Beim Anlegen hilft das SAMS

Der Hafenbetreiber Bremenports hat in Bremerhaven ein Radarsystem installiert. Es soll beim Anlegen unterstützen und könnte auch den Terminalbetreibern nutzen.

SAMS-Projektleiter Peter Kara von Bremenports. (Foto: Phillipp Steiner)

Es wird dunkel an der Bremerhavener Containerkaje, und zwar mitten am Tag. Denn der Container-Carrier „Mogens Maersk“ manövriert, unterstützt von drei Schleppern, heran. In der Wellenkammer im unteren Teil der Kaje nimmt das Tageslicht ab, je näher das Schiff rückt. Bis der Riese seinen Rumpf geradezu sanft gegen den nächstgelegenen Fender drückt. Ein Anlegen wie aus dem Bilderbuch, lobt Peter Kara von Bremenports.

Kara ist in die Wellenkammer gekommen, um vor Ort das SAMS zu erklären. Es soll dafür sorgen, dass Schiffe stets möglichst problemlos an der Kaje anlegen und wieder ablegen – selbst wenn das Wetter nicht so schön ist wie an diesem Tag, wenn Nebel oder Nacht herrschen, es regnet und die Wellen hoch gehen. Das Akronym steht für Schiffs-Anlege-Mess-System. „Es misst die Distanz, den Winkel des Schiffes, die Anlegegeschwindigkeit und den Energieeintrag in die Kajenkonstruktion“, sagt Kara.

Metallkonstruktionen mit Sensoren

Genutzt werden soll das System künftig insbesondere von Lotsen und Besatzungen als „Entscheidungshilfe“ beim Manövrieren der Schiffe, so der Ingenieur und SAMS-Projektleiter. Das SAMS ist auf bislang 2.200 Metern der knapp 5.000 Meter langen Stromkaje montiert, in den nördlichsten, neuesten Abschnitten 3a und 4. Und zwar in der Wellenkammer, die sich unter der gesamten Kaje hinzieht. Dort hängen die unscheinbaren Metallkonstruktionen mit Sensoren, 57 Stück, im Abstand von rund 30 Metern jeweils neben einer Fendertafel unter der Decke. Oben auf der Kajenoberfläche würde das System den Umschlag stören, weiter unten in der Wellenkammer das Wasser zu nahe kommen. Kabel führen letztlich in einen unscheinbaren Raum hinter der Wellenkammer, wo die Verarbeitungselektronik steht. Von da werden die Daten ins Bremenports-Netz geleitet.

Die einzelnen Geräte senden Radarstrahlen horizontal hinaus auf die Weser. Bis zu 90 Meter vor der Kaje können Schiffe laut Kara erfasst werden. Als Nulllinie sei die Außenkante der Schwimmfender kalibriert. Dank dessen könnten auch Bauingenieure einst mit den Daten arbeiten, heißt es bei Bremenports. Denn die Kräfte, die beim Anlegen auf die Fender und somit letztlich auf die Kajenkonstruktion wirken, lassen sich errechnen, je nachdem wie stark ein Schiff die Fender zusammendrückt.

In einem früheren Projekt hatte der Hafenbetreiber schon zehn Jahre lang per Radarsensoren Daten erfasst und sie aufgezeichnet, allerdings nur an einem Liegeplatz, erläutert Kara. Das jetzige Projekt, rund 1,5 Millionen Euro teuer, sei 2022 gestartet und seit Sommer 2024 voll in Betrieb. Das heißt, Schiffe werden erfasst und die Daten gespeichert. Genutzt werden sie bisher aber noch nicht. Das werde jetzt vorbereitet, erklären Kara und Matthias Hinz, der bei Bremenports für die Smartport-Strategie verantwortlich zeichnet.

Latenzzeit von einer Sekunde

Die Smartport-Strategie bildet den Rahmen der Digitalisierung der Bremischen Häfen und das SAMS fällt in diesen Rahmen. Aktuell gehe es in Port2Connect, einem weiteren Smartport-Projekt, darum, die mit dem SAMS erhobenen Daten aufzubereiten, zu visualisieren und den potenziellen Nutzern zur Verfügung zu stellen. Das wären insbesondere die Lotsen auf den Schiffen vor der Containerkaje. Die Daten sollen mit einer Latenzzeit von einer Sekunde, übertragen über spezielle Funkfrequenzen, auf die bereits in Gebrauch befindlichen tragbaren Lotsengeräte aufgespielt werden, so Kara.

Die Lotsen zeigen sich offen. Sie erwarten „durch die Abstandsmessanlage einen Mehrwert beim Anlegen von Schiffen, insbesondere bei eingeschränkter Sicht durch Nebel“, erklärt Dirk Friedsam, zweiter Ältermann der Hafenlotsengesellschaft Bremerhaven. „Diese Technologie kann uns helfen, die Sicherheit und Leichtigkeit unserer Hafenoperationen weiter zu erhöhen.“

Kommt es doch mal zu einer Havarie, könnte das SAMS zur Aufklärung beitragen. Kara: „Dann kann man protokollieren, was zu der Havarie geführt hat, Geschwindigkeit zu hoch, Winkel falsch, all diese Faktoren werden gemessen.“ Havarien seien zwar selten, gehen aber ins Geld. Ein Fender wie der, den die „Mogens Maersk“ nur leicht zusammendrückt, koste mit Montage 30.000 Euro. Darüber hinaus könne das System anzeigen, wenn ein Schiff sich ungeplant von der Kaje entfernt.

Denkbar sei ferner, die Daten den Terminalbetreibern zur Verfügung zu stellen. Schließlich lege ein Schiff am Ende nicht immer da an, wo es ursprünglich geplant war. Mit den SAMS-Daten ließe sich im Nachhinein schauen, wie die Kaje tatsächlich belegt war und wo man optimieren könnte.

Generell könnte es auf die älteren Kajenabschnitte in Bremerhaven erweitert werden, doch dort sind erst einmal grundlegende Modernisierungen geplant. Darüber hinaus sei das System auch für andere, auch kleinere Häfen einschließlich im Binnenland denkbar, weiß Kara. Es könnte in seinen Augen dabei auch als Signal an die Schiffsbesatzung taugen: „Also Ihr kommt mit einem großen, schweren neuen Schiff an eine ganz alte Kaje – fahrt mal ein bisschen vorsichtig.“ (alb)

Bremens Weg zum smarten Hafen

Seit 2024 steht die Smartport-Strategie. Sie bildet den Rahmen der Digitalisierung der Häfen in Bremerhaven und Bremen. Es wurden sieben Themenfelder entwickelt, darunter „Infrastruktur & Geschäftsprozesse“, „Cybersecurity & Rahmenbedingungen“ und „Nachhaltigkeitsmanagement“. Die Strategie wurde nicht vom Hafenbetreiber Bremenports allein erarbeitet, sondern mit Spediteuren, Reedern und Umschlagsbetrieben, wissenschaftlichen Einrichtungen, Behörden und weiteren Unternehmen und Organisationen.

Manche Projekte werden vorrangig oder völlig allein von den Partnern umgesetzt, sagt Matthias Hinz, Smartport-Koordinator bei Bremenports. Als Beispiel nennt er das Twin-Sim-Projekt bei Eurogate für einen digitalen Zwilling des Containerterminals. An anderen Projekten hat Bremenports großen Anteil. Ihr Leuchtturmprojekt sei die Digitale Weser. Damit sollen die Zu- und Abläufe der Schiffe besser vernetzt und digital optimiert werden. Es gehe darum, dass sich Schiffe früh anmelden und die Crews ihrerseits sehen, wann sie kommen können, zum Beispiel abhängig von der Tide und Verfügbarkeiten von Lotsen und Schleppern, sagt Hinz. Das laufe international unter dem Stichwort Just-in-time-Arrival, dass Schiffe „wirklich genau dann hier sind, wenn es passt“. Dies könne große Auswirkungen auf die Nachhaltigkeit haben, weil ein Schiff früh anfangen könne, die Geschwindigkeit anzupassen. Es gehe nicht nur um die Bremischen, sondern auch um die niedersächsischen Häfen an der Weser. Absprachen laufen derzeit oft über Telefon, Funk oder E-Mail. Das soll die Digitale Weser als zentrale Softwareplattform ersetzen. Hauptnutzer werde das Hafenamt. Es hat das letzte Wort, wenn es darum geht, welches Schiff wo fahren und liegen darf, so der Koordinator.

„Aber diese Plattform lebt auch nur, wenn alle Beteiligten – Reedereien, Terminals, Schlepper, Lotsen, Agenten – ihre Daten verbindlich zur Verfügung stellen und sich am Ende auch an das halten, was auf dieser Plattform verabredet wird.“ Übrigens auch Daten aus dem SAMS. Die Smartport-Strategie sei der richtige Weg, findet Hafenpolitiker Thorsten Raschen. Er sitzt für die oppositionelle CDU in der Bremischen Bürgerschaft. Allerdings seien die Häfen bei der Digitalisierung gegenüber Wettbewerbern wie Rotterdam und Antwerpen um Jahre zurück, moniert er.

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