Neocargo-Chefin Larissa Eger schätzt die Offenheit mittelständischer Speditionen
Wer sich mit Larissa Eger unterhält, spürt Zuversicht und Zufriedenheit. Die Vorständin Vertrieb und Mitgründerin des Softwareanbieters Neocargo hat mit ihrem Team in zwei Jahren ein Portfolio entwickelt, das den Datenaustausch zwischen Speditionen erleichtert und Digitalisierungslücken schließt. Dabei ist die 32-jährige Betriebswirtin im Laufe ihres Studiums erst durch eine inspirierende Vorlesung in die Logistik hineingerutscht, nachdem sie zuvor noch keine fachlichen Schwerpunkte gesetzt hatte.
„Ich wollte eigentlich auch keine Firma gründen“, gibt sie offen zu. Das sei einfach so passiert und nicht ungewöhnlich am Karlsruher Institut für Technologie (KIT), wo sie an ihrer Promotion über mathematische Preisalgorithmen für Produktionssysteme arbeitete. Bei einem Forschungsprojekt lernte sie dort Martina Betz-Weber kennen. Die geschäftsführende Gesellschafterin von Transport Betz stellte kurz darauf den Kontakt zu Elvis-Vorstand Jochen Eschborn her, dem sie von den Inhalten berichtet hatte.
Aus ersten Gesprächen der Kooperation mit dem Institutsleiter für Fördertechnik und Logistiksysteme, Prof. Kai Furmans, wurde ein Beratungsauftrag, der die Digitalisierung in dem Ladungsverbund fördern sollte. In gemeinsamen Workshops entstand schließlich der Impuls zur Unternehmensgründung, und 30 Partner aus dem Elvis-Kreis beteiligten sich direkt an Neocargo. „Diese Speditionen glaubten von Anfang an so fest an die Zusammenarbeit, dass sie direkt investiert haben“, freut sich Eger noch heute.
Mittelständler bieten tiefe Einblicke
„Die Speditionswelt war anfangs noch neu für uns, wir mussten zunächst die Strukturen und Zusammenhänge verstehen, bevor wir an Lösungen für digitale Prozesse denken konnten“, erzählt Eger. Dabei sei es sehr hilfreich gewesen, dass sie so viele Einblicke und Antworten auf nahezu alle Fragen erhalten hätten. Eger schätzt die direkte Kommunikation und das ehrliche Feedback im deutschen Mittelstand sehr.
Für die Gründerin war diese Kultur eine neue Erfahrung im Geschäftsleben. Nach ihrem Studium in Paderborn und Chemnitz hatte sie in internationalen Konzernen in Deutschland, den USA und Australien, in einem Pharmaunternehmen und im IT-Consulting eines großen Beratungshauses deutlich hierarchischere Strukturen mit wesentlich weniger Autonomie kennengelernt.
Dazu gehört auch, dass sie als Frau unter vielen Männern der Speditionsbranche zwar oftmals zunächst ihre Kompetenz beweisen müsse, dann aber ohne Wenn und Aber akzeptiert werde. An solchen Erlebnissen sei sie gewachsen. Das gelte allerdings ebenfalls für die sehr schnell verlaufene Unternehmensentwicklung. Heute bestehe das Team von Neocargo übrigens zur Hälfte aus Frauen.
„Felix Brandt und ich haben zu zweit in der Corona-Zeit im Homeoffice begonnen und die meisten Entscheidungen im Gespräch miteinander getroffen“, erinnert sich Eger. Heute habe Neocargo bereits so viele Mitarbeiter, dass die Firma Strukturen und eine Hierarchie brauche; wenn diese Dynamik anhalte, sei absehbar, dass es bald Teams geben werde und sie sich nicht mehr mit allen Mitarbeitern direkt austauschen könne.
„Wir wollen lieber schnell ins Tun kommen als zu theoretisch zu werden.“ Larissa Eger, Vorständin Vertrieb und Mitbegründerin bei Neocargo
Parallel zum Wachstum der Firma die etablierte Fehlerkultur beizubehalten, sei herausfordernd: „Wir wollen weiter schnell ins Tun kommen, lieber etwas ausprobieren, als zu theoretisch zu werden.“ Nur so bleibe das Unternehmen anpassungsfähig und könne weiter eng mit seinen Kunden zusammenarbeiten. Sie selbst müsse sich deshalb intensiv mit der Unternehmensentwicklung befassen. „Ich brauche viele meiner Studieninhalte im Tagesgeschäft, etwa zu Unternehmertum, Aufbau, Strukturierung und Entwicklung der Organisation sowie neuen Entwicklungsphasen“, sagt Eger.
Datenaustausch braucht Standards
Auch bei den Kunden musste Neocargo zunächst wichtige Basisarbeit leisten, damit alle Nutzer ohne Medienbrüche zusammenarbeiten können. Denn die Plattform ersetzt Schnittstellen und hat für interne Logiken einen Datenstandard geschaffen, der die schnelle digitale Kommunikation zwischen allen Anwendern ermöglicht.
„Beim Digitalisierungsgrad gibt es sehr große Unterschiede zwischen den fortschrittlichsten Speditionen und anderen, die noch sehr traditionell arbeiten“, hat Eger beobachtet. Für viele Unternehmen sei es immer noch eine Herausforderung, die Qualität der Stammdaten so zu verbessern, dass eine sinnvolle Automatisierung möglich werde.
„Wir stehen zwar noch am Anfang der Entwicklung künstlicher Intelligenz in der Logistik, aber schnelle Akteure hängen die Nachzügler immer weiter ab“, mahnt Eger. Wer noch kein Transportmanagementsystem (TMS) nutze, solle dies unbedingt innerhalb des nächsten Jahres nachholen und zudem für saubere Daten sorgen und Standards schaffen. Wer in drei Jahren gut aufgestellt sein wolle, dürfe zudem das Change Management nicht vernachlässigen.
Ausgleich beim Yoga
Um bei so großen Anforderungen in Balance zu bleiben, sucht sich Eger immer wieder gezielt einen Ausgleich, zum Beispiel bei einer halben Stunde Yoga. „Außerdem gehe ich gerne laufen, auch morgens vor der Arbeit“, berichtet sie. Mit ihrem Mann verreist sie gern in ferne Länder und schätzt die Inspiration durch andere Kulturen. Beim Wandern genießt sie die Zeit in der Natur. „Aber ich begeistere mich auch für Technik und besuche gerne Auto- und Bahnmuseen, vielleicht weil mein Vater einen Oldtimer restauriert hat“, erzählt sie.