Innovative Services sind ausbaufähig
Wie bedeutend der Wirtschaftsbereich Logistik ist, hat die Corona-Pandemie bewiesen. Die Krise hat zwar die Relevanz von funktionierenden Lieferketten mehr ins Bewusstsein gerückt, aber die Herausforderungen sind groß. Supply-Chain- und Logistikakteure haben mit politischer und wirtschaftlicher Instabilität, unterbrochenen Lieferketten und Fachkräftemangel zu kämpfen.
Dennoch haben Logistik und Supply Chain Management inmitten dieser Turbulenzen einen grundlegenden Wandel erfahren. Wurden diese traditionell als weitgehend unsichtbare Kostenbelastung wahrgenommen, gelten sie inzwischen als das Rückgrat gesellschaftlichen Wohlstands. Gleichzeitig erfordert das stark veränderte Marktumfeld ein Überdenken etablierter transport- und logistikbezogener Konzepte und Strategien.
Vor allem die Logistik, die eine Schlüsselrolle im globalen Handel einnimmt, ist zunehmend gefordert, innovative Lösungen und Ideen zu entwickeln. Digitale Transformation, disruptive Geschäftsmodelle, technologischer Durchbruch – das sind nur einige der vielen Schlagworte, die derzeit in aller Munde sind, wenn es um innovative Logistikkonzepte geht. Allerdings wird der Branche oft nachgesagt, dass es ihr an Innovationsfähigkeit mangelt, dass sie zu bodenständig agiert und Probleme eher kurzfristig löst. Somit bleibt die Frage, ob Logistikdienstleister überhaupt in der Lage sind, als Gamechanger zu fungieren.
Die BVL und die Messe transport logistic haben ermittelt, wie es um das Innovationsmanagement in Deutschland bestellt ist – nicht nur bei Logistikdienstleistern, sondern auch bei ihren Auftraggebern. Basis ist eine Umfrage im Rahmen einer Dissertation. Befragt wurden 117 Experten aus Industrie und Handel sowie 213 von Logistikdienstleistern.
Nach den Innovationstreibern gefragt, geben 76 Prozent der Dienstleister an, dass sie hoffen, betriebliche Effizienzsteigerungen zu erzielen oder Kosteneinsparungen zu realisieren. Gleichzeitig erkennen sie der Untersuchung zufolge zunehmend den strategischen Wert von Innovationen für den Erhalt oder Ausbau ihrer Wettbewerbsposition. Häufig sind spezifische Kundenanforderungen Auslöser für neue Dienstleistungen. Dabei scheinen große Unternehmen eher nach innen zu schauen, während Mittelständler mehr auf die Stimme des Kunden achten.
Riesiges Innovationspotenzial
Ein Drittel der Befragten konstatiert, dass die Entwicklung von Innovationen in ihren Unternehmen zu einem großen Teil eine Top-Management-Aufgabe ist. Allerdings wendet mehr als die Hälfte der Dienstleister eigenen Angaben zufolge keine wesentlichen Ressourcen auf, um neue Services zu entwickeln – weder personell noch finanziell.
Aber reichen die wenigen Investitionen von Logistikern in die Entwicklung neuer Dienstleistungen aus, um Innovationen wirklich voranzutreiben? Vermutlich nicht, zumal Logistikfirmen im Vergleich zur Fertigungsindustrie ein durchweg negatives Bild der eigenen Innovationskraft zeichnen. Allerdings ist laut der Studie das Innovationspotenzial in der Logistikbranche riesig. Um dieses auszuschöpfen, müssten sich die Dienstleister jedoch der Notwendigkeit nachhaltiger Investitionen und eines systematischeren Ansatzes zum Vorantreiben von Innovationen bewusster werden, wie es heißt.
Und was sagen die Verlader? Generell zeigen deren Antworten einen klaren Bedarf an mehr Innovation. Neben „Software & IT“ geben sie Innovationen im Bereich „Transport“ als Top-Priorität an. Als nahezu ebenso unverzichtbar gelten Innovationen in den Bereichen Lagerhaltung, Kommissionierung und Intralogistik, ungeachtet der jüngsten Fortschritte in diesen Bereichen in Bezug auf Digitalisierung und Automatisierung.
Aufgrund der vielen Unterbrechungen der Lieferketten während der Corona-Pandemie sowie der Vielzahl anderer Krisen fordern Verlader wenig überraschend neuartige Dienstleistungen, um die Verfolgung und Rückverfolgung von Waren entlang der Lieferketten zu verbessern. Bemerkenswert ist dabei aber, dass Innovationen im eng verwandten Bereich „Risiko und Resilienz“ als vergleichsweise weniger dringend gemeldet werden.
Fehlende Zahlungsbereitschaft
Zudem geben 42 Prozent der Verlader an, dass sie Dienstleister für wenig bis gar nicht innovativ halten. Rund ein Drittel von ihnen findet es zwar positiv, einen innovativen Dienstleister zu haben, will dafür allerdings nicht mehr bezahlen. Immerhin gehen 41 Prozent der Verlader davon aus, dass ihnen die Zusammenarbeit mit einem innovativen Partner Effizienz bringt und Kosten senkt. Gleichzeitig betrachten die meisten Verlader die Entwicklung von Innovationen ausschließlich als Aufgabe der Dienstleister.
Das könnte erklären, warum nur ein Zehntel der Hersteller und Händler in die Innovationsprozesse ihrer Dienstleister einbezogen ist und warum relevantes Praxis-Know-how im Innovationsprozess fehlt. Das heißt, auch auf der Seite der Verlader ist ein Umdenken erforderlich. Gemeinsam Innovationen zu entwickeln, würde auch ihre eigene Wettbewerbsposition festigen. Das Fazit lautet: Partnerschaft, offene Kommunikation und die Bereitschaft, Innovationsinitiativen angemessen zu vergüten, sind unerlässlich, aber noch lange nicht Realität. (cs)