Ausbildungsprojekt der Spedition Emons: „Sprache ist der Schlüssel zum Erfolg“

In ihrer Ausbildungsumfrage 2024 meldete die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) einen neuen Höchststand an Betrieben, die ihre Ausbildungsplätze nicht besetzen konnten – wieder einmal. Auch in der Transport- und Logistikbranche wird seit Jahren über das sinkende Interesse an gewerblichen Berufen diskutiert.
„Das Thema Fachkräftemangel wird uns als Branche für die nächsten Jahrzehnte begleiten“, ist Ralf Wieland, CEO von Emons, überzeugt. Mit dem Ausbildungsprojekt „Why not logistics“ (WNL) will die Kölner Spedition dem Problem entgegenwirken, indem sie junge Menschen aus der Demokratischen Republik Kongo, Burkina Faso und ab Sommer auch von der Côte d’Ivoire (Elfenbeinküste) nach Deutschland holt, um sie hier zu Berufskraftfahrern, Fachlageristen oder Fachkräften für Lagerlogistik auszubilden.
Einer von ihnen ist Lassina Yassana, der bei Emons in Duisburg eine Ausbildung zum Berufskraftfahrer macht. „Ich komme aus Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso. Die Ausbildung in Deutschland finde ich super, auch wenn die Sprache ein bisschen schwierig ist. Berufskraftfahrer zu sein ist meine Leidenschaft“, erzählt der 28-Jährige.
„Am Anfang hat es mich schon überrascht, wie viele Anfragen wir für das Projekt allein dadurch bekommen haben, dass wir es über soziale Medien einmal geteilt haben“, erinnert sich Wieland. „Dann haben wir eine Kosten-Nutzen-Rechnung gemacht und es einfach ausprobiert – eine günstige Alternative zum hiesigen Ausbildungsmarkt ist es nicht, muss man fairerweise sagen. Es zeigt aber auch, wie groß die Not ist, Menschen zu finden, die sich für Logistikberufe begeistern.“ Damit sich das Ganze auch finanziell rechnet, müssten die Azubis nach der Ausbildung allerdings noch zwei bis drei Jahre für Emons arbeiten: „Unser Ziel ist es also, sie langfristig zu übernehmen.“
Kontakt vor Ort ist entscheidend
Ideengeberin und „Queen of the project“ ist Christiane Bauer, HR-Leiterin bei Emons und Mitglied des vierköpfigen WNL-Teams. „Was mir bei dem Projekt besonders viel Spaß macht, ist der Austausch mit den unterschiedlichen Institutionen und dass ich als Personalerin jungen Menschen eine Perspektive bieten kann. Die Kombination aus dem wirtschaftlichen und sozialen Faktor finde ich toll“, schwärmt Bauer, die seit 27 Jahren bei Emons arbeitet.
Initiiert wurde das Pilotprojekt über Emons Digital, einem Geschäftsbereich, der neue digitale und innovative Geschäftsmodelle identifiziert und zur Marktreife bringt. Unterstützung bekommt das WNL-Team darüber hinaus vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und dem Goethe-Institut als Partner für die Sprachausbildung und Vorintegration im Herkunftsland.
„Die Sprache ist der Schlüssel zum Erfolg“, weiß Bauer, die selbst persönliche Verbindungen auf den afrikanischen Kontinent hat. „Ich glaube, viele Deutsche wissen gar nicht, dass das Interesse an der deutschen Sprache und Kultur in Afrika so groß ist. Das hat mich sehr beeindruckt.“ Allein für dieses Jahr seien über die digitale Bewerbungsplattform der Initiative schon 2.000 Bewerbungen eingegangen. Um für die Ausbildung in Deutschland infrage zu kommen, müssen die Bewerber die Sprachprüfung B1 über das Goethe-Institut bestehen und sich zertifizieren lassen.
Um die jungen Menschen und ihre Lebensumstände kennenzulernen und über das IHK-Ausbildungssystem zu informieren, reist das WNL-Team regelmäßig selbst in die Heimatländer der Azubis. „Der persönliche Kontakt und ein Netzwerk sind enorm wichtig. So können wir auch viel besser nachvollziehen, wie sich die jungen Leute fühlen, wenn sie aus Afrika nach Deutschland kommen“, sagt Bauer.
Zu den Aufgaben des Projektteams gehören neben der Auswahl geeigneter Kandidaten auch die Visabesorgung, die Formalitäten für die Einreise nach Deutschland und die Abholung vom Flughafen. In einem intensiven Onboarding werden die Azubis nach ihrer Ankunft in Deutschland zunächst zu Themen wie Versicherungen, Mülltrennung, den Nahverkehr oder richtiges Lüften in hiesigen Wohnungen geschult – auch ein interkulturelles Training mit den Ausbildern und ein Erste-Hilfe-Kurs stehen auf dem Programm.
„Die größte Herausforderung in Deutschland ist für mich die Sprache“, sagt der 24-jährige angehende Fachlagerist Mickael Nanan, den Christiane Bauer bereits in seiner Heimat Burkina Faso kennengelernt hat. Auch für den 23-jährigen Christian Maleika aus Kinshasa ist die deutsche Sprache gewöhnungsbedürftig, doch fachlich ist er seinen deutschen Azubi-Kollegen voraus: „Ich bin ausgebildeter Mechaniker, und ein Motor funktioniert im Kongo genauso wie in Deutschland.“
Expansion in weitere Branchen
Seit Projektbeginn vor zwei Jahren haben 17 angehende Berufskraftfahrer und 11 junge Menschen im Lagerbereich ihre Ausbildung begonnen. „Nicht alle Niederlassungsleiter haben mich direkt mit offenen Armen empfangen. Da gehört auch viel Überzeugungsarbeit dazu“, berichtet Bauer von den Herausforderungen ihrer täglichen Arbeit. Aktuell beteiligen sich neun Emons-Standorte an der Initiative, weitere sollen folgen. Seit einem Jahr werden auch Azubis gegen eine finanzielle Beteiligung an den anfallenden Kosten an andere Logistiker vermittelt.
Für die kommenden Jahre hat die Spedition große Pläne für ihr Projekt: „Wenn das Konzept erfolgreich ist, wäre es denkbar, damit in weitere Branchen einzutreten. In der Gesundheits- und Reinigungsbranche werden zum Beispiel händeringend Leute gesucht“, so Wieland.
„Wir sind dazu tatsächlich auch schon in ersten Gesprächen gewesen. Das Interesse und der Bedarf sind definitiv da, aber wir haben es noch nicht weiter konkretisiert“, ergänzt Tilo Hergarten, Geschäftsführer von Emons Digital. Ohne Projekte wie „Why not logistics“ werde es die Transport- und Logistikbranche in Zukunft jedenfalls schwer haben, ist CEO Wieland überzeugt: „Ohne internationales Recruiting werden Unternehmen ihren Personalbedarf in den nächsten Jahren nicht mehr decken können.“
Damit die Integration ausländischer Arbeitskräfte gelingen kann, müssen aber auch die Rahmenbedingungen stimmen. „Durch das neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz wurden die Sprachhürden leider gesenkt. Davon halte ich nichts. Das Projekt gelingt vor allem dadurch, dass die Auszubildenden die Sprache möglichst gut können“, kritisiert Bauer. Ob sich die Regularien mit der neuen Bundesregierung wieder ändern, bleibt abzuwarten.