Güterbahnen: Geschäftsmodell unter Druck

Eine Umfrage der DVZ unter den Chefs großer Güterbahnen verdeutlicht: Die Lage ist schon jetzt prekär. Und wenn nicht vor allem seitens der Politik ein anderer Kurs eingelegt wird, steuern die Unternehmen auf eine düstere, auf jeden Fall sehr ungewisse Zukunft zu.

Sehr zu schaffen machen den Güterbahnen die vielen Baustellen im deutschen Schienennetz, die häufig mit zu wenig Vorlaufzeit angekündigt werden. (Foto: dpa)

Wie dramatisch die Situation derzeit auf der Schiene ist, dafür steht der offene Brief bedeutsamer Anbieter im Kombinierten Verkehr (KV) und verschiedener europäischer Verbände vom 29. Oktober an Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder und die neue Bahnchefin, Evelyn Palla. Die Inhalte des Schreibens machen deutlich, mit welchen Hürden die Akteure im intermodalen Transport gerade in Deutschland zu kämpfen haben. „Rettet den Kombinierten Verkehr“, ist der Brief plakativ überschrieben. Aber auch das hat es bislang noch nie gegeben: Wichtige KV-Player und Vertreter der Branche wenden sich an die Politik und die DB und bitten dringend um Hilfe.

Die Umfrage der DVZ unter einigen in Deutschland tätigen Güterbahnen war bereits vor der Veröffentlichung des Briefes abgeschlossen, der Tenor ist jedoch ähnlich, wenn es um den Befund zur aktuellen Lage geht. „Die Entwicklung in 2025 ist geprägt von stagnierenden Mengen, das erwartete leichte Wachstum ist ausgeblieben“, sagt Götz Jesberg, Geschäftsführer der Rheincargo, der Rail-Sparte von HGK. Immerhin, für 2026 zeigt er sich optimistisch und rechnet mit einem Wachstum in einem niedrigen, einstelligen Bereich.

Eintrübung nach gutem Start

Bei TX Logistik hat sich die Lage vor allem seit dem Sommer eingetrübt. „Im ersten Halbjahr sind wir insbesondere im intermodalen Bereich zufriedenstellend gestartet. Dieser positive Trend ist im zweiten Halbjahr leider deutlich abgeflacht“, sagt Dirk Steffes, Chief Sales Officer. Als Ursache nennt er unter anderem „die zunehmende Unzuverlässigkeit der Schieneninfrastruktur“. Und dann hätten noch Murenabgänge im Juli Teile der Brennerstrecke blockiert, eine der Hauptschlagadern des Netzwerkes von TX Logistik.

Henrik Würdemann, Geschäftsführer der Captrain-Deutschland-Gruppe, erwartet für sein Unternehmen eine Stagnation. In seinem Unternehmen sei es gelungen, die konjunkturell bedingt schwächere Nachfrage in Bestandsgeschäften im Wesentlichen durch Neugeschäft auszugleichen.

BLS Cargo und SBB Cargo International verlieren zweistellig

Mit einem sinkenden Transportvolumen zwischen 10 bis 12 Prozent rechnet Dirk Stahl, CEO von BLS Cargo. Dafür sei die schwache Marktentwicklung verantwortlich, aber auch die ungenügende Trassenverfügbarkeit in Deutschland aufgrund von Baustellen und kurzfristigen Streckensperrungen. Nicht viel besser sieht es bei SBB Cargo International aus, wo CEO Sven Flore einen Rückgang der Zugkilometer um 12 Prozent gegenüber dem ohnehin schon „sehr konservativ gemachten Plan“ prognostiziert. Flore führt die gleichen Ursachen wie Stahl an.

Von einem Rückgang in der gleichen Dimension geht Stefan Marx aus, Geschäftsführer bei Boxxpress. Auf 10 Prozent prognostiziert er das Minus für 2025, wofür der Spezialist für den Seehafenhinterlandverkehr neben den bereits genannten Ursachen auch Kapazitätsengpässe in der Infrastruktur im Hamburger Hafen verantwortlich macht.

Metrans legt zu

Etwas aus der Reihe fällt die HHLA-Tochter Metrans mit der Entwicklung im Jahr 2025. Im ersten Halbjahr erhöhten sich die Containertransporte im Vergleich zum Vorjahr um 20,2 Prozent. Ein Teil des Wachstums dürfte von der Übernahme der Spedition Roland herrühren. Deren Mengen wurden im Vorjahr nur im Juni dazugezählt. Dennoch profitierte das Unternehmen von den zunehmenden Verkehren mit den norddeutschen und adriatischen Seehäfen und den DACH-Verkehren.

Der Ausblick für 2026 fällt sehr verhalten aus. Jesberg (Rheincargo) rechnet immerhin noch mit einer leichten Steigerung im niedrigen einstelligen Prozentbereich. Stefan Marx (Boxxpress) erwartet eine Stabilisierung der Entwicklung auf dem Niveau des Jahres 2025 – sofern die Probleme mit der Infrastruktur nicht so gravierend ausfallen wie im laufenden Jahr. Clemens Först, Vorstand ÖBB Rail Cargo Group, nennt zwar keine konkrete Zahl. Aber er geht von einer „leichten Erholung der Wirtschaft“ aus. Das Kundensegment, das er mit RCG in den kommenden Jahren noch stärker ansprechen will, sind mittelständische Kunden, die Sendungsgrößen von einem Container bis hin zu einer Wagengruppe haben. „Das ist der primäre Wachstumsfokus der RCG für die Zukunft“, sagt Först.

Ausblick auf 2026

Laut Steffes (TX Logistik) ist 2026 „kein großes Wachstum“ zu erwarten. Eigentlich sollte der KV der entscheidende Wachstumstreiber im Schienengüterverkehr sein, so Steffes. „Doch statt an Dynamik zu gewinnen, wird er aktuell in seiner Entwicklung gebremst“, sagt der TX-Logistik-CSO. Er zählt eine Reihe von Faktoren auf, die ein Wachstum verhindern: die steigenden Trassenpreise, wachsende Kosten in nahezu allen Bereichen, eine erodierende Netzqualität sowie infrastrukturelle Engpässe und Baustellen, die die Planbarkeit und Verlässlichkeit der Transporte weiter beeinträchtigen.

Nach Einschätzung von Würdemann (Captrain) sind seriöse Voraussagen, wenn überhaupt, nur mit erheblichen Unsicherheiten möglich. Neben der sehr fragilen Konjunktur nennt er die bis zum Zeitpunkt der Befragung Ende Oktober unklaren Randbedingungen hinsichtlich Trassenpreisentwicklung, Trassenpreisförderung und Einzelwagenförderung. „Daraus ergeben sich Unklarheiten in Bezug auf den Zug-Kilometer-Preis in Höhe von bis zu 20 Prozent“, macht er klar, wie bedeutsam die von der Politik bislang nicht geklärten Be- oder Entlastungen sind. Zum jetzigen Zeitpunkt hält er eine Verringerung des Gesamttransportvolumens im Markt für „sehr wahrscheinlich“, geht aber dennoch für Captrain von einem Zuwachs aus. Diesen will er vor allem durch den Hinzugewinn von neuen, logistisch anspruchsvollen Netzwerktransportleistungen mit vielfach kleineren Sendungsgrößen erreichen.

Das Aus für Ralpin

Mit einem weiteren Rückgang in Höhe von 7 Prozent beim Verkehrsvolumen rechnet Stahl (BLS Cargo). Ein Grund dafür ist die vorzeitige Einstellung der Ralpin. 3.000 Züge haben die Schweizer noch 2025 für die Rollende Landstraße gefahren. Der Betrieb wird nun aber ab 2026 aufgrund der widrigen Infrastruktursituation in Deutschland gestoppt. Als weitere Faktoren, die zu dem rückläufigen Volumen führen, nennt Stahl größere Baustellen sowohl im Norden Italiens wie auch an der Rheinschiene in Deutschland sowie die höheren Trassenpreise, die dazu führen, dass sich die Wettbewerbsposition der Schiene gegenüber der Straße weiter verschlechtert.

Ähnlich kritisch beurteilt sein Schweizer Kollege Flore (SBB Cargo International) die Situation. „Kosten und Qualität treiben die Kunden, insbesondere des KV, zurück auf die Straße“, so seine Beobachtung. Einzelne Mitbewerber würden bereits zum Verkauf stehen oder befänden sich in der Insolvenz. Für SBB Cargo International rechnet Flore jedoch mit einem geringen Wachstum der Zugkilometer von gut 2 Prozent. Das hängt aber auch mit der schlechten Entwicklung im laufenden Jahr zusammen. Weiterhin läge damit die absolute Zahl der Zugkilometer immer noch niedriger als die aus dem Jahr 2024.
 

Skeptische Aussagen zur DAK

Die DVZ hat die Güterbahnen zu weiteren Themen befragt. So haben die Unternehmenschefs auf die Frage geantwortet, wie sie die „Agenda für zufriedene Kunden auf der Schiene“ von Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder bewerten („nicht gut“, so viel sei verraten).

Außerdem skizzieren sie, was sie im Rahmen der Generalsanierung von der DB InfraGo erwarten. Und sie nehmen Stellung zur Digitalen Automatischen Kupplung (DAK): Hier äußern sich einige Bahnchefs durchaus kritisch. Die Antworten finden Sie auf der Seite Trendchecks im Bereich DVZ plus: www.dvz.de/bahn-umfrage 

Trassenpreisreform erforderlich

Wenn es darum geht, was sich bessern und ändern muss, damit der Schienengüterverkehr wieder auf den Wachstumspfad einschwenkt und damit auch seine Aufgabe erfüllt, die Klimaziele im Verkehr zu verwirklichen, wird häufig die Politik als wesentlicher Gestalter für die Rahmenbedingungen genannt. Die Herstellung der Wettbewerbsgleichheit fordert Jesberg (Rheincargo). Sein Kollege Marx von Boxxpress teilt die Ansicht und sieht als ein Instrument die Neugestaltung der Trassenpreiserhebung. Zudem plädiert er für eine Regelung, die festlegt, dass DB InfraGo bei Schlechtleistung entsprechende Strafen zahlt. So könne das Unternehmen dazu animiert werden, eine bessere Leistung zu erbringen.

Först (RCG) hält die derzeitige national erfolgende Zuteilung von Trassen nicht mehr als zeitgemäß. „Stattdessen brauchen wir ein europäisches Kapazitätsmanagement“, fordert der Chef der österreichischen Güterbahn. Zudem beklagt er die fehlende Kostenwahrheit im europäischen Verkehrssystem und wünscht sich eine Korrektur: „Der Lkw überwälzt die Kosten, die er verursacht, auf die Gesellschaft“, sagt Först und nennt als Beispiele die Kosten für CO2-Emissionen, Staus und Unfälle. Den Ausbau und die Modernisierung der Infrastruktur sind aus Sicht von Peter Kiss, CEO von Metrans, dringend notwendig, da viele Strecken überlastet oder sanierungsbedürftig seien.

Eine Kompensation der Zusatzkosten infolge von Umleiterverkehren und eine Priorisierung des Schienengüterverkehrs – und hier vor allem des Kombinierten Verkehrs – auf den Hauptachsen fordert Dirk Steffes (TX Logistik). „Nur wenn dort Kapazitäten gesichert und Engpässe minimiert werden, kann die Branche den Kunden in dieser angespannten Situation ein stabiles Produkt bieten“, sagt der TX-Logistik-CSO.

„Untragbarer Zustand“

Würdemann (Captrain) kritisiert die Unberechenbarkeit bei der Trassenpreiserhöhung. Während die Lkw-Maut für mehrere Jahre festgesetzt werde, würden die Trassenpreise seit Jahren rasant steigen. „Am problematischsten ist jedoch die fehlende Planbarkeit“, sagt Würdemann. Momentan sei es so, dass die Güterbahnen zum Teil erst nach Fahrplanbeginn wissen, was die Trasse eigentlich kostet. „Das ist ein untragbarer Zustand“, bemängelt der Captrain-Chef.

Der BLS-Cargo-CEO Stahl verweist zudem auf den Zustand des Schienennetzes in Europa. Hier seien grundlegende Anforderungen auf den Strecken zu erfüllen. „Die Gewährleistung zentraler Infrastrukturparameter wie 740 Meter Zugslänge, 4 Meter Eckhöhe oder 22,5 Tonnen Achslast ist für die Zukunft des europäischen Schienengüterverkehrs zentral und muss im gesamten TEN-T-Netz gelten“, sagt der Chef der Schweizer Güterbahn.

Auch für Sven Flore (SBB Cargo) sind die hohen Trassenpreise nicht akzeptabel. Seine Forderung: Die Trassenpreise müssen neu auf einem angemessen niedrigeren Niveau justiert werden. „Dann sollte eine klare Kopplung der Preis an das Inflationsgeschehen erfolgen, ergänzt um dämpfende Elemente, um extreme Ausschläge abzufedern“, sagt der CEO von SBB Cargo International. Und ihm missfallen Subventionen, die Fehlanreize setzen, wie zuletzt die Einzelwagenförderung. „Hier werden Dauersubventionen zementiert, anstatt das Übel an der Wurzel zu packen“, kritisiert Flore.

Ihr Feedback
Teilen
Drucken

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ, DVZ-Brief oder DVZ plus 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt 4 Wochen kostenlos testen

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Sie sind noch kein Abonnent?

Testen Sie DVZ, DVZ-Brief oder DVZ plus 4 Wochen im Probeabo und überzeugen Sie sich von unserem umfassenden Informationsangebot.

  • Online Zugang
  • Täglicher Newsletter
  • Wöchentliches E-paper

 

Zum Probeabo

Jetzt 4 Wochen kostenlos testen

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Kundenservice

Sie haben Fragen? Kontaktieren Sie uns gerne.

Nach oben