Kaffeehändler verladen wieder konventionell

Ein ganzer Schiffsbauch voller Big Bags, eng gereiht und etliche Lagen hoch. Vor den Stauern in ihren gelben Westen, die unter blauem Himmel und bei Sonnenschein über Berge von Säcken kraxeln und jeden einzelnen einhaken („anschlagen“), damit sie in Zwölferbündeln an einer Traverse von Bord gehievt werden können, liegt viel Arbeit.
Eine Lage Säcke noch bis zum Zwischendeck, darunter weitere fünf Lagen fast über die gesamte Schiffslänge von über 100 Metern. Axel Boedtger, Bereichsleiter Kaffee & Kakao beim Umschlag- und Lagereinunternehmen J. Müller Weser im Holz- und Fabrikenhafen in Bremen, fühlt sich beim Anblick oben von der Pier an seine Lehrzeit erinnert.
„Damals war das ganz normal. 40.000 Sack Kaffee in einem Schiff. Das war viel Handarbeit beim Entladen.“ Auf dem Mehrzweckfrachter „Al Udeid“ (10.500 tdw) der türkischen Reederei Movers Denizcilik sind es knapp über 7.000 Big Bags voll Rohkaffee, Stückgewicht 1 Tonne, geladen in Ho Chi Minh in Vietnam. Die Menge reicht aus, um fast 350 Container zu füllen.
Dass die Ware stattdessen konventionell per Breakbulk aus dem Ursprungsland herangeschafft wird, sagt viel darüber aus, wie stark der Seefrachtmarkt wieder aus den Fugen geraten ist. „Verfügbare Containerkapazitäten sind knapp, die Seefrachtraten stark angestiegen, so dass die Kunden nach Alternativen suchen“, sagt Boedtger.
Not macht erfinderisch
Normalerweise landet der schwere Rohkaffee in 20-Fußcontainern bei J. Müller an. Die sind in den Erzeugerregionen aber jetzt so schwer zu bekommen, dass immer häufiger auf 40-Fuß-Container ausgewichen werde. „Die sind dann nur halb voll, und man braucht für das Handling besondere Kipp-Chassis“, so Boedtger. Keine optimale Lösung.
Dass sich da ein großer deutscher Importeur dazu entscheidet, ein ganzes Schiff zu chartern und die Ware konventionell zu verladen, sei keine Überraschung. Während der Corona-Pandemie, als Container und Stellplätze so rar wie noch nie waren, buchten Händler und Röstereien schon einmal ganze Schiffe – zum ersten Mal seit Jahrzehnten.
An drei Frachter, die in dieser Zeit nach Bremen kamen, kann sich Boedtger erinnern. Nach 2022 war Schluss damit – für alle Zeiten, dachten alle. Kaum zwei Jahre später zwingen die Marktturbulenzen infolge der Krise im Roten Meer die Kaffeelogistiker nun erneut dazu, Alternativen zum Container zu nutzen.
„Es werden bestimmt noch weitere Schiffe gechartert, weil sich die Röstereien vor Jahresende noch ordentlich bevorraten wollen“, sagt Boedtger. Das Angebot am Rohkaffeemarkt sei eher knapp, die Nachfrage hoch. Dazu kommt, dass die EU ab Ende des Jahres die Importregeln verschärft und von allen Lieferanten Nachweise verlangt, dass für den Anbau in den Erzeugerländern keine Flächen entwaldet wurden.
Druck auf Kapazitäten dürfte noch zunehmen
„Viele Bauern werden aber Probleme haben, entsprechende Zertifikate vorzulegen. Importeure stellen sich auf Engpässe ab kommendem Jahr ein und führen deshalb jetzt schon mehr Ware ein.“ Der Druck auf die Transportkapazitäten und auf die Lagerflächen am Rohkaffee-Hub Bremen dürfte daher im zweiten Halbjahr zunehmen, befürchtet Boedtger.
Für J. Müller Weser ist die „Al Udeid“ – 2004 von einem deutschen Reeder gebaut, später zwangsversteigert und noch weiterverkauft – das erste konventionelle „Kaffeeschiff“, das in Eigenregie am Hansakai-Terminal in Bremen abgefertigt wird. 25 Mitarbeiter – Stauer, Lkw-, Kran- und Staplerfahrer – sind dafür im Dreischichtsystem im Einsatz. Innerhalb von dreieinhalb Tagen soll das Schiff komplett entladen, die gesamte Ware eingelagert sein.
„2.000 Big Bags pro Tag sind das Ziel. Da liegen wir jetzt sogar knapp drüber“, sagt Boedtger. Was den Experten erstaunt, ist, dass es keine nennenswerten Schäden und Qualitätsabstriche bei der Ware gebe – trotz der langen Reise und dem Fehlen einer schützenden Containerwand rundherum.
„Das bisschen Schwitzwasser oben auf den Verpackungen konnte man wegwischen, der Kaffee blieb trocken.“ Dass sich der Transport von Rohkaffee als Breakbulk wieder einzuspielen scheint, gebe den Händlern Sicherheit, unterstreicht Boedtger. „Alle sehen, dass es funktioniert. So kann man in Krisensituationen in der Zukunft immer wieder auf dieses Mittel zurückgreifen.“ (ol)