McKinsey-Experte: „Wir stehen am Beginn einer neuen Ära“

Rasante technologische Entwicklungen, globale Konflikte und geopolitische Spannungen setzen momentan den Rahmen für Wirtschaft und Logistik. „Wir erleben gewaltige Ungleichgewichte und Abhängigkeiten in der Welt“, konstatiert Smit. „Und wo es große Abhängigkeiten gibt, kann man Geopolitik spielen.“ Der McKinsey-Manager verwies auf die Konzentration industrieller Kapazitäten in wenigen Regionen: „China produziert 90 Prozent der Schiffe, 90 Prozent der Drohnen, die Hälfte des Stahls und 45 Prozent des Aluminiums. Das ist eine enorme Abhängigkeit.“
Frühere Phasen wirtschaftlicher Transformation dauerten jeweils 20 bis 30 Jahre – beispielsweise die Nachkriegszeit mit ihrem industriellen Aufbau, die Phase der Ölkrisen und Stagflation in den 1970er- und 1980er-Jahren oder die Globalisierung seit den 1990er-Jahren. Nun beginne ein neuer Zyklus: „Wir treten in eine Ära ein, in der Globalisierung zurückgeht, die Demografie kippt, Energie neu gedacht werden muss und billiges Geld verschwunden ist.“
Energie entscheidet den Krieg
Energie sei dabei der strategische Schlüssel. „Es sei ein Wettrennen um die Versorgung in Gang. Wer den Strom hat, hat die Rechenleistung, die Datenzentren, die künstliche Intelligenz – und gewinnt am Ende den Krieg“, zeichnet Smit eine drastische Kausalkette. Die Abhängigkeit von Energie und Rechenkapazität werde in Zukunft über wirtschaftliche Stärke und Sicherheit entscheiden.
Auch geopolitisch skizziert Smit ein nüchternes Bild: „Kein Kontinent kann eine Insel sein. Vollständige Deglobalisierung ist unmöglich, aber wir dürfen nicht so abhängig bleiben wie heute.“ Die Handelsströme veränderten sich – nicht unbedingt im Volumen, wohl aber in der geopolitischen Distanz. „Investitionen werden lokaler, das Kapital fließt vor allem in die USA“, beobachtet der Marktexperte.
Mit Blick auf die amerikanische Politik hat Smit eine Erklärung für den strategischen Einsatz von Zöllen: „Ob man Donald Trump mag oder nicht – die USA handeln mit einem Plan. Sie nutzen Zölle als Verhandlungsinstrument, um einen Hebel zu schaffen.“ Gleichzeitig warnt er vor den Folgen politischer Unsicherheit: „Wenn Vertrauen sinkt, werden Volkswirtschaften schwächer. Vertrauen ist die Voraussetzung für Investitionen.“
Märkte mit enormen Investitionsvolumen
Trotz der globalen Spannungen zeigt sich Smit optimistisch: „Die Weltwirtschaft ist erstaunlich robust. Das Wachstum liegt über den Erwartungen, und enorme Investitionen fließen in Zukunftssektoren.“ Dazu zählt er unter anderem E-Commerce, KI, Cloud-Technologien, Halbleiter, Batterien, Luftmobilität, modulare Bauweisen und die Space Economy. „All diese Bereiche sind keine Zukunftsvisionen, sondern Märkte mit Investitionsvolumina von Hunderten Milliarden bis zu Billionen Dollar“, stellt Smit fest. Wer dort nicht dabei sei, könnte in Zukunft Probleme bekommen. Diese Märkte bräuchten auch die richtigen politischen Rahmenbedingungen. Dafür sieht Smit eine Menge Gestaltungsspielraum. „Die EU kann alles sein, was sie sein will.“
Unternehmenslenker sollten ihren Blick weiten: „Viele CEOs blicken wie durch ein Mikroskop nur auf kurzfristige Probleme, Krisen und Unsicherheiten. Aber wer wachsen will, muss durch ein Teleskop schauen.“ Sein Zukunftsbild ist positiv: „Der Wohlstand der Schweiz kann bis zum Ende des Jahrhunderts globaler Standard werden.“ Dafür müsse die Wirtschaft nur 0,2 Prozent schneller wachsen als im letzten Jahrhundert.
Aktuelle Probleme relativiert er mit einem Blick in die Vergangenheit und den Erfahrungen der Kriegs- und Nachkriegsgenerationen. „Das Schlechte von heute ist im Vergleich zu früher verdammt gut. Wir können allen Menschen Wohlstand ermöglichen. Wenn wir es wollen.“ (rok)



