So funktioniert das Supply Chain Management der Zukunft

Digitale Supply-Chain-Technologien haben in den vergangenen zehn Jahren große Erwartungen geweckt – viele davon wurden nur teilweise erfüllt. Statt Euphorie herrscht heute ein pragmatischer Blick auf Nutzen und Machbarkeit. 

Illustration: iStock [M]

Immer mehr Unternehmen haben erkannt, wie entscheidend ein leistungsfähiges Supply Chain Management für den Geschäftserfolg ist. Ohne funktionierende Lieferketten gibt es keine zufriedenen Kunden, keine erfolgreichen Produkteinführungen und keine stabile Wertschöpfung. Damit das Supply Chain Management diesen Anforderungen gerecht wird, muss es kontinuierlich weiterentwickelt werden. Zahlreiche Chancen dafür eröffnen heute digitale Technologien, von denen man vor wenigen Jahren nur träumen konnte: präzisere Prognosen, vollständig vernetzte Partnernetzwerke, nahezu autonome Abläufe.

Gleichzeitig verändert sich das wirtschaftliche Umfeld in rasantem Tempo: Geopolitische Spannungen, veränderte Kundenbedürfnisse und Klimawandel stellen Unternehmen vor zusätzliche Herausforderungen. In zehn Jahren wird Supply Chain Management daher anders aussehen als heute – vernetzter, datengetriebener und anpassungsfähiger denn je. Doch was genau wird sich verändern? Und wie können Unternehmen sich schon heute gezielt darauf vorbereiten? Um diese Fragen zu beantworten, haben die Kühne Logistics University und SAP Business Consulting eine umfangreiche Studie erstellt. Die Ergebnisse werden in den kommenden Wochen in der DVZ präsentiert.

Supply Chain 2035

Hier die Übersicht über die Folgen der Serie zur neuen Studie von der Kühne Logistics University und SAP:

  1. So funktioniert das Supply Chain Management der Zukunft
  2. Wie Daten, KI und Agenten die Supply-Chain-Planung verändern
  3. Bestimmt künstliche Intelligenz den Einkauf der Zukunft?
  4. Produktion im Zeitalter von KI, Kreislaufwirtschaft und autonomen Systemen
  5. Die neue Ära der Logistik: KI und Robotik im Einsatz
  6. Wie verändert sich der Arbeitsalltag in der Supply Chain der Zukunft?

Alle Folgen finden Sie auf der DVZ- Website gebündelt unter: www.dvz.de/scm2035 

Die Macher bauen dabei auf einer früheren Studie auf, in deren Rahmen sie inmitten des Digital-Supply-Chain-Hypes vor zehn Jahren die damaligen Visionen von Unternehmen analysierten. Die Stimmung war euphorisch: Aus zahlreichen Gesprächen mit Supply-Chain-Verantwortlichen entstanden mehr als 120 potenzielle Anwendungsfälle – von 3D-gedruckten Klemmbausteinen über den Einsatz von Social-Media-Daten in der Absatzprognose bis hin zu Mini-Fabriken, ultraschneller Stücklistenauflösung und Drohnenbelieferung auf der letzten Meile. Unternehmen waren bereit, zu investieren und mit neuen Technologien zu experimentieren. Vieles war visionär, manches klang wie Science-Fiction – und doch schien die digitale Revolution im Lieferkettenmanagement greifbar nah.Die Folgestudie zeigt nun ein deutlich verändertes Bild. Die große Euphorie ist pragmatischem Realismus gewichen. In den vergangenen zehn Jahren wurden viele Technologien langsamer und in kleinerem Umfang als erwartet eingeführt. Gründe dafür sind unter anderem unterschätzte Komplexität, falsche Vorstellungen über die Leistungsfähigkeit digitaler Lösungen – zum Beispiel Augmented Reality, 3D-Druck oder das Internet der Dinge – sowie ein oft unzureichender technologischer Entwicklungsstand in den Unternehmen. Häufig bremsten unreife Technologien, Fachkräftemangel und inkonsistente Datenqualität die Umsetzung.

Es gab aber natürlich auch einige Vorreiter – oft aus Branchen mit hohem Innovationsdruck –, die sich mit gezielten Investitionen und Know-how einen Vorteil sicherten. Erfolg korrelierte häufig mit einem Fokus auf klar umrissenen Anwendungsfällen mit schnellem Return on Investment: bessere Liefertreue, weniger Störungen, schnell spürbarer Mehrwert für den Anwendenden.

Nutzerorientierter Ansatz

Dies wurde durch die vergangenen von der Corona-Pandemie, geopolitischen Spannungen und Konjunkturschwäche geprägten Jahren weiter verstärkt. Digitale Lösungen für eine verstärkte Automatisierung, integrierte Planungsplattformen oder Tools zur Verbesserung der Kundenerfahrung werden heute nur eingeführt, wenn ihr Nutzen klar belegt ist. Erfolgreiche Projekte starten meist klein und werden erst skaliert, wenn sie nachweislich wirken. Fehlende Datenqualität, Fachkräftemangel und unzureichende Systemintegration gehören zu den größten Hürden. Ein konsequentes Daten- und Veränderungsmanagement ist unverzichtbar.

Zwischen 2015 und 2025 hat sich der Blick auf digitale Technologien damit deutlich gewandelt: weg von technikgetriebener Euphorie hin zu einem nutzenorientierten Einsatz. Das Potenzial, mit neuen Technologien im Supply Chain Management echte Wettbewerbsvorteile zu erzielen, ist enorm. Viele Unternehmen sind gegenüber den Technologieführern deutlich im Rückstand.

Im Rahmen der Studie nahmen rund 660 Supply-Chain-Experten an mehreren Umfragen teil. Dabei ging es darum, die heutige Situation und die Erwartungen für 2035 zu verstehen. In einer Vielzahl von vertiefenden Gesprächen zu den Oberthemen „Plan“ (Planung), „Source“ (Beschaffung), „Make“ (Produktion), „Deliver“ (Dienstribution) und „People“ (Mitarbeiter) identifizierten die Studienautoren Maßnahmen, die Unternehmen unabhängig vom Szenario sofort umsetzen sollten.

Es ergeben sich einige spannende Erkenntnisse für die Supply Chains im Jahr 2035. Zunächst ist die Grundlage jeder erfolgreichen digitalen Transformation eine deutliche Verbesserung der Datenqualität. Unternehmen benötigen zudem geeignete Werkzeuge, um diese Daten zu nutzen und nicht datenreich, aber erkenntnisarm zu bleiben. Menschen werden auch künftig wichtig sein, doch ihre Rollen verändern sich. Während sie vor allem überwachen und weiterentwickeln, übernimmt künstliche Intelligenz (KI) einen großen Teil der operativen Arbeit. Silos in der Wertschöpfungskette werden verschwinden, und technologiegestützte Planung ermöglicht eine nahtlose Ende-zu-Ende-Steuerung.

Nur wenige Innovationsführer wie Amazon, Apple oder Procter & Gamble werden eigenständig neue Standards setzen können. Die meisten Unternehmen verfügen nicht über vergleichbare Budgets, Fähigkeiten oder das entsprechende Personal. Sie werden Technologiesprünge vor allem dann machen, wenn sie marktgängige Standardlösungen nutzen können und damit an Entwicklungen partizipieren.

Unabhängig von dem individuellen Reifegrad kann festgehalten werden: Wer im Jahr 2035 vorne mitspielen will, muss bereits jetzt damit beginnen, zum Beispiel eine robuste Daten-Governance zu etablieren, Prozesse zu standardisieren und die Mitarbeitenden gezielt an KI-Tools heranzuführen. Unternehmen, die diese Grundlagen heute legen, werden Technologien 2035 nicht nur einsetzen, sondern strategisch nutzen. Oder, um es mit den Worten des früheren kanadischen Eishockeyspielers Wayne Gretzky zu sagen: „Gute Spieler skaten dorthin, wo der Puck gerade ist. Großartige Spieler skaten dorthin, wo der Puck sein wird.“

Der zweite Teil der Serie dreht sich um diese Fragen: Warum wird die Supply-Chain-Planung zum entscheidenden Erfolgsfaktor? Welche Lücken bestehen hier heute zwischen Anspruch und Wirklichkeit? Und: Wie Unternehmen sich mit Daten, KI und Agenten auf das Jahr 2035 vorbereiten können. (cs)

Kai Hoberg ist Professor für Supply Chain and Operations Strategy an der Kühne Logistics University. Jörg Wilke ist Head of CSCO Advisory Europe beim Softwarekonzern SAP.

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