Warten in der Talsohle

Die Krise der deutschen Wirtschaft trifft die Transportwirtschaft – und macht vor allem den auf Volumentransporte spezialisierten Unternehmen zu schaffen. Ein Stimmungsbild.

Illustration: Björn Jagdmann

Seit annähernd drei Jahren schwächeln die Kundenbranchen der Volumentransporteure – und erst für nächstes Jahr wird eine (leichte) wirtschaftliche Erholung prognostiziert. Doch wie steht es zurzeit um das Spezialsegment Jumbo? Gibt es einen Silberstreif am Horizont? Die DVZ hat sich umgehört. Dabei ging es um fünf Kernfragen.

Die Jumbo-Unternehmer und ihre Firmen

Hans Ihro GmbH

Geschäftsführer: Kai Ihro

Anzahl der Standorte: 3

Mitarbeiterzahl: 400

Größe der Fahrzeugflotte: 210 eigene ziehende Einheiten

Jahresumsatz: 50 Millionen Euro

Transportsegmente: Automotive, Bau, Verpackung, Anlagen- und Maschinenbau, Konsumgüter

Spedition Kottmeyer GmbH & Co. KG

Geschäftsführer: Horst Kottmeyer

Anzahl der Standorte: 4

Mitarbeiterzahl: circa 340

Größe der Fahrzeugflotte: 200 Jumbos und Mega-SZM

Jahresumsatz: 40 Millionen Euro

Transportsegmente: Bau, Verpackungen, Automotive

Spedition Stickel GmbH

Geschäftsführer: Christian Stickel

Anzahl der Standorte: 1

Mitarbeiterzahl: 120

Größe der Fahrzeugflotte: 65 Fahrzeuge

Jahresumsatz: 17 Millionen Euro

Transportsegmente: Automotive, Weiße Ware, Verpackungen

Alfred Schuon GmbH

Geschäftsführer: Alexander Schuon

Standorte: Hauptsitz in Haiterbach, 12 Niederlassungen in Deutschland und Ungarn

Mitarbeiterzahl: 600

Größe der Fahrzeugflotte: 350 Fahrzeuge

Jahresumsatz: k. A.

Transportsegmente: Jumbo-Transporte, Systemverkehre, individuelle Logistikkonzepte

Westfalia Intralog GmbH

Geschäftsführer: Dirk Schröder

Anzahl der Standorte: 7

Mitarbeiterzahl: 90

Größe der Fahrzeugflotte: 175 Fahrzeuge

Jahresumsatz: 50 Millionen Euro

Transportsegmente: Automotive, Industrieverpackungen, Glasverpackungen, recycelbare Textilien, Müllgroßbehälter

Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Lage am Markt für Volumentransporte? Inwieweit teilen Sie den Optimismus der Wirtschaftsexperten für das Jahr 2026?

Von echtem Optimismus sind die deutschen Volumentransporteure auch in diesem Herbst noch ein gutes Stück entfernt. Zumindest sind die Teilnehmer der DVZ-Umfrage zur Marktentwicklung einhellig der Ansicht, dass sich die wirtschaftliche Lage auch im nächsten Jahr nicht entscheidend verbessern wird. So sieht Dirk Schröder, der Geschäftsführer von Westfalia Intralog, dass sich in einigen Bereichen zwar eine Erholung oder Verbesserung der Lage andeutet, aber er fragt sich auch, ob diese Entwicklung nachhaltig sein wird. Deutlicher wird Kai Ihro: „Den Optimismus der Wirtschaftsexperten teile ich nicht“, sagt der Chef der Hans Ihro GmbH. Eine Ansicht, die auch Christian Stickel, der Inhaber der Spedition Stickel aus Nagold in Baden-Württemberg, teilt: „Ich erwarte, dass das Jahr 2026 ähnlich verläuft wie 2025: Es wird keinen Aufschwung geben, und die Auslastung wird auf niedrigem Niveau bleiben.“

Doch selbst wenn die Wirtschaft 2026 wieder anspringen sollte, wäre damit nur das Problem der mangelnden Nachfrage gelöst. Auf der anderen Seite müssten die Jumbo-Transporteure neue Kapazitäten aufbauen – und das könnte sich als schwierig herausstellen. „Wir haben eine hohe Auslastung, die jedoch eher in begrenzt verfügbaren Kapazitäten als in einer besonders gut laufenden Wirtschaft begründet ist. Im Volumentransportmarkt wurden wie in anderen Transportbereichen – gewollt oder nicht – Kapazitäten abgebaut. Ursachen waren wirtschaftliche Gründe oder der sich immer weiter verschärfende Fahrermangel durch Renteneintritte und Auflagen für Fahrpersonal aus dem Ausland“, skizziert Alexander Schuon, Chef der Alfred Schuon GmbH, die dann anstehenden Herausforderungen. Angesichts der bereits jetzt schon knappen Kapazitäten im Markt geht Schuon davon aus, dass die zusätzlichen Mengen bei einem Aufschwung nur unter Schwierigkeiten abgefahren werden können.

Dazu passt der Eindruck, den Kai Ihro von der Marktentwicklung hat. Seiner Ansicht nach sinkt das Laderaumangebot schneller als das Ladungsaufkommen – und er geht davon aus, dass die Jumbo-Fuhrparks weiter reduziert werden, da es immer weniger möglich ist, alle Lkw mit Fahrern zu besetzen. Das führt laut Ihro zu einem besonderen Phänomen: „Obwohl seit Monaten grundsätzlich ein deutlicher Frachtüberhang besteht und die Tagespreise auch deutlich gestiegen sind, wird die wirtschaftliche Ertragssituation für Transportunternehmen immer schlechter.“

Wie gestalten sich derzeit die Beziehungen zu Ihren Auftraggebern?

Traditionell pflegen Jumbo-Transporteure und deren Verlader enge Beziehungen. Die allerdings werden nach drei Jahren Stagnation und angesichts der gedämpften Erwartungen für das kommende Jahr fallweise strapaziert. Das merkt Christian Stickel deutlich: „In den Bereichen Automotive und Maschinenbau macht sich die geringe Nachfrage extrem bemerkbar. Mit diesen Kunden gestalten sich Verhandlungen äußerst schwierig.“ Und auch Ihro berichtet davon, dass die Volumina teils sehr schwanken und vor allen Dingen im Automotive-Segment sinken. Vor diesem Hintergrund würden die Kunden den zunehmenden Druck auch weitergeben. Zugleich berichtet der Firmenchef, dass Nachhaltigkeitsbemühungen wie etwa die Reduzierung von CO2-Emissionen bei vielen Auftraggebern in den Hintergrund getreten seien.

Trotz des Drucks bemühen sich aber die Akteure der Jumbo-Branche darum, das Verhältnis zu den Verladern nicht abkühlen zu lassen. Für Horst Kottmeyer, den Geschäftsführer der gleichnamigen Spedition, bedeutet das, in sehr intensivem Kontakt mit den Auftraggebern zu stehen und sich auch sehr offen über wirtschaftliche Veränderungen auszutauschen. Daher weiß er, dass insbesondere die Bauindustrie leidet und die Entwicklungen in der Automobilbranche unkalkulierbar sind. Doch immerhin habe sich in den Segmenten Verpackung und Lebensmittel keine negative Veränderung ergeben.

Einen konstruktiven Ansatz verfolgt auch Schröder von Westfalia Intralog: „Die Beziehungen zu unseren Auftraggebern gestalten sich im Großen und Ganzen gut und positiv. Sicherlich gibt es an der ein oder anderen Stelle immer wieder Diskussionen um nicht vorhandene oder geringere Kapazitäten, aber grundsätzlich sind wir bestrebt, die Probleme gemeinsam lösungsorientiert abzuarbeiten“, skizziert der Geschäftsführer das Miteinander. Die große Herausforderung ist laut Schröder die nach wie vor von großer Volatilität geprägte Auftragslage.

Wie ist es um die Entwicklung der Preise und Kosten bestellt?

Unabhängig davon, wie sich das Verhältnis zu den Verladern darstellt, bereitet die Kostensituation den Akteuren auf dem Jumbo-Markt Kopfzerbrechen, vor allem weil die am Markt erzielbaren Preise und möglichen Preissteigerungen hier bei weitem nicht für einen Ausgleich sorgen können. „Die Entwicklung der Preise entspricht bisher nicht der Entwicklung der Kosten. Wir werden nur die Chance haben, am Markt zu bestehen, wenn auch unsere Kunden verstehen, dass ein marktgerechter Preis zu einer Kapazitätssicherung beiträgt und nur dann die Volumina abgewickelt werden können“, bringt es Schröder auf den Punkt. Doch das ist für kleinere Mittelständler schwierig, wie zum Beispiel die Spedition Stickel. Deren Inhaber sieht kaum Möglichkeiten, Preiserhöhungen durchzusetzen. Er ist vielmehr froh, wenn sich diese halten und die bestehenden Konditionen prolongieren lassen.
 

Wir führen Gespräche über nicht unerhebliche Preisanpassungen. Horst Kottmeyer, Geschäftsführer der Spedition Kottmeyer

Andere, wie Kottmeyer, wollen sich damit nicht zufriedengeben. „Fahrerlöhne, Versicherungen und Fahrzeugkosten steigen überproportional. Wir sind daher mit jedem Kunden über nicht unerhebliche Preisanpassungen im Gespräch“, sagt der Unternehmer, der zugleich erster Vorsitzender des Verbands Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen e.V. ist. Auch Schuon sieht die dringende Notwendigkeit, die Preise anzuheben, um die gestiegenen Kosten wieder ein Stück weit aufzufangen. Diese würden unter anderem auch davon getrieben, dass es vermehrt zu Ineffizienzen im gesamten Transportprozess käme, sagt Schuon. Zudem mache der Trend zu kleineren Sendungsgrößen mehr Stopps pro Tour erforderlich.

Wie haben Sie Ihr Unternehmen für die gegenwärtige Lage fit gemacht und wie wären Sie auf eine eventuelle Markterholung in 2026 vorbereitet?

Große Hoffnungen auf eine Erholung des Marktes im nächsten Jahr hegt zurzeit kaum jemand im Segment der Volumentransporteure. Vielmehr geht es den Akteuren darum, ihre Unternehmen so stabil wie möglich für die Zukunft aufzustellen – und das heißt in erster Linie, erneut die Kostenstrukturen zu durchleuchten. Für Christian Stickel heißt das, ein konsequentes Kostenmanagement auf allen Ebenen zu betreiben und im Bedarfsfall auch den Fuhrpark zu verkleinern. Kai Ihro geht noch etwas weiter: Er nimmt alle Aufträge hinsichtlich ihrer Rentabilität unter die Lupe und er hat das Vertragsmanagement erheblich flexibilisiert. „Wir gehen weniger langfristige Verträge ein, da diese vermutlich schon im nächsten Jahr aufgrund der deutlichen Kostensteigerungen nicht mehr wirtschaftlich erfüllt werden können“, erklärt Ihro diesen Schritt.

Auch bei Westfalia Intralog werden alle Kostenpositionen auf den Prüfstand gestellt. Allerdings will Geschäftsführer Schröder vor allem die Digitalisierung vorantreiben, um Ressourcen freizusetzen, die er an anderer Stelle einsetzen kann. Er setzt daneben seine Hoffnungen darauf, angesichts einer leichten Markterholung auskömmliche und marktgerechte Preisvereinbarungen für das nächste Jahr treffen zu können. Doch was ist, wenn der Markt weiterhin am Boden bleibt und die Preisverhandlungen anders verlaufen als erwartet? Da ist Schröder Realist: „Das würde für das Unternehmen bedeuten, die Kosten weiter drastisch zu reduzieren, um nicht in wirtschaftliche Schieflage zu kommen.“

Etwas gelassener blickt Alexander Schuon in die Zukunft. Seit dem Jahr 2008 wurde das Unternehmen deutlich diversifiziert. Aus dem reinen Transportunternehmen ist eine Firma geworden, die nur noch ein Drittel ihres Umsatzes mit Straßengütertransporten erzielt. Jeweils ein weiteres Drittel verdient Schuon mit der Speditionssparte und mit der Kontraktlogistik. Gleichzeitig wurde das Angebot im Transportbereich deutlich breiter aufgestellt. „Dies führt in Summe zu mehr Stabilität“, sagt Schuon.

Mittlerweile ist klar, dass E-Lkw bis Mitte 2031 in Deutschland vom Teilmautsatz Infrastruktur befreit werden. Inwieweit motiviert Sie das, auf lokal emissionslose Fahrzeuge (Lowliner) umzusteigen – und bekommen Sie die auch?

Der Umstieg auf Lkw mit Elektro-Antrieb war für die Anbieter von Jumbo-Transporten lange Zeit kein Thema, da sich die Fahrzeughersteller darauf konzentriert haben, erst einmal elektrifizierte Standardmodelle auf den Markt zu bringen. Doch seit diesem Jahr bietet MAN auch die niedrig gebauten Lowliner als lokal emissionsfreie Elektrovarianten an. Der Schweizer Anbieter Designwerk, der auf Volvo-Basis E-Lkw fertigt, hat diesen speziellen Lkw-Typ bereits seit 2024 im Angebot.

Einer, der seinen Fuhrpark konsequent auf elektrisch angetriebene Lkw umstellen will, ist Christian Stickel. Noch in diesem Jahr will er die ersten zehn Einheiten in Dienst stellen – vier mit mittlerer und sechs mit großer Reichweite. Um den reibungslosen Betrieb zu gewährleisten, hat Stickel nicht nur einen Mittelspannungsanschluss sowie zwei 400-Watt-Ladesäulen mit zusammen acht Ladepunkten installiert. Hinzukommen soll ein entsprechend dimensionierter Stromspeicher, der unter anderem von der firmeneigenen PV-Anlage gespeist wird.

Die Bereitschaft, in die E-Mobilität zu investieren, ist auch bei anderen Unternehmen vorhanden. Diese gehen das Thema aber vorsichtiger an. So stellt die Spedition Kottmeyer in diesem Jahr erst einmal zwei E-Lkw am Hauptstandort Bad Oeynhausen in Dienst, wo auch die notwendige Infrastruktur geschaffen wurde. „Diese Fahrzeuge können wir jedoch nicht im normalen Jumbo- Tagesgeschäft einsetzen, sondern nur für feste Linienverkehre im Umkreis von maximal 200 Kilometern“, erklärt Firmenchef Horst Kottmeyer. Wirtschaftlich betreiben ließen sich die Fahrzeuge aber nur, wenn die Mautbefreiung kommt, die geplanten Linien reibungslos laufen und die Kunden das Projekt aktiv unterstützen.

Die Mautbegünstigung der elektrisch angetriebenen Einheiten bis zum Jahr 2031 ist auch für Alexander Schuon ein wichtiges Element, um die Fahrzeuge wirtschaftlich betreiben zu können. Allerdings sei es dabei wichtig, dass die E-Lkw so weit wie möglich auf Mautstrecken eingesetzt werden, um den Kostenvorteil optimal auszunutzen. Schuon baut den Bestand an E-Lkw in den nächsten Monaten um zwei weitere Einheiten aus.

Die Grundmotivation, etwas zu verändern, ist bei Westfalia Intralog ebenfalls vorhanden. Doch für Geschäftsführer Dirk Schröder ist dabei die Vorbereitung das A und O. „Wir schauen uns sehr genau an, wo und auf welchen Strecken wir eventuell E-Lkw einsetzen können, um dabei auch etwas Positives für den Kunden zu erreichen“, sagt Schröder. Den Umstieg auf E-Lkw bekomme man hin, wenn es bei den Themen Infrastruktur und Reichweite Fortschritte gebe und sich der Einsatz der Fahrzeuge für alle Beteiligten lohne.

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