What would Blaubär do?

Wie würde die Dekarbonisierung der Logistik aussehen, wenn sie nach den Regeln Zamoniens gespielt würde? Eine Kolumne von Prof. Moritz Petersen über Bürokratenberge, Rebound-Krater und die Frage, wie man Subdienstleistern mit mehr als nur warmen Worten wirklich helfen kann.

Wie bei Käpt’n Blaubär gilt auch bei der Dekarbonisierung der Logistik: Man kommt nur voran, wenn ab und zu jemand eine helfende Hand reicht. (Foto: iStock/ very good)

Ich lese meinen Kindern aktuell „Die 13 ½ Leben des Käpt’n Blaubär“ vor, die fiktive Autobiografie des berühmten Charakters von Walter Moers. Jeder Abend bringt ein neues Abenteuer in der fantastisch-absurden Welt Zamoniens. Ständig findet er sich in hoffnungslosen Situationen wieder, aus denen er sich durch Klugheit oder absurde Zufälle befreien muss. Wenn nichts mehr hilft, fällt er in ein sich überraschend öffnendes Dimensionsloch. Nach dem Vorlesen folgt für mich ein doppelter Szenenwechsel: vom Sofa zum Schreibtisch und von Zamonien in die nachhaltige Logistik. Und manchmal denke ich: Schade, dass die Welten so wenig gemeinsam haben. Oder nicht?

Wäre Zamonien ein Bild für die Dekarbonisierung der Logistik, dann wäre das Ziel des Blaubären klar: die emissionsfreie Küste von Künftighausen, ein strahlender Küstenstreifen, an dem die Luft so klar ist, dass man angeblich die Zukunft sehen kann. Natürlich müsste der Blaubär auf seiner Reise vielfältige Herausforderungen bewältigen. Da wären die Rebound-Krater, Orte, an denen jede eingesparte Tonne CO₂ von neuer Nachfrage verschluckt wird. Er müsste die Bürokratenberge bezwingen: Wer hier hineinwandert, braucht fünf Excel-Tabellen und ein Opfer an die Götter der Abstimmungsrunde.

Eine besonders harte Nuss wäre die investitionsfreie Komfortzone drüben im Scope-3-Land. Nicht zu verfehlen, denn sie liegt genau zwischen Anspruch und Realität der Auftraggeber logistischer Dienstleistungen. Dieses Land sieht auf den ersten Blick friedlich aus: Die Bäume tragen glänzende „Net-Zero-2030“-Schilder. Doch hinter der Fassade wimmelt es von gefährlichen Wesen. Sie heißen Ankündigungs-Elfen oder Roadmap-Riesen, und sie sprechen eine gemeinsame Sprache: warme Worte. „Wir wissen, wie wichtig die Dekarbonisierung ist.“ „Wir nehmen unsere Verantwortung ernst.“ Richtig, wichtig, aber vor allem: kostenlos.

Für die dort beheimateten kleinen Subdienstleister hat die investitionsfreie Komfortzone einen ganz anderen Klang. Sie hören in den warmen Worten vor allem das Echo ihrer eigenen Realität: dünne Margen, hohe Unsicherheit, fehlende Planungssicherheit. Manche sind groß und mutig genug, sich selbst zu befreien und in Richtung der emissionsfreien Küste aufzubrechen. Viele Hunderttausende kämpfen jedoch darum, überhaupt bestehen zu können. Sie leben nicht in 2030-Roadmaps, sondern in 30-Tage-Zyklen.

Doch irgendwann taucht in Zamonien immer jemand auf, der handelt. Jemand, der eine Hand reicht, an der man sich aus dem Schlamassel ziehen kann. Gibt es solche Hände auch in der Logistik? Es gibt sie. Ein Beispiel ist das „Low Carbon Truck Programme“ von DP World UK. Es fördert den Einsatz von HVO im Straßengüterverkehr durch echte ökonomische Unterstützung: Für jeden teilnahmeberechtigten Lkw eines Subdienstleisters stehen 5.000 Liter HVO zum Dieselpreis bereit. Finanziert wird das Programm durch eine Energy Transition Contribution, einen Preisaufschlag auf verladene Container.

Dieses Beispiel zeigt, dass man den Subdienstleistern und der eigenen Klimabilanz nicht mit „mehr Bewusstsein“, sondern mit handfester Unterstützung hilft: klare Kriterien, messbarer Nutzen, kein finanzielles Risiko.

Natürlich: HVO ist kein Shortcut zur emissionsfreien Küste von Künftighausen. Als Schritt mit Signalwirkung eignet es sich meiner Meinung nach trotz der Debatten um Verfügbarkeit und bilanzielle Anrechenbarkeit durchaus. Es bleibt abzuwarten, welche Ergebnisse das Programm erzielt. Was aber unumstritten sein sollte: Wir brauchen solche Mechanismen, die kleine Dienstleister wirklich unterstützen.

Nicht jedes Unternehmen ist wirtschaftlich und strategisch so robust aufgestellt wie DP World. Trotzdem verwandeln sich bei immer mehr Auftraggebern die Ankündigungs-Elfen langsam aber sicher in Anpack-Elfen. Sie helfen, Kostensteigerungen abzufedern, zum Beispiel in Pilotphasen oder für definierte Relationen. Sie ermöglichen den Subdienstleistern brauchbare Planungshorizonte. Sie öffnen Ladepunkte und digitale Tools für Subdienstleister. Sie teilen Risiken und das notwendige Lehrgeld. Keiner dieser Schritte ist revolutionär. Aber alle haben etwas gemeinsam: Sie verwandeln Absicht in Bewegung raus aus der investitionsfreien Komfortzone.

Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr Parallelen fallen mir auf. Vielleicht ist die Dekarbonisierung der Logistik tatsächlich so etwas wie eine zamonische Reise: voller seltsamer Landstriche, merkwürdiger Kreaturen und unerwarteter Hindernisse. Aber wie bei Käpt’n Blaubär gilt auch hier: Man kommt nur voran, wenn ab und zu jemand eine helfende Hand reicht. Dann werden wir vielleicht eines Tages feststellen, dass der Weg zur emissionsfreien Küste von Künftighausen viel kürzer war, als wir dachten. Denn eines ist sicher: Auf ein Dimensionsloch sollten wir uns nicht verlassen, aufeinander schon. (fw)

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