Und ich bin gerne bereit, diesen Tisch anzubieten.

Eine Lösung für diesen Konflikt könnten bessere Bahnverbindungen sein. Es gibt noch viele Hürden für den grenzüberschreitenden Schienenverkehr. Planen Sie weitere Initiativen, als die auf dem Tisch liegenden, um diese Hürden abzubauen?

Wir müssen abwarten, wohin uns die Diskussionen über die neuen Regeln für das Kapazitätsmanagement im Bahnverkehr führen, ob dies ausreicht, um die Situation zu verbessern, oder ob wir die Mitgliedstaaten zusätzlich ermutigen müssen, sich für eine bessere grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu öffnen. Wir möchten auch sicherstellen, dass alles, was im 4. Eisenbahnpaket vereinbart wurde, umgesetzt wird. Ich stelle fest, dass in den Mitgliedstaaten die Einsicht wächst, dass die Schiene ein Potenzial hat, das besser genutzt werden kann. Die Regierungen sind zunehmend bereit, über die Grenzen ihres nationalen Eisenbahnsystems hinauszublicken. Sie sehen zum Beispiel, dass mehr grenzüberschreitender Güterverkehr auf der Schiene positive nationale Effekte hat, dadurch dass es etwa weniger Staus in ihren Ländern gibt. 

In der KV-Richtlinie fordern Sie die Mitgliedstaaten auf, die Kosten im KV um 10 Prozent zu senken, was hauptsächlich auf den Bahntransport betrifft.

Aber das betrifft auch den Umschlag. Ein großer Kostenfaktor im KV ist die Frage, wo und wie die Güter von einem Verkehrsträger auf einen anderen verladen werden. Im Rahmen der neuen TEN-V-Verordnung sehen wir die Möglichkeit vor, Umschlagterminals zu unterstützen, das sollte ein wichtiges Element sein. Ebenso wie die Tatsache, dass wir so sehr darauf drängen, multimodale und/oder Schienenverbindungen zu allen großen Häfen zu haben. Aber das sind keine Dinge, die sich über Nacht ändern lassen.

Und was halten Sie von Subventionen für den Betrieb im Schienengüterverkehr oder im Kombinierten Verkehr?

In unserem KV-Vorschlag lassen wir den Mitgliedstaaten die Freiheit, welche Anreize sie wählen wollen, damit der Kombinierte Verkehr stärker genutzt wird. In der derzeitigen Richtlinie gibt es Möglichkeiten für finanzielle Unterstützung. Sie werden aber nicht immer in dem Maße genutzt, wie sie es könnten. Wir müssen also sehen, was sich die Mitgliedstaaten einfallen lassen. Die Schwierigkeit bei einigen Anreizen ist, dass sie funktionieren, solange sie da sind. Es stellt sich die philosophische Frage, ob es ausreicht, dass wir Umweltbelastungen reduzieren, solange wir dafür Fördermittel zahlen, oder ob sich nicht eine dauerhaftere Lösung erreichen lässt? Wahrscheinlich wird es am Ende ein bisschen von beidem geben.

Aber Sie werden den Mitgliedsstaaten keinen Blankoscheck ausstellen und sagen: Wenn ihr den KV unterstützen wollt, ist das auf jeden Fall gut, dann macht das doch?

In gewisser Weise sagen wir das in unserem Vorschlag, indem wir den Mitgliedstaaten die Art der KV-Förderung überlassen.

Aber Sie verweisen immer auch auf die Regeln für staatliche Beihilfen, die eingehalten werden müssen...

In der Tat. Denn das ist das übergreifende Prinzip, das bleibt. Ich hoffe, wir werden uns nicht mit der Umgehung dieser Regeln befassen müssen.

Mit ihrer internationalen Konnektivitätsstrategie Global Gateway blickt die EU-Verkehrspolitik weit über ihre Grenzen hinaus. Welche Region ist Ihrer Meinung nach die wichtigste, in der sich die EU engagieren sollte?

Ich denke, das hängt davon ab, welchen Teil des Verkehrs man betrachtet. Ich meine mehr als nur Verkehrsträger und denke auch an die Hersteller von Verkehrsmitteln, wie Fahrzeuge, Flugzeuge und Züge. Betrachtet man die Verkehrsträger, so gibt es mehrere Regionen, mit denen wir weiterhin zusammenarbeiten werden, zum Beispiel im Bereich der Luftverkehrsabkommen. Regionen wie ASEAN werden wegen der Luftverkehrsverbindungen wichtig bleiben, aber sie sind auch wichtig, weil sie eine bedeutende Region für die Produktion von nachhaltigen Flugzeugkraftstoffen werden können. Darüber hinaus werden in dieser Region große Anstrengungen zur Förderung des Schienenverkehrs unternommen, was für europäische Eisenbahnunternehmen, insbesondere für Lieferanten von Eisenbahnausrüstung, sehr interessant sein könnte. ASEAN ist auch aus Sicht des Seeverkehrs wichtig, denn zwei der fünf weltweit wichtigsten Herkunftsländer von Seeleuten sind Indonesien und die Philippinen. Und es ist eine interessante Region, weil es dort viele wichtige Seeverkehrsrouten gibt. Nun zu Afrika: Das ist sicherlich ein Kontinent, auf dem wir versuchen könnten, mehr zu tun, um diesen Markt für europäische Fluggesellschaften zu öffnen, die Konnektivität zu erhöhen und sicherzustellen, dass die Menschen mit unseren Fluggesellschaften dorthin reisen und nicht mit anderen Fluggesellschaften, die über Europa fliegen. Afrika kann auch für Seeverkehrsverbindungen wichtig sein und ein Kontinent, auf dem europäische Reedereien gute Geschäfte machen können. Nordafrika ist wichtig als potenzielle Quelle für alternative, nachhaltige Kraftstoffe. In Südamerika gibt es mehrere Länder, die sich ernsthaft darum bemühen, Drehscheiben für die künftige Energieversorgung zu werden. Es lohnt es sich, mit ihnen zu sprechen und die Zusammenarbeit auszubauen. Daneben gibt es natürlich auch unsere traditionellen Partner wie Kanada oder Japan, mit denen wir gut zusammenarbeiten. Ein eigenes Thema ist die unmittelbare Nachbarschaft der EU mit den westlichen Balkanstaaten und der Ukraine.

Wird an dem Korridor Indien-Mittlerer Osten-Europa noch gearbeitet oder hat die neue Krise im Mittleren Osten das bereits gestoppt?

Ich denke, dass es viele andere Personen gibt, die diese Frage viel besser beantworten könnten als ich. Es ist schwierig, dies vorherzusagen.

Im Zusammenhang mit den Außenbeziehungen wird diskutiert, ob es Unternehmen aus strategischen Konkurrenzländern wie China erlaubt sein sollte, Anlagen wie Terminals in europäischen Häfen zu übernehmen. In Deutschland hatten wir Debatten über ein chinesisches Unternehmen, das einen großen Anteil an einem Terminal übernehmen wollte.

Die Beteiligung beträgt 24,9 Prozent... Einige Leute haben mir gesagt, dass dies zunächst einmal keine große Beteiligung sei. Ich sage nicht, dass ich dem zustimme oder nicht zustimme. Seit ein paar Jahren achten wir schon mehr darauf, wer wo investiert, wenn es sich um Investoren von außerhalb der EU handelt. Wir haben diese Diskussionen über kritische Infrastrukturen geführt und sind uns einig, dass wir hier besonders vorsichtig sein müssen, was Investitionen aus Drittstaaten angeht. Die EU hat einen Screening-Mechanismus für ausländische Investitionen eingeführt, der auch genutzt wird. Ich denke, dass sich auch die Einstellung der nationalen Regierungen geändert hat und sie mehr Verständnis dafür haben, dass ausländische Investitionen in kritische Infrastrukturen kritisch geprüft werden müssen. Natürlich gibt es dabei Risiken! Ich hoffe, dass diese Risiken auf der Ebene der Mitgliedsstaaten erkannt und verstanden werden, so wie sie auch auf der Ebene der EU-Kommission erkannt und verstanden werden.

Glauben Sie, dass wir hier zusätzliche Regeln brauchen?

Ich denke, für die Regeln in Bezug auf Investitionen in der EU haben wir, wir müssen nur dafür sorgen, dass sie weiterhin umgesetzt werden. Aber es gibt jetzt eine Diskussion darüber, ob wir mehr tun sollten, wenn es um Investitionen europäischer Unternehmen im Ausland geht.  Diese Debatte ist aber noch im Anfangsstadium.

Was die eingehenden Investitionen in Häfen betrifft: Gibt es eine Grenze, die die Europäer ziehen sollten, zum Beispiel dass eine Hafenbehörde nicht von ausländischen Investoren kontrolliert werden sollte?

Ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass die Kontrolle eines kompletten EU-Hafens noch einmal an eine ausländische Einrichtung übergeben wird, wie es bisher einmal im Fall von Piräus geschehen ist.

Die Kontrolle eines Terminals wäre aber noch in Ordnung?

Es steht mir nicht wirklich zu, zu sagen, ob dies in Ordnung ist oder nicht, denn das hängt zum Beispiel von der Größe des Terminals ab, davon, woher die Investition kommt und von den Bedingungen. Und wir haben bereits Terminals in der EU, die von Cosco betrieben werden – ich weiß, dass Sie hier insbesondere nach chinesischen Investitionen fragen. Viel wird davon abhängen, wie wichtig dieses eine Terminal für das globale Funktionieren eines Hafens ist.

Nehmen wir an, Sie sind im Jahr 2030 immer noch Generaldirektorin der DG MOVE. Wie würden Sie die europäische Transportindustrie dann gerne sehen? Was würden Sie als einen Erfolg der Verkehrspolitik bis dahin betrachten?

Im Jahr 2030 werden wir bereits zwei Jahre lang den neuen mittelfristigen Finanzrahmen (MFR) der EU haben. Eine Sache, die ich dann gerne sehen würde, ist ein starkes Instrument zur Finanzierung der europäischen Verkehrsinfrastruktur - die "Connecting Europe Facility 3".

Jetzt werden Sie uns sicher noch dessen finanzielle Ausstattung nennen!

Nein (lacht). Es ist zu früh, um mehr darüber zu sagen, wie dieses Instrument aussehen könnte. Ich würde mir eine CEF wünschen, die es uns ermöglicht, die großen grenzüberschreitenden Infrastrukturprojekte zu finanzieren, die jetzt auf dem Tisch liegen, aber im Jahr 2030 könnten wir noch mehr Projekte dieser Größenordnung haben. Denn es gibt viele Dinge in der Infrastruktur, die noch verwirklicht werden könnten - Hochgeschwindigkeitszüge zum Beispiel, die verschiedene Hauptstädte in der EU miteinander verbinden. Ich hätte auch gerne, dass von der EU geförderte Forschung und Innovation im Verkehr nicht nur etwas ist, das den Verkehr besser, sauberer und effizienter macht, sondern dass sie auch die europäischen Verkehrsunternehmen in ihrer globalen Wettbewerbsfähigkeit unterstützt. Dies gilt sowohl für Verkehrsunternehmen als auch für Ausrüstungslieferanten. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir im Bereich der Verkehrsausrüstung, etwa der Fahrzeughersteller, nach wie vor weltweit führende Unternehmen haben. Drittens wünsche ich mir ein System, in dem der Informationsfluss über Verkehrsvorgänge zwischen Unternehmen, aber auch zwischen Unternehmen und Verwaltungen reibungslos funktioniert, so dass wir viel stärker digitalisierte Transportsysteme haben. Ich würde mir auch ein System wünschen, in dem die Entscheidung darüber, wie wir uns fortbewegen und welche Verkehrsträger wir wählen, auf soliden Informationen über die Auswirkungen der verschiedenen Verkehrsträger beruht, wobei alle externen Kosten berücksichtigt werden.

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