Der lange Weg zum Autonomen Maritimen System

Der autonome Betrieb von Seeschiffen hat das Potenzial, die maritime Transportkette grundlegend zu verändern. Doch nach wie vor müssen viele Fragen geklärt werden – unter anderem zur Betriebssicherheit und dem regulatorischen Rahmen.

Autonome Schiffe werden bereits erprobt. (Foto: Rolls Royce)

Die grundsätzlichen Vorteile liegen auf der Hand: Für den Betrieb voll autonomer Schiffe ist viel weniger Personal notwendig, es muss keine Crew an Bord sein und es steht mehr Platz für Ladung zur Verfügung. Die im April 2023 veröffentlichte Studie „Out of the Box“, die von der Klassifkationsgesellschaft Lloyd's Register (LR) und dem maritimen Beratungsunternehmen Thetius erstellt wurde, bescheinigt den autonomen Systemen in der Seeschifffahrt ein entsprechend hohes Entwicklungspotenzial: Bis zum Jahr 2028 werden voraussichtlich rund 5 Milliarden US-Dollar in KI-gesteuerte Systeme und autonome Schiffe investiert – und die Experten gehen davon aus, dass sich die neuen Techniken weiter durchsetzen werden.

Erfolgreiche Versuche

Bereits jetzt mehren sich die Meldungen rund um das Thema. So ist etwa die „Yara Birkeland“, das erste vollelektrische und autonome Containerschiff der Welt, seit dem Jahr 2022 in Norwegen unterwegs. Ebenfalls im letzten Jahr überquerte das von IBM entwickelte unbemannte Schiff „Mayflower“ erfolgreich den Atlantik. Im Juni dieses Jahres erteilte Lloyd's Register dem südkoreanischen Unternehmen Samsung Heavy Industries (SHI) die grundsätzliche Genehmigung (AiP) für den Einsatz eines autonomen Navigations- und eines Kommunikationssystems.

All das zeigt, wie sehr die technische Entwicklung voranschreitet. Die IMO (Internationale Seeschifffahrtsorganisation) unterscheidet hier vier Stufen. Auf der Stufe 1 wird die Besatzung durch die Systeme in der Entscheidungsfindung unterstützt. Bei Stufe 2 ist das Schiff automatisiert unterwegs, wobei aber eine Besatzung an Bord ist, um im Bedarfsfall eingreifen zu können. Auf der dritten Stufe ist das Schiff ohne Besatzung unterwegs, wird aber per Fernsteuerung überwacht. Danach folgt der letzte Entwicklungsschritt hin zum voll autonomen Schiff (Stufe 4), das unabhängig agiert.

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg, denn der Umstieg auf hochautomatisierte oder voll autonome Systeme in der Seeschifffahrt ist ein komplexes Unterfangen. Daher ist die „Yara Birkeland“ nicht gänzlich unbemannt unterwegs und die Atlantiküberquerung der „Mayflower“ gelang auch erst im zweiten Anlauf.

Binnenschiffer einen Schritt weiter

Etwas weiter vorangeschritten ist die technische Entwicklung in der Binnenschifffahrt, wo Belgien zu den Vorreitern zählt. Hier setzt etwa der belgische Technik- und Serviceanbieter Seafar auf ferngesteuerte und besatzungsreduzierte Schiffe. Schublaster sollen teils mit nur noch einem Matrosen an Bord unterwegs sein. Und auch hierzulande will das Unternehmen um den Jahreswechsel herum mit der Überwachung von teilautonomen Schiffen von Duisburg aus starten.

Neben den noch zu lösenden technischen Herausforderungen stehen weitere Themen zur Debatte. So ist zum Beispiel noch nicht geklärt, ob beziehungsweise unter welchen Bedingungen „Autonome Maritime Systeme“ (AMS) rentabel sind. Hinzukommen viele Fragestellungen rund um Cybersicherheit und die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. Regulatorisch wartet ebenfalls noch jede Menge Arbeit beispielsweise auf die hiermit befassten Arbeitsgruppen der IMO, das Maritime Safety Committee (MSC), das Legal Committee (LEG) und das Facilitation Committee (FAL).

Haftungs- und Sicherheitsfragen

Dabei geht es zum Beispiel um das komplizierte Thema der Haftung sowie um die Entwicklung eines MASS-Code (Maritime Autonomous Surface Ships), der ein Sicherheitsregime für autonom fahrende Schiffe etablieren soll. Dieser Code soll 2025 in einer nicht verbindlichen Form vorliegen. 2028 soll dann eine verbindliche Version folgen.

Erste Ergebnisse gibt es dennoch: So soll es etwa, unabhängig vom Grad der Autonomie, stets einen verantwortlichen Kapitän geben, auch wenn sein Aufenthalt an Bord möglicherweise nicht zwingend notwendig ist. Dieser müsste jederzeit bei Bedarf eingreifen können. Allerdings könnte ein Kapitän, der in einer Leitzentrale arbeitet, gleichzeitig für mehrere AMS verantwortlich sein. Doch noch ist das Zukunftsmusik. (ben)

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