Fahrerassistenzsysteme: Mein Freund und elektronischer Helfer?
Jedes Jahr kommen Tausende Menschen bei Verkehrsunfällen ums Leben – und nicht selten waren Lkw in die Unfälle verwickelt. Die Ursachen sind vielfältig, doch bei genauerer Betrachtung sticht hervor, dass sich etwa 60 Prozent dieser tödlichen Unfälle ereigneten, weil ein Lkw die Spur wechselte oder auf ein anderes Fahrzeug aufgefahren ist. Mit einigem Abstand folgen – zumeist innerstädtische – Abbiegeunfälle.
Mehreren Studien zufolge, wie der des Allianz-Zentrums für Technik aus dem Jahr 2018, wären viele dieser Unfälle vermeidbar gewesen, wenn die betroffenen Lkw mit geeigneten Assistenzsystemen ausgestattet oder diese aktiv gewesen wären. So hätten Notbremssysteme knapp ein Drittel, Spurwechselassistenten etwa ein Viertel und Abbiegeassistenten etwa ein Achtel der Unfälle verhindern können. Aktive Sicherheitssysteme spielen daher eine wichtige Rolle, um die Sicherheit im Güterverkehr zu verbessern.
Eine Frage der Akzeptanz
Allerdings geht es nicht nur darum, die Techniken zu entwickeln und in die Fahrzeuge einzubauen, die Assistenzsysteme müssen auch vom Fahrpersonal akzeptiert werden. Den Nutzen von Fahrassistenzsystemen erkennen Lkw-Fahrer durchaus, stellen aber gleichzeitig eine freiwillige Anwendung infrage. Solange Assistenzsysteme nicht gesetzlich verpflichtend sind, sollten diese abgeschaltet bleiben, finden viele. Nach wie vor trifft eine weitere Technisierung von Arbeitsplätzen also häufig auf Ablehnung, auch wenn sie ergonomische oder sicherheitsrelevante Vorteile bringen würde. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage der Fachhochschule Westküste und der Kravag unter zumeist deutschen Lkw-Fahrern (92 Prozent).
Ziel dieser Befragung war es, herauszufinden, welchen Zusammenhang es zwischen dem Einsatz von Assistenzsystemen in Lkw und der Attraktivität und Akzeptanz der Tätigkeit gibt. Darüber hinaus konnten aus der Umfrage weitere, maßgebliche Einflussfaktoren für das Wohlbefinden der Fahrer ermittelt werden. Dazu gehören das Verhalten von Vorgesetzten und Kollegen, Trainingsmaßnahmen sowie die technische Funktionsweise und Zuverlässigkeit der Systeme. Eines der wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung war, dass die Fahrer diejenigen Assistenzsysteme, die einen spürbaren Nutzen in der Praxis bringen, tatsächlich akzeptieren. Dabei spielt es vor allem eine Rolle, in welchem Maße die Systeme zur Sicherheit beitragen und Unfälle vermeiden helfen.
Darüber hinaus gaben die Befragten ebenfalls an, dass für sie die Unterstützung durch Führungskräfte und Kollegen wichtig ist. Wird der Umgang mit den Assistenzsystemen in einer freundlichen, offenen Unternehmenskultur gefördert, beeinflusst das das Nutzungsverhalten der Fahrer positiv. Eine gut vorbereitete betriebliche Einführungsphase sowie das Heranführen an neue Techniken über Testphasen sorgen für eine deutlich bessere Akzeptanz der Systeme.
Das Image des Unternehmens wirkt sich hingegen nicht signifikant darauf aus, wie die Fahrer den Nutzen der Assistenzsysteme bewerten. Und umgekehrt verbessert die Ausstattung der Fahrzeuge mit Assistenzsystemen weder das Image des Unternehmens noch dessen Attraktivität als Arbeitgeber. Folglich spielen Assistenzsysteme nur eine untergeordnete Rolle, wenn es darum geht, neues Personal zu finden und an ein Unternehmen zu binden.
Systeme werden selbstverständlich
Auch wenn das Fahrpersonal die Sicherheitsaspekte anerkennt und schätzt, wird gleichzeitig die freiwillige Verwendung infrage gestellt. So hat sich die Mehrzahl der Befragten dafür ausgesprochen, Assistenzsysteme zumindest punktuell abzuschalten, wenn die Nutzung nicht gesetzlich verpflichtend ist. Nicht nur bei Herstellern setzt sich aber zunehmend die Erkenntnis durch, dass der gesetzliche Zwang zum Einbau von Assistenzsystemen die Entwicklung, aber auch deren Akzeptanz vorantreibt.
Trotz aller Bedenken und Einwände der befragten Fahrer lässt sich unter dem Strich feststellen, dass die Akzeptanz und Nutzung von Assistenzsystemen im Lkw zunehmen werden – auch im Zuge des digitalen Wandels des Berufsbilds der Kraftwagenfahrer. (ben)