Gotthard-Basistunnel: Wie es zu dem Unglück gekommen ist

Was mit einer kleinen Randnotiz über eine entgleisten Güterwaggon begann, hat sich als Unfall mit massiven Folgen für den Schienengüterverkehr im Alpentransit herausgestellt. Doch was ist überhaupt passiert? Warum entgleist der erste Waggon bereits bei Kilometer zwölf und der Zug fährt acht Kilometer weiter? Die Historie des Unglückszuges. 

Der erste Waggon des abgetrennten Zugteils hat die Sicherheitstür durchschlagen. Einige Paletten mit Ware, Teile der Vorderfront des Waggons sowie der Boden haben es noch durch die Tür geschafft. (Foto: SBB CFF FFS)

Donnerstag, 10. August 2023: Ein Güterzug im Einzelwagenverkehr mit insgesamt 30 Waggons ist auf dem Weg von Chiasso im Süden der Schweiz Richtung Basel nach Deutschland. Die Waggons stammen aus fünf unterschiedlichen Regionen Italiens. In Chiasso wurden sie zu einem Zug zusammengestellt.

Zwischen Lugano und Bellinzona beobachtet ein entgegenkommender Lokführer eine Rauchentwicklung an einem der Waggons. In Bellinzona hält der Zug. Ursache ist eine festsitzende Bremse. Der Fehler wird behoben, und der Zug fährt weiter. Wenige Kilometer vor dem Gotthard-Brenner-Basistunnel passiert der Güterzug die digitale Zugkontrolleinrichtung. Ein Problem wird nicht festgestellt.

Nach 12 Kilometern nimmt das Unglück seinen Lauf

Etwa nach 12 Kilometern in der Weströhre passiert es: Ein Waggon springt aus dem Gleis. Dabei handelte es sich mutmaßlich nicht um den Wagen, der die Bremsprobleme hatte. Weiterhin fährt der Zug kompakt bergauf zum Scheitelpunkt, mit voller Kraft, mit etwa 100 Kilometer pro Stunde. Bei diesem Tempo spürt der Lokführer vorne nichts von dem sich anbahnenden Unglück. Unterwegs springen bei dem Tempo noch mehrere Waggons aus dem Gleis. Die Stahlreifen demolieren die Gleise und am Ende 20.000 Betonschwellen. Die Türen der Waggons halten den Erschütterungen nicht stand. Einige öffnen sich, und die Ware, darunter Weinflaschen und Lebensmittel, verteilen sich über mehrere Kilometer.

Vorarbeiten zum Einbau der provisorischen Sicherheitstür: So lange die nicht installiert ist, darf kein normaler Zugbetrieb aufgenommen werden, weder in der Weströhre und auch nicht in der unversehrten Oströhre

Bei etwa Kilometer 20 kommt der Zug zum Stehen, aber nicht durch den Lokführer: Denn der Zug erreicht eine Weiche, und dort, wo der erste Waggon nicht mehr in der Spur ist, dort zerreißt es den Zug. Die Kupplung trennt sich, Brems- und Luftschläuche ebenfalls. Dadurch wird in der Lok der Bremsvorgang ausgelöst.

Ungebremst mit 100 km/h gegen das Sicherheitstor

Doch der hintere, abgerissene Teil des Zuges biegt auf der Weiche ab und fährt mit 100 Stundenkilometern Richtung Oströhre. Diese Verbindungsgleise dienen dem Gleiswechsel. Getrennt sind sie durch ein massives Sicherheitstor, das nur bei Bedarf geöffnet ist. Der abgetrennte Zugteil rast in das Tor, zerschlägt es, kommt dann zum Stehen, und nur der vordere Teil des ersten Waggons durchdringt die Tür.

„Zum Glück gab es keine Verletzten“, sagt SBB-Chef Vincent Ducrot.

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