Viel Potenzial – aber auch viele Hürden

Dem Kombinierten Verkehr (KV) gehört die Zukunft. Darin waren sich Redner und Teilnehmer der zweiten KV-Konferenz der DVZ einig. Dies gilt aber nur dann, wenn die Weichen richtig gestellt werden.

Staatssekretär Michael Theurer sieht gute Wachstumschancen. (Foto: Dierk Kruse)

An einem Bekenntnis zum KV mangelt es nicht. Egal, ob die Politik, die Verlader oder die betroffenen Akteure selbst: Sie wollen nicht nur den KV fördern. Sie sind auch überzeugt, dass er weiter wächst. Diese These zieht sich wie ein roter Faden durch die 2. DVZ-Konferenz KV.

Die Bundesregierung sieht im KV einen unverzichtbaren Baustein zur Lösung der Mobilitätsprobleme und des Klimawandels. „Die Zukunft des Verkehrs ist intermodal, und wir brauchen eine intelligente Vernetzung von Verkehrsträgern“, sagt Michael Theurer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister. Der Schienenbeauftragte der Bundesregierung sieht gute Chancen für den KV: „Wir glauben, dass der KV auch in Zukunft ein enormes Verlagerungspotenzial hat.“

„Wir befürchten, dass der Vorschlag zur neuen KV- Richtlinie der EU-Kommission mehr Bürokratie bringt.“ Michael Theurer, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesverkehrsminister

Um die Mengen bewältigen zu können, bedarf es mehr Terminalkapazitäten. Dazu gibt es eine Förderrichtlinie. Doch angesichts der derzeitigen Haushaltsprobleme werden Befürchtungen laut, dass die Mittel gestrichen werden. „Diese Förderlinie muss unbedingt erhalten werden, damit wir in der Fläche mehr Zugangsmöglichkeiten zur Schiene schaffen“, so der FDP-Politiker.

Kritische Worte findet Theurer für den Vorschlag der EU-Kommission zur KV-Richtlinie. „Wir befürchten, dass diese Gesetzgebung mehr Bürokratie bringt“, sagt der Staatssekretär. So soll der CO₂-Fußabdruck künftig darüber entscheiden, ob es sich um einen KV-Transport handelt. Das bedeutet für die Unternehmen, für jede Sendung muss eine solche Kennzahl erhoben werden. Dazu will Theurer mehr wissen: Über die Verbände soll es Gespräche mit Marktteilnehmern geben, um so den Aufwand abzuschätzen. Erst dann soll die Stellungnahme gegenüber der EU abgegeben werden.

„Dumm, arrogant und irreführend“

Bei all den Aussagen über die Notwendigkeit einer Verlagerung: Ralf Jahncke, CEO des Beratungsunternehmens Transcare, hält so manchem Slogan ein Stoppschild entgegen. „Güter gehören auf die Bahn: Ich halte diesen Spruch für dumm, arrogant und irreführend“, sagt er. Zum einen verweist er auf das Potenzial für KV-Transporte: Wenn man nur die Güter betrachte, die sich von ihrer Art, der Entfernung und der Nähe zu einem Terminal für den KV eignen, blieben europaweit von 13,6 Milliarden Tonnen gerade mal 250 bis 500 Millionen Tonnen übrig. Bei einer durchschnittlichen Entfernung von 513 Kilometern für KV-Transporte ergäbe das bei 250 Millionen Tonnen immerhin 128 Milliarden Tonnenkilometer auf dem Kontinent. Zum Vergleich: In Deutschland beträgt die Verkehrsleistung aktuell knapp 60 Milliarden Tonnenkilometer pro Jahr.

Der Berater macht andere Vorschläge, die den KV – aus seiner Sicht – weiterbringen: „Stopp den Rückbau von Gleisanlagen.“ Es müsse Investitionshilfen für Depots und Pufferflächen geben. „Der erste Engpass im Terminal ist immer die Depotfläche“, sagt Jahncke. Notwendig sei zudem die Mautbefreiung vom Vor- und Nachlauf. Ferner sollten neue Auflieger grundsätzlich als kranbare Trailer zugelassen werden. Letzteres würde zu einem Mehrgewicht von nur 600 Kilogramm führen.

Aus europäischer Sicht ist ein funktionierendes Netz mit ausreichend Kapazitäten wichtig. Daher begrüßt Dirk Stahl, CEO von BLS Cargo und zugleich Präsident der European Rail Freight Association (ERFA), die Korridorsanierung im deutschen Netz. Damit seien jedoch zusätzliche Kosten verbunden, weshalb man nochmal über eine Kompensation reden müsse. „Wir haben mit der Sperrung wahrscheinlich nicht genug Kapazität. Aber 80 Prozent der Verkehre müssen umgeleitet werden können“, lautet seine Forderung.

Seit wenigen Wochen liegt der Vorschlag zur neuen KV-Richtlinie vor. Stahl kritisiert, dass demnach der KV nur dann als förderfähig erachtet wird, wenn mit der Schiene mindestens 40 Prozent CO₂-Einsparung im Vergleich zur Straße erreicht werden. Die Berechnung sei in der Erhebung und Kontrolle „relativ anspruchsvoll“. Außerdem seien in der Direktive keine Fördermaßnahmen definiert. Daher befürchtet er einen Flickenteppich von unterschiedlichen Maßnahmen in Europa.

„Um die Verkehre CO₂-neutral oder emissionsarm durchzuführen, führt aktuell kein Weg am KV vorbei.“ Lars Kleist, Leiter Netzwerk Bahn Europa, Volkswagen Konzernlogistik

Jahncke sieht Wachstum im KV vor allem, wenn sich neue Strukturen bilden. Zum einen werde es neue Anbieter geben, die versuchen, die gesamte Transportkette abzudecken. Als Beispiel nennt er Ambrogio. Die italienische Spedition habe als Traktionär eine Staatsbahn verpflichtet, aber den Rest in der Transportkette wie Umschlag oder Vor- und Nachlauf unter ihre Kontrolle genommen, unter anderem mit eigenen Terminals und Waggons. „Da wird zunehmend vertikal integriert, was auch auf Anbieter wie Lkw Walter zutrifft.“ Jahncke ist davon überzeugt, dass es dabei nicht bleiben wird. „Es wird mehr Unternehmen geben mit eigenen Waggons, Terminals und Zügen.“ Auch von der Bahnseite beobachtet er solche Tendenzen und nennt Hupac als Beispiel. „Die Deutsche Bahn verpennt das komplett“, hält Jahncke dem Unternehmen vor.

Frank Erschkat, Senior Vice President Intermodal Sales bei DB Cargo und Sprecher der Geschäftsführung von Transfracht, kündigt Veränderungen bei DB Cargo an: „Wir werden uns branchenorientiert aufstellen. Wir müssen den Durchgriff und die Beeinflussbarkeit auf die Transportkette nachschärfen.“ Das bedeute mehr Verantwortung der Mitarbeiter für die einzelnen Kundenaufträge.

Er verweist auf die anstehende Korridorsanierung, „die unumgänglich ist, uns aber vor immense Herausforderungen stellen wird“. Vor allem bei der Sanierung der Strecken Hamburg–Hannover und Nürnberg– Regensburg im ersten Halbjahr 2026 sieht er Probleme auf Transfracht mit ihren Nord-Süd-Verkehren zukommen. Der mit den Umwegverkehren verbundene zusätzliche Aufwand sei beachtlich: „Wir reden bei dieser großräumigen, mehr als 100 Kilometer umfassenden Umleitung über 20 bis 30 Prozent Mehrkosten für den längeren Einsatz von Güterwagen, Loks und Lokführern.“

Neue Wege gehen: Das trifft auch auf die Rail Cargo Group (RCG) zu. So streben die Österreicher laut Matthias Kirchgasser, Geschäftsführer Rail Cargo Operator, weitere Verbindungen Richtung Türkei an. „Ein Teil, der bei uns noch den Kinderschuhen steckt, ist die multimodale Logistik.“ Dazu gehört, dass das Tochterunternehmen der RCG kürzlich in eine kleine Flotte von Swap-Bodies investiert hat. Die Sattelauflieger versucht RCG jetzt zu befrachten und spricht dabei Verlader direkt an wie auch die Spedition. Er sieht diese Maßnahme als einen Teil der vertikalen Ausrichtung. Zum anderen diene dieses Geschäft dazu, kleineren Verladern oder Spediteuren den Umstieg zu erleichtern.

„Nicht so weitermachen wie bislang“

Resilienz ist ein Begriff, dem Albert Bastius, COO bei dem Eisenbahnunternehmen TX Logistik, eine hohe Bedeutung beimisst. Er prophezeit: „Die Güterbahnen werden in den nächsten 10, 20 Jahren nicht so weitermachen wie bislang. Sonst überlebt 2030 keiner mehr von uns.“ Zu der Philosophie von TX Logistik gehöre es, die Züge selbst zu fahren. Zum einen erhofft er sich einen Kostenvorteil. „Zum anderen haben wir die Produktion in der eigenen Hand.“ Die Züge könne TX besser steuern. Dazu gehöre auch, die letzte Meile für den Kunden zu übernehmen. Deshalb skizziert er das Selbstverständnis von TX Logistik so: „Wir sehen unsere Rolle als ein Integrator auf der Schiene und nicht nur als ein Eisenbahnverkehrsunternehmen oder ein Operator.“

„Es wird mehr Unternehmen geben mit eigenen Waggons, Terminals und Zügen.“ Ralf Jahncke, CEO Transcare

Während die wirtschaftliche Lage viele Operateure unter Druck setzt, feiert der Kombi-Dienstleister Cargobeamer das „mit weitem Abstand beste Jahr der Firmengeschichte“, berichtet CEO Nicolas Albrecht. Cargobeamer fährt aktuell fünf Terminals an. Die Zahl der unternehmenseigenen Terminals will Cargobeamer in ferner Zukunft auf über 20 erhöhen.

„Der Markt für nicht kranbare Trailer ist viel größer als der klassische KV-Markt“, begründet Albrecht das Wachstum. „Um auch die nicht KV-affinen Trailer und Kunden für die Schiene zu gewinnen, müssen wir ein wesentlich resilienteres Produkt schaffen“, so die These des Experten. Mit einer Be- und Entladezeit von über sechs Stunden bei den klassischen Verkehren sei das allerdings unmöglich, meint Albrecht und sieht hier die Cargobeamer-Technologie im Vorteil. Dabei versucht das Unternehmen, infrastrukturbedingte Ausfälle durch hohe Frequenzen aufzufangen – trotz der aktuell schwachen Marktlage. Denn hohe Ausfallquoten seien gerade für Unternehmen wie Amazon und Co. ein No-Go.

Eine weitere zentrale Herausforderung für den KV sind dessen Komplexität und fehlende Transparenz, weiß Christoph Büchner, Geschäftsführer von DX Intermodal. Um das zu ändern und gegenüber dem Straßengüterverkehr wettbewerbsfähiger zu werden, hat er im Rahmen des BMDV-Förderprojektes „KV 4.0“ eine Datendrehscheibe für den transparenten Austausch von Informationen rund um Fahrpläne, Auftragsdaten und Statusmeldungen mitentwickelt. „Im Prinzip sind wir ein Postverteiler, der die Daten an die richtigen Stellen weiterleitet“, erläutert Büchner. Das Ganze funktioniert über eine URL und individuelle Zugänge. Wer bestimmte Daten erhält, entscheidet der Versender; die Drehscheibe überprüft diese auf Konformität mit einem einheitlichen XML-Standard.

Auch die Verlader sind in der Pflicht

Wie viele Industrieunternehmen hat auch Volkswagen (VW) sich ehrgeizige Ziele gesetzt: Bis 2050 will der größte Autohersteller der Welt die bilanzielle CO₂-Neutralität erreichen. Daher ist das Unternehmen auch im Transport gefordert. Obwohl VW bereits über ein umfangreiches Bahnnetzwerk verfügt, sei bislang nur ein Bruchteil der Verkehre über die Schiene abgewickelt, berichtet Lars Kleist, Leiter Netzwerk Bahn Europa bei VW Konzernlogistik. So habe ein großer Teil der Kaufteillieferanten keine Schienenanbindung, und es seien auch nicht alle VW-Standorte an die Bahn angeschlossen. „Um auch diese Verkehre CO₂-neutral oder emissionsarm durchzuführen, führt aktuell kein Weg am KV vorbei“, zeigt sich Kleist überzeugt. Die Potenziale und Volumen seien vorhanden, betont er. Lediglich an den Rahmenbedingungen müsse die Branche gemeinsam feilen. Dazu gehöre unter anderem, Unpaarigkeiten auszugleichen oder zuverlässige Transportlaufzeiten zu ermöglichen. Doch auch die Verlader stehen Kleist zufolge in der Pflicht: „Wir haben teilweise unkalkulierbare, hohe Durchlaufzeiten. Hier müssen wir als Verlader besser und zuverlässiger werden“, gesteht er ein.

Auch die Spedition Bertschi will ihren CO₂-Ausstoß senken. Das Unternehmen mit Sitz im Schweizer Dürrenäsch hat einen Intermodalanteil von 75 Prozent und strebt an, sowohl im Hauptlauf als auch im Vor- und Nachlauf mit Nullemissionen unterwegs zu sein. Ein weiter Weg, denn gerade in der Chemielogistik ist ein deutlicher Volumenrückgang zu beobachten. Man habe es mit einer „sehr dramatischen, negativen Entwicklung“ zu tun, sagt Jan Arnet, CEO bei Bertschi. Problematisch seien im Bahntransport neben „Dauerbrenner“-Themen wie Interoperabilität, Trassenpreissysteme und Kapazitätsmanagement auch politische Vorgaben sowie die Marktdominanz staatlicher Eisenbahnen. „Es fehlen die Rahmenbedingungen, die es interessant machen, private Investitionen zu tätigen“, bemängelt Arnet. Dennoch sei die Wachstumsdynamik im Intermodalverkehr weiterhin hoch. „Wenn wir zusammen vorwärts denken, erreichen wir unsere Ziele“, zeigt er sich überzeugt. Immerhin habe die Transportindustrie einen entscheidenden Beitrag für die CO₂-Reduktion zu leisten.

Berater Ralf Jahncke vertrat provokante Thesen. (Foto: Dierk Kruse)
Provokante Thesen spielten auch in der Diskussion der Bahnvertreter mit Moderator Michael Cordes eine Rolle (von links): Albert Bastius (TX Logistik), Frank Erschkat (DB Cargo) und Matthias Kirchgasser (Rail Cargo Operator). (Foto: Dierk Kruse)
Jan Arnet (Bertschi) bereitet die aktuelle Konjunktur Sorge. (Foto: Dierk Kruse)
Transparenz in den Transportströmen war ein Thema, das Christoph Büchner (Mitte) und Nicolas Albrecht (rechts) mit Moderator Michael Cordes diskutierten. (Foto: Dierk Kruse)
Dirk Stahl (BLS Cargo) schilderte die europäische Sichtweise auf den KV. (Foto: Dierk Kruse)
Lars Kleist vom weltweit größten Automobilhersteller VW betonte, dass zur Reduzierung der CO₂-Emissionen Intermodaltransporte unverzichtbar sind. (Foto: Dierk Kruse)
Die Korridorsanierung, der Vorschlag zur KV-Richtlinie oder Aussagen der Verlader zum KV: Die Konferenzteilnehmer bekamen zahlreiche Themen serviert, über die in den Pausen debattiert wurde. (Foto: Dierk Kruse)
Trotzdem guter Stimmung waren Frank Erschkat (DB Cargo), Herbert Traxler (Lkw Walter) und Martin Sellner (DVV, von links). (Foto: Dierk Kruse)
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