Nordfrost: „Bestände werden wieder enger disponiert“
DVZ: Herr Bartels, wie schätzen Sie die aktuelle Marktlage ein?
Falk Bartels: Die Geschäftslage in der Lebensmittellogistik zeigt sich insgesamt solide. Im Vergleich zu den Jahren 2020 bis 2022, die durch externe Schocks wie Lockdowns oder unkalkulierbare Energiepreise und Containerraten geprägt waren, hat sich der Markt wieder normalisiert. Die schwache Industrieproduktion in Deutschland wirkt zumindest temporär dämpfend auf die grundsätzlich weiter angespannte Lage am Strommarkt, beim Laderaumangebot und der Personalverfügbarkeit.
Die Lagerbestände werden wieder enger disponiert. Zusammen mit der verringerten heimischen Fleischproduktion führt dies zu einer – gegenüber den ausgesprochen starken Vorjahren – gedämpften Nachfrage nach Lagerraum im Tiefkühlbereich. Die Nachfrage nach temperierten Lebensmitteltransporten ist stabil, wobei wir einen Trend zu größeren Sendungen durch die fortschreitende Konsolidierung aufseiten der Industrie und die weitere Ausrollung von Beschaffungslogistik-Konzepten im Lebensmitteleinzelhandel beobachten.
Welche Erwartungen haben Sie mit Blick auf 2024?
In Bezug auf die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen blicken wir mit verhaltenen Erwartungen auf das Jahr. Die Gefahr von externen Störungen ist angesichts der politischen Lage in der Welt weiterhin gegeben. Nur ein Beispiel sind hier die Angriffe auf die Handelsschifffahrt im Roten Meer, die erneut zu Störungen in der Containerlogistik und damit zu Engpässen in den Lieferketten führen.
Die gesamtwirtschaftliche Lage sehen wir weiterhin unter Druck, überzeugende Lösungen für die bestehenden Herausforderungen wurden von der Politik aus unserer Sicht bisher nicht gefunden. Aktuell besteht im Hinblick auf die Klimapolitik Unsicherheit hinsichtlich der dafür erforderlichen Technologieförderung. Unabhängig davon bewerten wir den Markt der Lebensmittellogistik insgesamt als stabil.
Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für ihr Unternehmen?
Dazu gehören zum Beispiel die ständig verschärften politischen und regulatorischen Anforderungen. Kurzfristige Änderungen der Förderkulissen zu den geforderten Transformationsprozessen schaffen zusätzliche Ungewissheit, zum Beispiel bei alternativen Antriebsformen. Dies erschwert eine langfristige Planung und erfordert ein hohes Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit. Angesichts des gestiegenen Zinsniveaus stehen Investitionen zudem unter einem hohen Wirtschaftlichkeitsdruck. Und: Das Rekrutieren von qualifizierten Mitarbeitern bleibt sowohl bei Lager- als auch bei Fahrpersonal eine anspruchsvolle Aufgabe. Auch im administrativen Bereich ist es nach wie vor schwierig, offene Stellen zu besetzen. Ausländische Fachkräfte zu gewinnen, ist – trotz politisch versprochener Erleichterungen – aufgrund bürokratischer Hürden weiterhin kaum möglich.
Aktuell sehen wir in der Lebensmittellogistik gegenüber anderen Branchen im Bereich der Digitalisierung noch Nachholbedarf. Nordfrost-Geschäftsführer Falk Bartels
Künstliche Intelligenz (KI) sowie die Digitalisierung insgesamt wird vielfach als Lösung für zahlreiche Probleme gepriesen. Wie bewerten Sie das für Ihr Geschäft?
Der technische Fortschritt im Bereich der Digitalisierung und Automatisierung hat großen Einfluss auf unser Geschäft in der Lager- und Transportlogistik. Durch den Einsatz neuer Technologien können Prozesse effizienter gestaltet und die Transparenz entlang der Lieferkette erhöht werden. Auf Basis der sich dabei ergebenden genaueren Daten können Routen optimiert, Leerfahrten reduziert und Lagerprozesse besser geplant werden. Digitalisierung und Automatisierung werden auch notwendig sein, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen. Aktuelle Fortschritte in den Bereichen Robotik und KI betrachten wir eine große Chance für die Zukunft. Die Technologien erfordern jedoch eine sorgfältige Integration in bestehende physische und IT-Umgebungen.
Aktuell sehen wir in der Lebensmittellogistik gegenüber anderen Branchen im Bereich der Digitalisierung noch Nachholbedarf. Zudem werden viele interessante neue Intralogistiklösungen aktuell noch gar nicht für die besonderen Anforderungen im Tiefkühlbereich angeboten. Entsprechend erwarten wir, dass neue Technologien in den nächsten Jahren einen signifikanten Einfluss auf die Branche haben werden.
Welche Projekte treibt Nordfrost derzeit am stärksten voran?
Unsere aktuellen Investitionsprojekte konzentrieren sich vor allem auf die Bereiche Digitalisierung und Automatisierung sowie Nachhaltigkeit. So werden wir in diesem Jahr E-Lkw im Rahmen einer 24-Stunden Produktionsentsorgung in Betrieb nehmen. Und wir werden mit dem Ausrollen einer KI-basierten Steuerung unserer Kälteanlagen starten, die sich n einem Pilotprojekt bewährt hat.
Unser neues Kühlhaus auf dem Nordfrost Hafen-Terminal Wesel ist ein noch laufendes Investitionsprojekt, das wir Mitte dieses Jahres fertigstellen. Die Multitemperatur-Anlage etwa 40 Kilometer nördlich von Duisburg bietet alle Voraussetzungen, um Reefer-Container klimafreundlich von und zu den ARA-Häfen zu transportieren – über den sogenannten Cool Corridor, die Wasserstraße Rhein.
Nach unseren hohen Investitionen in neue Logistikanlagen in den vergangenen Jahren sehen wir derzeit keinen Bedarf für Kapazitätserweiterungen auf breiter Front. Gezielte Erweiterungsinvestitionen im Zusammenhang mit konkreten Kundenprojekten werden jedoch geprüft. (cs)